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Starksein im Kino

Die deutschen Single-Charts sind bekanntlich selten für Inspirationen bekannt, aber hin und wieder verirrt sich dorthin doch ein Titel, der irgendwie den richtigen Riecher hat. Gerade singen dort Ich+Ich vom Starksein und treffen scheinbar den Nerv der Zeit. Denn nicht nur im Radio, auch im Kino ist Stärke gerade – daran lassen die neuen Filme dieser Woche keinen Zweifel – ein großes Thema. Sowohl auf als auch vor der Leinwand.

In „Cloverfield“, der eine ganze Weile als großer Geheim-Hype durchs Internet geisterte, müssen die jungen New Yorker Protagonisten jedenfalls Nerven wie Drahtseile beweisen, denn Manhattan wird von einem riesigen Monster angegriffen und droht dem Erdboden gleich gemacht zu werden. Ziemlich schamlos spielt der vom „Lost“- und „Alias“-Maestro J.J. Abrams produzierte Reißer mit den kollektiv memorierten Bildern des 11. Septembers 2001, doch der Grund, warum man als Zuschauer einen starken Magen braucht, ist ein anderer. Weil das Ganze im „Blair Witch“-Style als wackeliges Homevideo aufgezogen ist, sorgen die Bilder für mehr Unwohlsein als der Angreifer.

Auch bei „Asterix bei den Olympischen Spielen“ ist das Publikum gefragt in Sachen Stärke, was natürlich ungerecht ist, wenn man bedenkt, dass die wieder von echten Schauspielern verkörperten Comichelden wenigstens Zaubertrank zu sich nehmen dürfen. Könnte man als Zuschauer auch gut gebrauchen. Denn dass Geschehen auf der Leinwand ist derart dämlich, platt und unlustig, dass man kaum durchhalten mag. Dass zwischen allerlei Franzosen, dem Mädel aus der Alice-Werbung und ein paar Sportstars wie Schumacher und Zidane auch Bully Herbig einen (immerhin stummen) Auftritt hat, kann da auch nichts retten – sondern trägt im Gegensatz noch dazu bei.

Echte Kraft ist dagegen in „Into the Wild“ gefragt. Christopher McCandless (ein bis ans Äußerste gehender Emile Hirsch) hat auch genug davon, sonst würde er gar nicht so weit kommen, als er sich zum Ausstieg entschließt und allein und ohne Habe gen Alaska zieht. Am Ende ist die Natur stärker als er, aber wohl auch deswegen ist der Film von Sean Penn derart beeindruckend und bewegend geworden.

Empfehlenswert auch „Mondkalb“, obwohl es nicht immer ganz leicht mit anzusehen ist, dass die Protagonisten von Sylke Enders eben gerade nicht stark, sondern ziemlich schwach sind. Wobei man ihnen da vielleicht auch Unrecht tut: Juliane Köhler und Axel Prahl spielen einfach zwei Menschen, die größte Verletzungen in sich und nach außen emotionale Schutzhüllen tragen. Vermutlich könnten sie sich gegenseitig helfen, doch wenn das so einfach wäre, gäbe das ja keinen Stoff für ein deutsches Provinzdrama her.

Die Kräfte, die man in Brandenburg zum Überleben braucht, sind allerdings andere als jene, die in Rio de Janeiro nötig sind. Ausgerechnet ein deutscher Regisseur legt davon in „Streets of Rio“ Zeugnis ab, in dem es um Bandengewalt und Fußball geht und die Laiendarsteller für ein gutes Maß an Authentizität sorgen. So stark wie damals Fernando Meirelles „City of God“ ist das Drama des Werbespezialisten Alexander Pickl allerdings nicht.

Dafür darf zum Schluss nicht an Lob gespart werden für „Die Band von nebenan“. Die hinreißende Komödie über eine ägyptische Band, die in Israel strandet, sollte eigentlich der israelische Beitrag im Oscar-Rennen um den besten nicht-englischsprachigen Film gehen. Dann kam allerdings die Disqualifikation, weil auf der Leinwand die meiste Zeit Englisch gesprochen wird – was natürlich daran liegt, dass die Ägypter sich anders in ihrem Gastland gar nicht verständigen könnten. Aber wer würde sich beklagen? Dass es beim Oscar längst nicht nur darum geht, welcher Film der stärkste ist, wusste man schließlich auch vorher schon.

Text: Patrick Heidmann

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