Vom Musikschulendrill am Waldhornmundstück an die Posterwände in vielen Indie-Mädchenzimmern. Was für eine Entwicklung. Die fünf Jungs von Sugarplum Fairy haben schon in zartem Alter erkannt, dass der Schritt in die Selbstständigkeit gar nicht früh genug gemacht werden kann und bringen mit einem Bandurchschnittsalter von gerade mal 23 Jahren nun schon ihr mittlerweile drittes Album an den Mann – oder besser das Gitarren-Pop-verliebte Mädchen.


Für wahre Rockerherzen mag es hin und wieder lästig sein, sich für den eklatanten Pop-Akzent ihrer Songkreationen rechtfertigen zu müssen, beziehungsweise sofort in eine Verteidigungshaltung abzudriften, erwähnte man die gefürchteten drei Buchstaben in ihrer Anwesenheit. Nicht so im Hause Sugarplum Fairy. Angesprochen auf den honigsüßen Pop-Zuschlag auf ihrem neuen Album “The Wild One” erscheint nur ein kurzes nervöses Zucken um die Mundwinkel der beiden Frontmänner Victor und Carl Norén, bis sie sich dazu entschließen, den Tatsachen ins Auge zu blicken und das Kind beim Namen zu nennen:

“Wir lieben Popmusik wahrscheinlich sogar mehr als Rock. Es ist allerdings schwer, da die Grenze zu ziehen, deshalb bezeichnen viele unsere Musik ja auch als Pop-Rock, also einen Mix aus beidem. Wir sind wirklich offen für vieles und mögen keine Leute, die einen abwerten – so Indie-Faschisten, die sagen: ‚Hey, deine Musik ist scheiße’ – nur weil sie im Radio läuft oder nicht modern und elektronisch genug ist. Wenn der Titel gut ist, darf man ihn mögen. So einfach ist das.” Songs wie “Never Thought I’d Say That It’s Alright” oder “You Can’t Kill Rock’n’Roll” erinnern in ihrer anschmiegsamen Eingängigkeit nicht nur – wie auch der Rest der Platte – ziemlich deutlich an die beiden Vorgängeralben, sondern schmeicheln sich mit einer leichtfüßigen Melodieverspieltheit sicher auch wieder ohne Umwege in zahllose junge Herzen. Ein Grund für das auf der Platte dargebotene unverkrampfte Schwelgen im locker-leichten Pop-Rock-Sorbet mag die Magie des Ortes gewesen sein, an dem “The Wild One” entstand, wie Sänger Victor in Erinnerungen schwelgend berichtet. “Ich denke, das ganze Album ist eine emotionsgeladenen Sache für uns, weil wir einfach so viel Spaß bei den Aufnahmen hatten. Wir waren dafür zwei Monate in Malaga und durften dort zusammen die beste Zeit unseres Lebens verbringen!”

In Anbetracht der Tatsache, dass die Jungs behaupten, sich sogar zu langweilen, wenn sie die Kollegen mal nicht um sich wissen, war das wahrscheinlich der angenehmste Weg, die Arbeit an der Platte hinter sich zu bringen. Die Wortführer der Fünferbande sind aber, das wird ganz deutlich, die beiden Brüder Carl und Victor. Während sie das Gespräch permanent am Laufen halten und sich dabei gegenseitig gerne auch mal über längere Strecken in die Satzstrukturen hacken, sitzt der ebenfalls anwesende Basser David über die komplette Distanz nur schweigend daneben. Doch das wirkt nicht unsozial bedrohlich. Die Rollen sind einfach klar verteilt, wie Carl kommentiert.

“Die Band als lebendiges Gebilde existiert in den drei bis vier Monaten, in denen wir zusammen von Bühne zu Bühne touren. Da ist jeder gleichberechtigt. Das Schreiben der Songs übernehmen Victor und ich. An den Instrumenten können wir bandintern aber auch mal tauschen, so hat zum Beispiel Victor bei den Aufnahmen zu “The Wild One” den Bass und David, der ja eigentlich live dafür verantwortlich ist, den Keyboard-Kram eingespielt.”

Angefangen hat die musikalische Karriere der jungen Schweden allerdings nicht mit dem freien jugendlichen Geist, den sie heute preisen, als gäbe es kein Morgen mehr, sondern hinter den tristen Mauern einer staatlichen Musikschule. Bewaffnet mit einem Blechblasinstrument namens Waldhorn, machte auch Victor Norén hier seine ersten musikalischen Schritte, bis er merkte, dass er für eine anständige instrumentale Ausbildung gar nicht so weit Wege zurücklegen muss.

“Als Kind bin ich jahrelang zur Musikschule gerannt, aber gelernt habe ich da nichts. Zwei Jahre Musikschulunterricht waren für die Katz, da haben sie zeitgenössische Sachen einfach nicht ernst genommen, sondern mit sowjetischem Drill auf eine klassische Ausbildung gezielt. Nach einer Woche Gitarrenunterricht zu Hause bei meinem Vater habe ich so viel mehr mitgenommen, als ich dort je hätte lernen können.”

Und das Bildungsprogramm ist noch nicht beendet. Das, was die neue Platte an kleinen Veränderungen in sich birgt, sei nicht etwa intendiert gewesen, sondern basiere einfach auf dem steten Training durch ihre ausdauernde Live-Präsenz. Für die Zukunft der Kapelle kann es deshalb auch nur eine Zielsetzung geben. Solange man nicht die größte Band des Planeten sei, hätte man immer eine Motivation, um sich nicht gelangweilt von der Bildfläche zu verabschieden. “Wir sind noch so jung und hungrig nach mehr. Wir wollen jedes Konzert spielen, neue Platten aufnehmen und noch viel mehr Menschen erreichen…” Brave Jungs, immer schön munter bleiben. Alte lahme Füße bekommt man schon noch früh genug.

Christine Stiller