(Foto: Tanja Häring)
Endlich Mai, endlich Fast-Sommer. Es riecht ja förmlich schon überall nach Bier, Staub, Schweiß, Schlamm, Liebe, Luft und Erinnerungen. Natürlich – ich rede vom Festivalsommer. Jedes Jahr die gleiche Frage: Wo soll es hingehen? Was kann ich mir leisten? Und dann natürlich: Wo fühle ich mich wohl? Spätestens bei dieser Frage fallen einige Festivals schon mal weg. Flunkyball, Bierbong, Pfützenspringen, zumindest annähernd freiwilliges Körperflüssigkeiten austauschen (knutschen, pogen) – geht alles klar. Begrapscht und beleidigt zu werden – nicht. Wie auf jeder größeren Veranstaltung muss man (frau) mit diesen Dingen rechnen, leider. Sind Schutzräume auf Festivals denn undenkbar? Naja, fast. Denn da gibt es natürlich die unzähligen, kleinen alternativen Veranstaltungen aus antifaschistischen Kontexten, bei denen sich Antisexismus im übertragenen oder tatsächlichen Sinne auf die Fahnen geschrieben wird. Manchmal eher ein Lippenbekenntnis, manchmal aber sogar tatsächlich umgesetzt. So gibt es beispielsweise das wunderbare kleine Wutzrock-Festival in Hamburg, bei dem Antisexismus nicht nur ein Label ist. Hier ist man gegenüber Übergriffen und sexistischen Vorfällen sensibilisiert und vorbereitet: wer sich in einer misslichen Lage befindet kann einfach eine Notfallnummer anrufen. Dann fällt mir noch das Przystanek Woodstock im polnischen Küstrin ein, bei dem eine 1000köpfige „Peace Patrol“ zu jeder Tages- und Nachtzeit unterwegs ist um Leuten helfend zur Seite zu stehen. Solche Maßnahmen sind schon mal gut, um sexistischen Übergriffen auf solchen Großveranstaltungen entgegenzutreten.
Aber wie sieht es denn allgemein auf den meisten Festivals aus? Grundsätzlich sehr bunt. Festivals bringen die Menschen zusammen, deswegen lieben wir sie ja so sehr. Verbunden durch die Liebe zur Musik und dem Zelebrieren dieser in einer großen Gruppe. Das Gefühl wenn man da mit tausenden von Leuten steht und alle zur gleichen Zeit das gleiche fühlen ist durch nichts zu toppen. Herkunft, Alter, Religion, Geschlecht – sollte in diesen Momenten keine Rolle spielen. Und wenn man während eines Konzertes nach links und rechts guckt, tut es das auch nicht. Das Ich und Du verschwindet und wird zum Wir. Wir sind die Schwungmasse der Musik. Sieht man jedoch mal genauer hin, muss man aber beispielsweise feststellen, dass der Anteil von männlichen Künstlern auf solchen Festivals noch immer der höchste ist. Weibliche DJs kämpfen beispielsweise schon seit Jahrzehnten um Anerkennung und reine Frauenbands sieht man ebenfalls äußerst selten. Das fällt vor allem deshalb auf, weil Frauen generell im Musikgeschäft gar nicht so unterrepräsentiert sind – auf Festivalbühnen hingegen schon. Vielleicht liegt es daran, dass die großen Festivals sich meist auf Indie, Alternative, Hip Hop und elektronische Musik fokussieren und das genau die musikalischen Bereiche sind, in denen Frauen eher eine Minderheit darstellen, wohingegen sie im Pop eher vertreten sind.
Das Women of the World Festival, das es seit 2012 gibt und vom 7. bis 11. Mai in Frankfurt am Main stattfindet, möchte diesem Phänomen etwas entgegensetzen. Das Alleinstellungsmerkmal: Nur Künstlerinnen und Bands mit Frontfrauen treten auf. Ziel ist es, Frauen „jenseits aller Klischee-oder Emanzipationsdebatten“ zu präsentieren, „um ein Unikat in der manchmal maskulin anmutenden Festival-Landschaft zu bieten“. Neben Agnes Obel, Cäthe, Miss Platnum, Wallis Bird und anderen Künstlerinnen wird sich auch die Berliner Band PRAG die Ehre geben. Sie verraten im Interview wer auf ihrem ganz persönlichen Festival nicht fehlen darf und wen sie sich beim Women of the World Festival selbst ansehen werden. Dass Frauen es im Festivalleben schwerer haben finden sie zwar nicht, unterstützen das Women of the World Festival jedoch trotzdem.
Ihr lebt in Berlin, eure Band heißt aber Prag. Was hat die eine Stadt, was die andere nicht hat?
Prag hat Bohemekaschemmen, Jazzkeller, Kleinstadtflair, ein Märchenschloß, 15 Extraportionen Melancholie und mehr gefühlte Nähe zum Fluss. Berlin hat Schnodder, Globusatmo, Hipsterlazarette und mehr gefühlte Nähe zur Türkei. Prag ist unsere Sehnsucht, Berlin unsere Mutti.
Kreativität scheint ihr reichlich gepachtet zu haben: CD-Artwork, Vielfalt der Instrumente, Kostüme, Videos- und Bühnendetails, alles wirkt sorgfältig bedacht. Woher nehmt ihr eure Inspiration? Habt ihr künstlerische Vorbilder oder Idole? Musen, definitiv. Von Scott Walker über France Gall, Fanfare Ciocarlia bis hin zu Underworld um nur ein paar musikalische zu nennen. Wir hören und schauen einfach viel Unterschiedliches und transferieren es dann in unseren PRAG-Kosmos.
Ihr arbeitet gerade an eurem neuen, zweiten Album. Wird es Überraschungen geben oder wurde mit dem ersten Album der "Prag-Sound" besiegelt? Werdet ihr wieder mit dem Prager Orchester aufnehmen?
Wir sind ja noch mitten im Produzieren, aber es zeichnet sich ab, daß es wieder den filmischen PRAG-Sound geben wird. Diesmal fahren wir nach Krakau für die Orchesteraufnahmen und – um es vorwegzunehmen – nein, es wird keine Umbenennung geben, ha.
Die Festivalsaison steht an. Wer dürfte bei einem eigenen "Prag-Festival" auf dem Line-Up nicht fehlen?
Charles Aznavour, Ennio Morricone, Pulp und die Tindersticks. Paolo Conte leider nich. Gnihihi.
Am 9. Mai werdet ihr auf dem Women oft the World Festival auftreten, welches vom 7. bis 11. Mai in Frankfurt am Main stattfindet. Großartige Künstlerinnen wie Wallis Bird, Cäthe oder Angelique Kidjo treten dort ebenfalls auf. Welche Künstlerinnen oder Bands werdet ihr euch vielleicht sogar selbst ansehen?
Agnes Obel spielt leider direkt parallel, aber wir werden versuchen, Sophie Hunger zu sehen.
Es treten auf dem WotW-Festival nur weibliche Künstlerinnen und Frontfrauen mit ihren Bands auf. Glaubt ihr, dass Frauen in Bands es gerade bei einem Festival-Publikum schwerer haben?
Wat? Nö.
Neues Album, die nächste Tour im Mai und Juni, Festivalauftritte … Wir können uns auf einiges von euch freuen in diesem Jahr. Was habt ihr euch noch alles vorgenommen und worauf freut ihr euch am meisten?
Schluss ist jedenfalls noch lange nicht. Ein drittes Album hätten wir schon noch da.
Paula Irmscher
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