Anhaltender Regen, Headliner-Ausfall und Atzen-Alarm: 2009 kämpft das Splash! wieder mit traditionellen Problemen, liefert aber auch reichlich Highlights.

Vorab:

Was ist 2009 anders?
Zunächst wäre da der kurzfristige Umzug von der Halbinsel Pouch zum benachbarten Ferropolis. Damit gibt es mehr Zeltmöglichkeiten, einen weiteren überdachten Floor und natürlich die Kulisse aus stillgelegten Tagebaumaschinen. Neu ist auch, dass erstmalig verstärkt elektronische Acts spielen.

Was ist 2009 wie immer?
Das Festival macht seinem Namen wieder alle Ehre und kämpft mit anhaltendem Regen. Zwei der wichtigsten Headliner sagen spontan ab, Helga wird wie üblich vermisst und die “Atzen-Kultur” ist unübersehbarer Bestandteil des Publikums.

Im Detail:

Splash! 2009 – Freitag
Der Ausfall Mos Defs ist schon im Vorfeld bekannt, wird durch dessen Blackstar-Kollegen Talib Kweli aber adäquat ersetzt. Der erscheint auch wie versprochen, räumt jedoch überraschend schon gegen 21 Uhr, nach Santigolds gut gelaunter und vielseitiger Show, ab. Ein gelungener Headliner-Auftakt, wenn auch etwas verfrüht.

Santigold am frühen Abend

Erster großer Headliner 21 Uhr: Talib Kweli

Nur kurz flieht die Masse zur nächsten Überdachung, schon heißt es “Let’s Push Things Forward” und The Streets entern mit kompletter Band, angeführt von Mike Skinner in Daunenweste und Anglerhut die Bühne. Schnell ist der von Kohlebaggern eingerahmte Platz wieder gefüllt und der britische Twostep-Star spielt seinen Hitkatalog herunter.

“…go to heaven for the weather…”: Mike Skinner heizt ein

Der anschließende Umbau soll etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen – die Installation der Deichkind– Kulisse und ihres Bühnenbildes ist aufwendig. Schon vor dem ersten Ton wird klar, auf wen am Freitag am meisten gewartet wird. Dann setzt der Beat ein und die Bühne erstrahlt Statisten- und Effekt-gespickt in Leuchtfarben.

Weder Daftpunk noch Kraftwerk sondern: Deichkind

Von Bungee-Seilen, einer fahrbaren Pyramide über Sadomaso-Show mit Umschnalldildos bis zur obligatorischen Schlauchbootfahrt mit Kissenschlacht reicht das künstlerisch anspruchsvolle Repertoire des Deichkind-Mobs, der mit seinen Elektrobeats und Hymnen die Masse in der Hand hat.

Kissenschlacht im Menschenmeer: Deichkind bei der Zugabe

Heiser vom “Nicke mit dem Beat-” und “Remmidemmi-Mitsingen” verteilt sich das Publikum nach den Zugaben Deichkinds über das Gelände. Hier sind es zum ersten Mal auch zahlreiche elektronische Klänge, die dem Festivalbesucher entgegen scheppern. Höhepunkt in diesem Zusammenhang bildet die im Nudesuit gekleidete Peaches mit ihrer exzentrischen Liveshow im Grenada Tent.


Peaches gewohnt exzentrisch in buntem Kostüm

Die Reggae-Fans kommen am Freitag nur durch Ronny Trettmann und sein Heckert Empire gefolgt von Ward 21 mit Live-Band im Gepäck auf ihre Kosten. Der so genannte Jamaica Floor stellt hingegen mit gänzlich unausreichender Anlage während des gesamten Festivals eine Zumutung dar.

Zu den weiteren Highlights des Freitags zählen die überzeugenden Auftritte von Zion I, Heltah Skeltah und Mixhell auf der zweiten Open Air Bühne (Aruba Stage), die weit nach Mitternacht ebenfalls technoid mit dem Boys Noize Rec. Showcase ausklingt.


Splash! 2009 – Samstag
Während am Morgen verkaterte Köpfe aus den Zelten linsen, da doch tatsächlich Sonnenstrahlen die Party-Behausung erhitzen, schwindet mit einer sich wieder schließenden Wolkendecke schnell die Hoffnung auf einen heißen Badetag. Wirklicher Schock des Tages liegt jedoch in der Ansage von der Bühne, dass Q-Tip zwar schon vor Ort im Hotel ist, Rückenschmerzen ihn aber zum Fernbleiben zwingen.

K.I.Z.
lassen die Masse dann aber den Verlust kurz vergessen. Energiegeladen und mit eigenem Konterfeit versehene Geldscheine um sich schmeißend zeigen sie der deutschen Rap-Landschaft kreative und selbstironische Alternativen auf. Der Splash-Samstag kommt langsam aber sicher in Fahrt.

K.I.Z. predigen ihren “Sexismus gegen Rechts”

Nicht minder anspruchsvoll schließt sich der kontinuierlich aufsteigende Hip Hop- und Grime-Star Dizzee Rascal an, rapt über M.I.A.s “Paper Planes” oder stimmt KRS One-Klassiker an, bis sein aktueller Elektro-Hit “Bonkers” den Laden gänzlich abreißt. Ausgelassen folgen Tausende dem feinsten britischen Englisch des Mitzwanzigers.

Auch ohne Armand Van Helden der Hit: Dizzee mit “Bonkers”

Gegen Mitternacht ist es dann soweit. Die Wu-Tang Stars Methodman und Redman sind tatsächlich da und treten fast pünktlich auf. Dachte man am Vorabend noch bei Deichkind, dass keine Steigerung im Publikum möglich ist, wird man nun eines Besseren belehrt. Die US-Rapper liefern eine solide Show, jeder Hit wird textsicher begleitet und auch der marketing-strategischen Aufforderung, den neuen Albumtitel sowie den Namen des bald erscheinenden neuen Filmes der beiden zu wiederholen, wird unermüdlich Folge geleistet.

Wu-Tang-Clan represent: Methodman & Redman

Beinahe zur selben Zeit ist im Samoa-Zelt mit Frauenarzt und Manny Marc die Atzenparty gerade auf ihrem bierseligen Höhepunkt, MSTRKRFT halten mit ihren Elecro-Punk-Salven direkt ins Publikum vor der Aruba Stage und Lady Sovereigns Cure-Cover “So Human” wird zum Höhepunkt des Sets der kleinen Rapperin aus London.

Splash! 2009 – Sonntag
Das Finale steht ganz im Zeichen der Kontraste – Sonntag wird nicht nur das Wetter endlich freundlicher, sondern das musikalische Programm auch am abwechslungsreichsten. Das wird nirgendwo offensichtlicher als vor der Hauptbühne.

Während Phenomden und Nosliw mit Reggae und Dancehall den Sonntag eröffnen, zeigen Madcon, dass es außer mit ihrem Hit “Beggin” schwer ist, das noch etwas zähe Publikum zu animieren. Nach den jamaikanischen Klängen und dem Soul- bis Funk-beeinflussten Hip Hop Madcons übernehmen Stereo MCs die Bühne, sprengen mit ihren bewährten Live-Qualitäten klassische Rap-Grenzen und es endlich voll vor der Mainstage.

“Elevate My Mind” – Rob Birch von Stereo MCs

Dank der eingegroovten Masse ist es für Samy Deluxe im Anschluss leicht zu übernehmen. Wider Erwarten überzeugt der Rapper samt Tsunami-Band. Sogar die pathetischen Texte seines jüngsten Albums “Dis Wo Ich herkomm” treten bei der sehr musikalischen Performance zwischen Reggae und Hip Hop in den Hintergrund. Das Hin und Her wird daraufhin von US-Rapper La Coka Nostra weiter voran getrieben, der im Gegensatz zu Samy mit düsterem Image und deftigen Beats im Rücken über die Bretter walzt.

Selbst im Dunkeln reimt Samy “Bis die Sonne rauskommt”

Damit zuletzt aber nicht nur die (Möchtegern-)Gangster auf ihre Kosten kommen, stellt Songwriter Clueso den letzten Headliner dar. Seine gewohnt reichlich instrumentierte und musikalisch anspruchsvolle Show bildet den gelungen Abschluss für die meisten Besucher. Wer jetzt immer noch Party wütig ist, schafft es gerade noch Kid Cudis elektro-lastigen Auftritt mitzunehmen, bevor sein britischer Kollege DJ Vadim übernimmt und durch die musikalischen Genres springt. Gleichzeitig steht auch der großartige Roots Manuva im Grenada Tent auf dem Line Up und macht es so Manchem noch einmal schwer, sich für eine Location zu entscheiden.

Clueso & Band schließen die Stage einfach mit guter Musik

Gegen sechs Uhr verstummen dann die Lautsprecher, treten die letzten Gäste den Weg zum Zelt an, während zahlreiche Ordnungskräfte und Stage-Hands fleißig ihren Montag Morgen beginnen. Spätestens bis zum Donnerstag muss zumindest das Gröbste beseitigt werden, wenn sich die Besucher des Melt Festivals nach Ferropolis aufmachen.

Das Fazit:

Mit dem Location-Wechsel haben die Splash-Organisatoren ein sehr großzügiges Areal bereitgestellt. Vermutlich dem spontanen Umzug geschuldet, wäre dabei seitens der Deko noch einiges mehr möglich gewesen. Andererseits ist man diesbezüglich vom eingespielten Team des Melts sehr verwöhnt. Was die Entscheidung angeht, musikalisch nun auch verstärkt auf Freunde elektronischer Klänge einzugehen, so scheint die Rechnung halbwegs aufgegangen zu sein. Zumindest die entsprechenden Acts haben nicht in leeren Zelten, etc. gespielt. Ob dadurch jedoch auch mehr Karten verkauft wurden, ist fraglich.

Seitens des Publikums stand leider allzu oft Gepose, Crewzugehörigkeit und zweifelhaftes modisches Trendbewusstsein im Mittelpunkt, während ein Gemeinschaftsgedanke à la Fusion Festival auf der Strecke blieb. Die Anregungen für das nächste Jahr sind somit, neben der obligatorischen Hoffnung auf regenfreie Tage, noch etwas mehr Liebe zum Detail und solidarischere Besucher.

Kai-Uwe Weser

Anbei noch ein paar Bilder der motor.de Redaktion vor Ort