Wenn sie ein Album fertig hat, gehe sie ein paar Tage spazieren, meint Sophie Hunger anlässlich ihres neuen Albums “The Danger Of Light”. Ob sie dabei auch passenderweise einen Fußball vor sich her kickt, erfuhren wir im motor.de-Interview.
(Foto: Augustin Rebetez)
Sie komme gleich, ruft Sophie Hunger aus dem Wohnzimmer eines befreundeten Künstlers in Berlin nervös vor ihrem Notebook stehend. “Verdammt, der Typ kam doch nicht zum Einsatz”, spricht sie vor sich hin und gerade als man ihr die Zeit einräumen will, siegt die eigene Neugier und man versucht einen Blick über Hungers Schulter zu erhaschen. Dass die gebürtige Schweizerin ein Faible für Fußball hat, konnte man an der einen oder anderen Stelle bereits erfahren – ein eigenes Kicker-Team hatte man aber nicht auf dem Zettel. “Mir ist schon klar, dass der Männeranteil hier bei rund 98 Prozent liegt”, erklärt sie darauf angesprochen, “aber aktuell stehe ich im Mittelfeld und wenn Werder nur eine andere Aufstellung gehabt hätte, dann…”, führt die Online-Trainerin weiter aus und obwohl es an dieser Stelle um das neue Album “The Danger Of Light” geht, ist man schnell versucht, nur noch über das Runde Leder mit ihr zu sprechen – will wissen, wie und wann sie zum Fussball kam und welche Truppe die beste für sie sei.
“Ich traue Gladbach diese Saison einiges zu. Wenn die unter Favre die Dreifachbelastung mit dem internationalen Geschäft gut wegstecken, können die rein von ihrem Kader her oben mitspielen. De Jong ist zum Beispiel ein super Typ”, holt Sophie “Delling” Hunger weit aus und plötzlich ist man mitten im Fachgespräch. Wird zugleich von ihr gefragt, wer denn der eigene Lieblingsverein sei und bekommt einen warmen, verständnisvollen Blick, als Hansa Rostock als Antwort folgt: “Die kommen wieder, muss man als Fan einfach durch.” Nach einer kurzen, gegenseitig andächtigen Stille, besinnen sich beide Gesprächspartner aber darauf, jetzt nicht nur über die Kicker-News zu sprechen, sondern auch über die Musikerin und deren neues Werk. Mit dem Hunger einmal beweist, dass sie zu den absoluten Ausnahme-Talenten im deutschsprachigen Indie-Segment gehört. In Europa und Amerika aufgenommen, enthält es elf wundervolle Songs zwischen Akustik-Pop und recht rauen Gitarren-Rock.
Im motor.de-Interview erfuhren wir im Zuge dessen, warum Montreal cooler als New York ist, Josh Klinghoffer von Red Hot Chilli Peppers ein totales Sweetheart sein kann und weswegen sie trotz des Albumtitels keine Angst vor dem Tageslicht hat.
Sophie Hunger – “Holy Hells”
motor.de: In einem Interview mit der Neuen Züricher Zeitung wurdest du einst gefragt, woran sich die Leute erinnern sollen, wenn sie an Sophie Hunger denken – hattest allerdings keine Antwort darauf. Inzwischen fündig geworden?
Sophie Hunger: Die Frage war anders – es ging eher darum, ob die Leute mit meinem Namen die Sängerin, Autorin oder Kolumnistin verbinden sollen. Auch wenn wir uns jetzt nicht mehr über Fußball unterhalten wollten: Mir wäre es am liebsten, sie wüssten, dass ich echt gut Kicken und den Ball jonglieren kann.
motor.de: Wie kam es dazu? Ist ja meist eine Jungendomäne in der Kindheit.
Sophie Hunger: Was auch an den Mädchen liegt. Ich bin einfach dazu und natürlich nimmt man eine weibliche Spielerin nicht so ernst. Den Respekt musst du dir erarbeiten, vielleicht mit zwei, drei guten Aktionen mehr als ein Junge sie braucht. Das ist für mich heute noch ein wundervoller Ausgleich: Auf Tour oder daheim mal kurz den Ball rauszuholen.
motor.de: Lass uns über dein neues Album sprechen – “The Danger Of Light” ist der Titel und man fragt sich, warum Angst vor dem Licht haben?
Sophie Hunger: Weil manchmal Dinge sichtbar werden, die du nicht sehen willst. (Überlegt) In den letzten Jahren bin ich viel ehrlicher mit mir geworden, kann Sachen einsehen und damit auch ins Gericht gehen. Das fördert jedoch zu Tage, was vorher im Verborgenen lag – keine Ahnung, ob sich das hinter dem Albumnamen verbirgt, aber es fiel mir bei deiner Frage gerade auf. Letztlich sind es die Lieder, die zählen und sie bedeuten mir besonders viel.
motor.de: Aufgenommen hast du sie in Europa und erstmals auch im kanadischen Toronto. Warum nicht in New York und innerhalb der dortigen Künstlerszene?
Sophie Hunger: Verglichen mit New York, hat Montreal eine viel lebendigere Musiklandschaft. Die Genres sind hier wie aufgelöst und du kannst als Harfenistin auch in einer Metalband spielen und niemand fragt, was das soll. Ich habe sogar eine Combo gesehen, da war der Schlagzeuger der Leadsänger und saß trotzdem ganz hinten auf der Bühne.
motor.de: Deine internationalen Helfer für “The Danger Of Light” waren dann allerdings zum größten Teil aus den Staaten: Josh Klinghoffer von den Red Hot Chilli Peppers zum Beispiel. Wie stellt man da den Kontakt her?
Sophie Hunger: Es ist nicht so, dass er mich angesprochen hätte, wenn du das meinst. Josh ist ein Freund des Produzenten der Platte und der stellte uns vor. Im Studio haben wir dann auch nicht stundelang rumexperimentiert, sondern recht schnell zusammengearbeitet.
motor.de: Soll heißen, da besuchen dich Typen wie Klinghoffer oder Nathaniel Walcott von den Bright Eyes und du machst klare Ansagen?
Sophie Hunger: Ich weiß halt, was ich will. (Denkt nach) Wenn ein Song oder ein Album fertig scheint, gehe ich gerne spazieren. Oberhalb von Zürich, auf dem Uetliberg mit Blick auf das Limmattal. Dort oben merke ich sofort, was noch getan werden muss – so folgte der Studioaufenthalt in Montreal und das, nachdem wir schon in Los Angeles waren und glaubten, durch zu sein.
motor.de: Du spielst viel mit den Sprachen: Es wird auf “The Danger Of Light” Deutsch, Englisch und auch mit schweizerischem Dialekt gesungen. Wie entscheidest du, welcher Track auf welche Weise am besten funktioniert?
Sophie Hunger: Im Grunde nehme ich, was mir im Kopf herumschwirrt. Aus einem einzigen Wort kann ein ganzer Song entstehen und so fing beispielsweise “Z’Lied Vor Freiheitsstatue” mit Schwyzerdütsch an.
motor.de: Ein Freund von mir ist vor einiger Zeit nach Zürich gezogen und meinte, dass die Schweizer beim Hochdeutsch eine gewisse Insensibilität an den Tag legen – kannst du das bestätigen?
Sophie Hunger: Eigentlich nicht, ich sehe das Problem eher andersrum. Eine Freundin von mir ist Theaterregisseurin und wenn sie mit ihren Schauspielerin hochdeutsch spricht, hat sie oft Schwierigkeiten klare Ansagen zu machen – in Schwyzerdütsch sagt man nicht knallhart “Mach mal das Fenster zu!”, sondern eher “Kannst du vielleicht das Fenster zu machen?!”. Dann stehen ihre Kollegen immer da und fragen sich: War das eine Bitte oder Aufforderung?
motor.de: Empfindest du als Songwriterin eine Verantwortung dem Publikum gegenüber? Gerade mit dem, was du sagst?
Sophie Hunger: Wenn ich einen Salat machen will, weiß ich genau: ich muss Öl kaufen, Essig, Tomaten. Wenn ich ein Lied schreibe, weiß ich nicht, was die Zutaten sind, wo ich sie finde und wie ich sie mischen möchte – es passiert einfach. Und ich habe Angst davor, dass es nicht mehr passiert. Das Einzige, was mir beim Schreiben wichtig ist: in Bewegung bleiben. Das Dümmste wäre zu sagen: Ich fahre jetzt in die Ferien und werde mir über meine Songs bewusst oder klopfe die Lyrics auf ihre Inhalte ab (verwuschelt sich wild die Haare).
motor.de: Also gibt es jetzt keine freien Tage – es geht gleich weiter auf Tour?
Sophie Hunger: (lacht) Hätte ich eine Batterie, würde sie nicht dadurch aufladen, indem ich am Strand liege und mich bräune, sondern eher, indem ich auf dem Fußballplatz rumstreite oder meine Mitspieler beleidige – Energie entsteht durch Reibung, das sage ich oft.
motor.de: Solch ein ungehobeltes Verhalten wird den vielen Kinder, die Fans deiner Musik sind, aber nicht gefallen!
Sophie Hunger: Oh Gott, wo hast du denn her?
motor.de: Aus einem Interview.
Sophie Hunger: Ich habe den Redakteur verarscht, um ehrlich zu sein. (lächelt verschmitzt) Fan-Post von Kindern kam noch nie, aber der Gedanke gefällt mir. So ein Brief würde mir zeigen, wie ich tatsächlich wirke.
Text & Interview: Marcus Willfroth
Sophie Hunger – Live 2012:
13.11.12 Köln – Gloria-Theater
15.11.12 Hannover – Schauspiel
17.11.12 Hambur – Fabrik
19.11.12 Berlin – Volksbühne
21.11.12 München – Freiheiz
03.12.12 Frankfurt – Mouseonturm
04.12.12 Heidelberg – Kulturhaus Karlstorbahnhof
15.02.12 Dortmund – Konzerthaus
16.02.12 Bremen – Kulturzentrum Schlachthof
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