MCs der Welt aufgepasst – eine neue Anwärterin auf den ersten Platz der weiblichen Rap-Musik stellt sich vor. “Jazz’n’Hip Hop” lautet das Erfolgsrezept der Südlondonerin.

Die Zeiten als Hip Hop noch innovativ und erfrischend war sind vorbei? Den Gegenbeweis tritt die 25jährige Speech Debelle aus London an. Mit Anleihen aus Jazz, Soul und Blues reichert sie ihre Hip Hop-Interpretation an und vereinigt so die Speerspitzen schwarzer Musik. Club-Poser-Gehabe und dicke Electro-Arrangements hat Speech Debelle nicht nötig. Dafür knarzt der Kontrabass, swingt die Klarinette – alles getragen vom organischen Drum-Spiel. Das Konzept ist nicht neu, ihre Interpretation aber sehr individuell.

Wenn man so will, waren US3 mit “Cantaloop” einst der Vorreiter der Kombination “Jazz und Hip Hop”. In den Folgejahren gab es immer wieder Lichtblicke in diesem Sub-Genre, beispielsweise Buckshot Lefonques “Music Evolution”. Während Erstere jedoch ungerechtfertigt als One-Hit-Wonder untergingen, schafften es Letztere eher nur zum Insider-Tipp. Nun könnte Speech Debelle das ausgewogene Mittelmaß finden.

Geschickt verbindet sie eingängige Hooks mit jazzigen Elementen und krönt das Ganze durch ihre Stimme. Einerseits klingt diese so zerbrechlich, beinahe kindlich, dass sie zu verschwinden droht. Andererseits setzt sie genau das als Effekt ein und kontrastiert mit textlicher wie lyrischer Reife. Sehr persönlich und ergreifend geht es zur Sache. Zweifel, Erfahrung, Mut, Angst sind nur einige Schlagworte, um ihre inhaltliche Bandbreite abzugrenzen.

Speech Debelle – The Key

Geht man ins Detail finden sich zahlreiche weitere musikalische Spielereien von leichten Streicher- und Klavier-Passagen über Glöckchen bis zu Akustik-Gitarren. Maßgeblich verantwortlich für die Kompositionen ist Produzent Wayne Lotek, eine Hausnummer im Hip Hop und Rückrad des etablierten Londoner Labels Big Dada. Der ebenfalls dort beheimatete Rap-Star Roots Manuva hat es sich dabei nicht nehmen lassen einen Gesangspart (!) zum Refrain von Debelles “Wheels In Motion” beizutragen – ein eindeutiges Highlight von “Speech Therapy”. Ansonsten bedürfte es einer Song-By-Song-Rezension um die Vielfalt der Tracks genau zu beschreiben. In jedem Fall sind Wiederholungen ausgeschlossen.

Speech Debelle – Go Then, Bye

Nach fünf Jahren Produktionszeit debütiert Speech Debelle und macht dadurch endlich auch außerhalb der britischen Heimat auf sich aufmerksam. “Speech Therapy” ist ein ausgereifter Erstling, der seinem Titel auf zwei Ebenen alle Ehre macht. Zum einen liegt die junge aufstrebende Künstlerin so nah und vertraut im Ohr, dass man meint, einem Selbstgespräch zu lauschen, bei dem sich eine gestandene Frau so einiges von der Seele redet. Auf der anderen Seite ist das Album nicht nur Selbsttherapie, sondern auch ein Lichtblick in der überlaufenen und trotzdem stagnierten Hip Hop-Landschaft. “This ain’t rap – this is my speech therapy.

Kai-Uwe Weser

VÖ: 29.05.09

Label: Big Dada

Tracklist:
01. Searching
02. The Key
03. Better Days
04. Spinnin’
05. Go Then, Bye
06. Daddy’s Little Girl
07. Bad Boy
08. Wheels In Motion
09. Live And Learn
10. Working Weak
11. Buddy Love
12. Finish This Album
13. Speech Therapy