Die medienscheue Sophie Zelmani wagt den Schritt in die Öffentlichkeit und spricht anlässlich ihres neuen Albums “Soul” über Verlustängste, verpasste Chancen und ihren Mann, der es trotz ihrer düsteren Songs nicht mit der Angst bekommt.

(Foto: Sony Music)

Informationen zur Biographie von Sophie Zelmani zu finden, gestaltet sich selbst im digitalen Zeitalter als schweres Unterfangen – und dass, obwohl ihr gleichnamiges Debüt bereits den 15ten Jahrestag feiert: Gerne zieht sich die Schwedin zurück ins Private, tourt zwar zwischendurch um die halbe Weltgeschichte, aber mit den Medien um offensive Umgangsformen geht es ihr dabei nie. Zelmani lässt lieber ihre Songs für sich sprechen und knackt trotz Kontaktsperre regelmäßig die Spitzenränge der heimischen Charts – platzierte zudem diverse Tracks in TV-Produktionen wie “Dawson’s Creek” oder “Buffy – The Vampire” und so sei die Frage erlaubt: Wer ist die Macherin all dessen überhaupt? Woher kommt die Inspiration für ihre Studioalben und was passiert hinter den Kulissen eigentlich? Mit ihr darüber zu sprechen, fällt anlässlich des neuen und stark im minimalen Akustikpop angesiedelten Werks “Soul” nicht leicht – einen Versuch ist es motor.de trotzdem wert.

motor.de: Im Sport würde man von einem “Perfect Run” sprechen – in den letzten vier Jahren hast du vier Alben veröffentlicht. Warum diese Arbeitswut?

Sophie Zelmani: Meine Antwort wird dich enttäuschen, weil sie simpel und selbsterklärend ist: Ich habe das Touren auf ein Minimum heruntergefahren. Nicht, dass es mir keinen Spaß mehr macht, aber es gestaltet sich in Zeiten eines kreativen Outputs einfach schwierig, das Studio links liegen zu lassen und nur noch unterwegs zu sein.

motor.de: Man traut sich fast gar nicht zu fragen, so sehr wie du dein Privatleben abschottest, aber deine Tochter hat damit nichts zu tun?

Zelmani: Die Frage überrascht mich jetzt – wirke ich, als ob niemand mit mir sprechen dürfte?

motor.de: In Interviews wiegelst du solche Themen gerne mit der Aussage ab, dass das eine Musik und das andere dein Privatleben sei und niemanden etwas anginge.

Zelmani: Da wurde ich schlecht zitiert (lacht). Schließlich unterhalten wir uns gerade miteinander und meine Tochter spielt natürlich eine große Rolle. Nicht nur als Mutter, auch als Musikerin stellt sie für mich einen ungeheuren Einfluss dar und bestimmt mein ganzes Leben. Als Person und Mensch versuche ich sie allerdings aus der Öffentlichkeit rauszuhalten.

motor.de: Trotzdem heißt ein Song auf deinem neuen Album “Soul” recht offensichtlich “My Daughter”.

Zelmani: Da geht es aber eher um eine allgemeine Sicht auf das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter – nicht um die Zelmanis selbst (denkt nach). Das ist etwas, was generell mein Songwriting ausmacht: Persönliche Erfahrungen und Erlebnisse auf ein abstraktes Level herunter zu brechen, Stories zu kreieren und um diese dann den jeweiligen Track aufzubauen.

Sophie Zelmani – “Time To Kill”

motor.de: Wo wir gerade beim Thema sind, ein schwedischer Kritiker meinte einmal über dich und deine Musik: “Sophie Zelmani spielt immer wieder die gleiche Platte ein, nur besser.” Kompliment oder purer Ärger?

Zelmani: (überlegt) Das ist doch sehr nett. Auch wenn ich ihm im Falle von “Soul” entgegnen würde, dass er mir dieses Mal nicht ganz so einfach mit seiner Beurteilung davonkommt. Die Platte unterscheidet sich stark von den Vorgängern und dies beginnt schon beim Entstehungsprozess.

motor.de: Tatsächlich? Die Sessions fanden in Schweden statt. Nur lag das Studio ausnahmsweise im Süden des Landes – klingt nicht nach einem völligen Neubeginn!

Zelmani: Wir starteten mit den Aufnahmen im Frühjahr und brauchten bis Mitte des Sommers, um die Songs final abzumischen. Worin jedoch der Unterschied lag: In den ersten Monaten war ich mit meinen Produzenten Lars Halapi komplett alleine dort und niemand durfte an den Einspielungen teilhaben. Die gesamte Instrumentierung kam erst später dazu, kurz vor Toresschluss sozusagen.

motor.de: War diese innere Klausur nötig und der Grund, warum die Platte das vieldeutige Wort “Soul” im Titel trägt?

Zelmani: Was Musik betrifft, leide ich am liebsten. Soll heißen, ich versuche immer die Dinge in meinem Leben in den Vordergrund zu stellen, die es zu bereuen, anders zu machen oder aufzuarbeiten gilt. Ins Detail möchte ich jetzt nicht gehen, aber aus der traurigen Seele eines Musikers sind stets die besten Songs entstanden – gut gelaunt geht bei mir nichts.

motor.de: Deswegen die spärliche Instrumentierung?

Zelmani: Im Prinzip schnappe ich mir generell die Gitarre und spiele einen C-Dur- oder A-Moll-Akkord, und dann ergibt sich etwas oder eben nicht. Mit “Soul” ging es mir derweil so, dass ich nicht das Verlangen nach üppigen Begleiterscheinungen hatte und deswegen blieben die Gerüste sehr minimal. (kurze Pause) Aus meiner Sicht funktionierte das gut, auch wenn sich einige erschrecken dürften.

motor.de: Vor allem deine Familie, die nach dem Durchhören der Platte doch bestimmt auf dich zukam und fragte, ob alles okay sei?

Zelmani: (lacht) Die halten sich zurück, was die Deutung meiner Texte angeht und wissen, dass “Soul” kein Tagebucheintrag meiner selbst ist. Allerdings beschreibt es den Status Quo der Musikerin Sophie Zelmani und die grübelt halt gerne – über dies und jenes und das Leben im Allgemeinen. Finde ich nichts Schlimmes bei, denn politische oder gesellschaftskritische Statements liegen mir einfach nicht.

(Foto: Sony Music)

motor.de: Bist du manchmal neidisch auf Künstler aus der elektronischen Ecke, weil diese meist leichter hinter ihrem Song verschwinden können.

Zelmani: (überlegt lange) Da muss ich dir recht geben und weiß auch, worauf du hinaus willst: Als Mitte der Neunziger Norman Cook von den Housemartins eine zweite Karriere als Fatboy Slim startete, erfuhr ich erst nach einer Reihe von Hits, dass es sich bei diesem Projekt um ihn handelte – woran das liegt, keine Ahnung, aber bei mir klingelten sofort die Magazine durch, als mein erster Song bei “Buffy – The Vampire” lief und wollten wissen, wer ich bin.

motor.de: Was hast du denen geantwortet?

Zelmani: Ich bin eine Träumerin, die das Licht sucht. Meine markantesten Eigenschaften sind Ruhe und Verschwiegenheit, meine schlimmste Extravaganz Champagner am Strand und das Kostbarste für mich stellt meine Tochter dar – (denkt nach) Solche Sachen halt.

motor.de: Die Frage sei zum Abschluss gestattet: Liegen wir angesichts des offenherzigen “Soul” dann doch falsch, wenn überall geschrieben steht, dass du ein verschlossener und schüchterner Mensch bist?

Zelmani: Das Bild in der Öffentlichkeit kann ich nur zu gewissen Teilen selbst modellieren, der größte Brocken ist die Fantasie der Leute selbst. Meine Schwester Charlotte meinte letztens gegenüber eines Journalisten: ‘Sophie ist nicht ganz von dieser Welt, eher ein Wesen als eine gewöhnliche Person.’ Das Lustige daran, ich halte mich für ziemlich normal, würde aber dasselbe über sie sagen. “Soul” ist also mein Angebot zur Weiterbildung in Sachen Sophie Zelmani.

Marcus Willfroth