Die Welt dreht sich immer weiter, die einzige Entscheidung, die im Leben zu treffen ist, ist die Beantwortung der Frage: Bleibt man stehen und verweigert sich der Veränderung oder betritt man den nächsten Raum? motor.de stellt diese und andere Super700.


Die Berliner Musiker befinden sich seit ihrem Gründungsjahr 2003 im kontinuierlichen Wandel innerhalb der Bandkonstellation. Die einzigen Konstanten, den kreativen Kern der Band, bilden seit jeher Frontfrau Ibadet Ramadani sowie Bassist Michael Haves. Rund herum gab es stetig Mitgliederzuwachs und -schwund – das einstige Quintett erweiterte sich nach dem seltbetitelten Debüt von 2006, das von Gordon Raphael (The Strokes) produziert wurde, mit Ibadets Schwestern Ilirjana und Albana zu einem Septett. Drei Jahre später erschien ihr zweiter Langspieler “Lovebites”, der mit keinem Geringeren als PJ Harvey-Produzent Rob Kirwan aufgenommen wurde. Im Anschluss daran minimierte sich die Formation mit dem Ausstieg der beiden Schwestern, Gitarrist Johannes Saal als auch Keyboarder Simon Rauterberg. Nach den letzten Studioaufnahmen und etlichen Konzerten auf dem Balkan, in China und den USA fühlten sich Super700 bereit, ihre dritte Platte “Under The No Sky” komplett in Eigenregie aufzunehmen. Anstatt mächtiger Chöre steht Ibadets Stimme nun allein da, breite Synthie-Klänge mussten sanften Streichern weichen – alles klingt klarer, reduzierter. Im motor.de-Interview erklärt Ibadet Ramadani die Auswirkungen auf den eigenen Sound und erzählt, warum Online-Musikportale für Künstler Fluch und Segen zugleich sind.

motor.de: An der Bandkonstellation Super700 wurde in den letzten Jahren kräftig gefeilt – wie hat sich euer Sound dadurch verändert?


Ibadet Ramadani:
Ohne meine Schwestern haben wir diesmal versucht, die Songs gesanglich und musikalisch so zu reduzieren, dass sie trotzdem funktionieren. Das hat ganz gut geklappt und den Liedern keinen Abbruch getan. Sie entstehen im Vorfeld ja ebenfalls ohne Chor, alles Zusätzliche ist quasi Luxus. Zur neuen Platte ist unser Gitarrist Johannes gegangen und Jan Terstegen kam neu hinzu, wodurch sich unser Gitarrensound verändert hat – es klingt jetzt erdiger, rauer, fast schon roher. Es sind beides fantastische Gitarristen, doch jeder hat seine eigene Stimme. Des weiteren sind wir diesmal ohne Keyboarder, was ganz gut ins Konzept passt, da wir ohnehin schon vorhatten das Ganze ein wenig luftiger zu gestalten, damit der Sound für die Zuhörer durchlässiger wird. Von daher entspricht die momentane Viererkonstellation genau dem, was wir eigentlich auch haben wollten.

motor.de: Also würdest du sagen, dass die Veränderung auf jeden Fall Vorteile für euch hat?

Ibadet:
Es hat uns vor die Entscheidung gestellt: Wollen wir weiterhin so pompös verfahren oder wollen wir was anderes machen? Unser Wunsch war, die Band so klein wie möglich zu halten, weil das Arbeiten so wesentlich mehr Spaß macht. Was natürlich auch eine größere Herausforderung für jeden Einzelnen von uns ist, aber das haben wir uns ja bewusst so ausgesucht.



motor.de: Ihr habt mal gesagt, dass ihr versucht Musik zu machen, die euch selbst und andere Leute nicht langweilt. Das ist ein guter Ansatz, aber wie lässt sich das schaffen?


Ibadet:
Bei uns darf jeder Einzelne entscheiden. Wenn jemand sich durch etwas gelangweilt oder gestört fühlt, dann arbeiten wir daran, dass das nicht mehr so ist. Trotzdem muss man gewisse Dinge oft erst mal zulassen, um herauszufinden, ob es eine Art Verweigerungshaltung ist, die einen davon abhält das gut zu finden, obwohl es gut ist und einen berührt. Dieses Problem hatten wir vorher oft, weil uns bestimmte Sounds an etwas erinnert haben. Dieses Mal waren wir einfach gelassener mit dem was passiert, und nicht so voreingenommen. Über diese Entwicklung bin ich sehr glücklich.

motor.de: Für eine Band ist es wichtig, ihre individuelle Musikrichtung zu finden. Welche Irrwege lagen auf eurem Pfad dorthin?


Ibadet:
Ehrlich gesagt bin ich ziemlich glücklich mit dem Weg, den wir gegangen sind. Es gibt keine Stelle, wo ich denke, dass wir da jetzt irgendwas falsch gemacht hätten. Wir hatten immer freie Wahl. Das war alles immer unser Wille. Selbst, wenn es etwas gäbe, das ich nicht mehr so machen würde, war es trotzdem wichtig für unsere Entwicklung als Band. Der Sound hat sich in den Jahren sozusagen Hand in Hand mit uns weiterentwickelt.

motor.de: Hat sich der Entstehungsprozess eurer Musik bis hin zum aktuellen Album “Under The No Sky” verändert? Seid ihr nun schneller, weil professioneller oder doch länger, weil perfektionistischer?


Ibadet:
Weder noch, es ist einfach nur anders. Während die erste Platte sehr lange dauerte und über ein halbes Jahr verteilt entstand, wurde die zweite Platte hingegen sehr kompakt gemacht. Wir haben vor der Platte viel geprobt, die Sachen geschliffen und sind dann zur Aufnahme für einen Monat mit unserem Produzenten Rob Kirwan ins Studio gegangen. So hatten wir das bis dato noch nicht gemacht. Die Songs sind überall entstanden – in der Küche, im Wohnzimmer, im Studio. So haben wir auch aufgenommen, d.h. wir nahmen sowohl im Studio als auch in der Wohnung auf. Alles war professionell in der Hinsicht, dass man ein Ziel hat und das dann auch so umsetzt. Aber es war trotzdem wesentlich improvisierter. Wir haben unsere Möglichkeiten genutzt, Freunde gefragt für den Chor, uns wurden Streicher-Samples zugemailt einen Tag nachdem wir uns diese gewünscht hatten.

motor.de: Dieser Aufnahmeprozess unterstreicht ja auch die von dir beschriebene Luftigkeit der aktuellen Platte.


Ibadet:
Ja, das stimmt. Wir haben einfach alles zugelassen und mit dem gearbeitet, was da war, was kam und um das wir uns bemüht haben.

motor.de: Ist die dritte Platte, diejenige die Super700 am meisten verkörpert?


Ibadet:
Nein, das würde ich gar nicht sagen. Auch in der Zusammenarbeit mit den anderen beiden Produzenten waren das am Ende immer wir. Sie haben im Einvernehmen mit uns gearbeitet.

motor.de: Bodi Bill haben Anfang des Jahres in einem Interview dargelegt, wie schwer es heutzutage ist, von der eigenen Musik zu leben. Man verkauft in Zeiten des Internets und Streamings kaum noch Platten, die Leute kommen immer an die Musik, die sie haben wollen, ohne dafür zu bezahlen. Der Streaming-Dienst Spotify steht jetzt auch in Deutschland zur Verfügung, d.h. eure Musik kann man mehr oder weniger kostenlos hören. Macht sich das bei euch bemerkbar?


Ibadet:
Das macht sich insofern bei uns bemerkbar, dass wir alle von etwas anderem leben als von der Band. Anders ist es tatsächlich nicht möglich, in dem Sinne geben wir den Kollegen von Bodi Bill auf jeden Fall recht. Man kann die Realität auch nicht verteufeln oder dagegen ankämpfen. Es ist ein Phänomen mit dem wir zu tun haben. Wir machen Musik nicht, um damit reich zu werden, jedoch in der Hoffnung, davon eines Tages leben zu können. In erster Linie treibt uns der Glaube an die Musik und der Spaß am Performen an. Das ist einfach ein großartiger Luxus und eine Chance eine Platte zu machen, sie veröffentlichen und spielen zu können. Davon zu leben wäre unglaublich. Es wäre auch blöd jetzt gegen diese Entwicklung zu wettern. In jedem Zeitpunkt der Geschichte passieren Dinge, die irgendwas zerschlagen und dann etwas neues entstehen lassen.

motor.de: Und wie hältst du es privat, nutzt du solche Portale?


Ibadet:
Ich hab noch so viele CDs, die ich mal gekauft hab und wenn mir heute etwas sehr gut gefällt, dann kauf ich mir das auch. Aber ich bin auch jemand, der öfters verschiedene Sachen hört und um schnell dranzukommen, hört man sich das dann eben auf YouTube an. Also man nutzt schon alle Medien, die da sind, um schnell und einfach an Musik zu kommen.

motor.de: Was ist das Schönste am Musikerdasein?

Ibadet:
Ich finde es am schönsten Songs zu schreiben, dieser Moment, wenn ein Song entsteht: man singt eine Melodie, wiederholt diese immer wieder, weil man selbst so gefesselt ist davon und übt das dann im Proberaum. Und dann ist es natürlich auch großartig, wenn man das fertige Produkt auf der Bühne präsentieren kann.

motor.de: Wenn du zu “Under The No Sky” ein Bild malen würdest, um es zu beschreiben, wie sähe das aus?


Ibadet:
Die Umgebung wäre wie in einem alten Western. Der Himmel ist staubig und grau. Es ist unglaublich heiß und man hat ein großes Verlangen nach Wasser. Außerdem ist da dieser Wunsch vorwärts zu kommen, man sucht nach Heimat und will endlich ankommen.  

Sophie Lagies