Seit fast fünfzehn Jahren existieren Superpunk nun. Von Müdigkeit keine Spur: Carsten Friedrichs über das Älterwerden, Künstler in Talkshows und die richtige Frisur.

Superpunk (v.l.: Tim Jürgens, Carsten Friedrichs, Thies Mynther, Thorsten Wegner, Lars Bulnheim)

Mit einer Mischung aus Soul und Garagenrock mit deutschen Texten bewegen sich Superpunk stets in der Schwebe zwischen Ironie und Lächerlichkeit. Vom Dilettantismus getrieben, sind Superpunk längst kein Geheimtipp unter alten Herren mehr. Kurz vor dem mitreißenden Montags-Konzert im Leipziger Indie-Club Ilses Erika nahm sich Carsten Friedrichs Zeit, um motor.de über Coolness, das Scheitern und „die einfachen Leute“ zu belehren.

motor.de: Carsten, Euer aktuelles Album nennt sich „Die Seele des Menschen unter Superpunk“. Was bedeutet dieser Titel?

Carsten: Das ist einem Essay von Oscar Wilde entlehnt, der „Soul Of Men Under Socialism“ heißt. Ich dachte, die Platte „Soul Of Men Under Superpunk“ zu nennen, wäre sehr gut, aber Tim, unser Bassist meinte dann, wir sollten sie doch einfach „Die Seele Des Menschen Unter Superpunk“ nennen.

motor.de: Wäre die Welt unter Superpunk eine bessere?

Carsten: Selbstverständlich.

motor.de: Eure Texte sind ja teilweise sehr ironisch. „Die Dancer, die Lover, die Surfer am Meer, ich beneide sie schon, aber doch nicht so sehr, denn ich hab die Bibliothek“: Lebt Ihr frei nach dem Motto „Uncool ist Cool“?

Carsten: Wenn du jahrzehntelang versucht hast, cool zu sein und damit immer auf die Schnauze geflogen bist, dann lässt du das halt irgendwann sein. Dann machst du nur noch das, wovon du denkst, dass es die Leute unterhält, witzig ist und dass es vielleicht nicht jeder macht.

motor.de: Was hat es mit diesem Bibliothekssong auf sich?

Carsten: Ich gehe sehr gerne in die Hamburger Leihbücherei. Da bin ich schon Mitglied seit ich ein Kind bin und jetzt wurde es einfach mal Zeit für einen Song.

Motor.de: Und was ist am „Ford Escort“ so besonders, dass er ein eigenes Lied verdient?

Carsten: Gar nichts. Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wie so ein Ding aussieht, aber es gibt da einen Song von Serge Gainsbourg namens „Ford Mustang“. Der Text gefiel mir ganz gut und da dachte ich mir „Machste mal was auf Deutsch“. Ford Mustang war allerdings schon vergeben und dann haben wir gegooglet, was es da noch so gibt: Ford Escort. Jetzt heißt das Ding halt so.

motor.de: Ihr bewegt euch immer auf der Schwelle zur Lächerlichkeit, seid dabei aber unheimlich authentisch und ziemlich witzig, ohne dabei nervig zu werden. Wie macht Ihr das?

Carsten: Ich weiß gar nicht, was „authentisch“ bedeuten soll und ob das unbedingt etwas positives ist. Bei uns ist das aber wohl der Einfluss von viel englischer Musik, die wir als Band gehört haben: Madness, die Smiths oder auch die Beatles. Das hat ja immer sehr viel mit Humor zu tun gehabt. Auch Smiths-Texte waren auf einer Ebene ja immer sehr lustig. Die haben sich auch nicht sonderlich ernst genommen. Ich glaube einfach, wir haben uns da viel von den Engländern abgeguckt und wir nehmen uns einfach nicht so ernst. Macht ja auch irgendwie mehr Spaß. In Deutschland müssen Bands immer sehr tiefgründig sein und wirken oft belehrend. Leichtigkeit und Selbstironie kennen viele gar nicht. Als Künstler gilt man hierzulande ja als Fachmann für alles. Künstler werden in Talkshows zu allen möglichen Themen befragt und nehmen sich daher auch sehr wichtig. Dabei sind das einfach nur Alkoholiker, die Unterhaltungsmusik machen. Was qualifiziert die denn, über große Themen wie Politik zu reden?

motor.de: Habt Ihr den ultimativen Tipp, um niveauvoll zu scheitern?

Carsten: Da zitiere ich immer ganz gerne die erste Szene aus dem Film „Lawrence von Arabien“. Da zündet Lawrence von Arabien ein Streichholz an und macht die Flamme ganz langsam zwischen Daumen und Zeigefinger aus. Dann fragt sein Vorgesetzter ihn, ob das nicht unglaublich weh tut. Lawrence antwortet darauf nur: „Doch, aber der Trick ist, sich nichts anmerken zu lassen.“ So sollte man vielleicht das würdevolle Scheitern angehen. Aber wie kommst du überhaupt darauf, dass wir gescheitert sind?

motor.de: Einen ehrlichen Mann kann man scheinbar immer noch nicht in die Knie zwingen. Woher nehmt Ihr all den Optimismus?

Carsten: Da sprichst du einen heiklen Punkt an. Inzwischen hat uns das Leben gelehrt, dass man auch ehrliche Männer auf die Knie zwingen kann. Der Optimismus ist einem sportlichen Realismus gewichen.

Superpunk – Das Feuerwerk ist vorbei

motor.de: Ihr wirkt ziemlich arbeitermäßig, scheint aber alles mit Stil zu meistern. Faszinieren Mods euch wirklich?

Carsten: Ja, auf jeden Fall. Die Mods waren für mich immer eine unglaublich beeindruckende Subkultur. Gerade wenn man so in den Achtzigern zur Schule gegangen ist, als in Deutschland noch dieses Öko- und Hippiemäßige sehr verbreitet war. Die Mods waren einfach cooler. Die waren so anders. Ich hab das zwar immer nicht so ganz verstanden, aber immer bewundert, weil das halt so ein schöner Kontrast war zu diesem Hippiemäßigen, Kreatürlichen und Natürlichen. Das war für mich irgendwie ein toller Gegenentwurf. Die Mods haben die bessere Musik gehört und hatten einfach die besseren Frisuren.

motor.de: Hättet Ihr denn Lust, euch mal wieder so richtig zu prügeln?

Carsten: Mann, das versaut doch die Klamotten!

Motor.de: Und welche Parole ist Dir die Liebste?

Carsten: Ehrgeiz ist die Wurzel aller Hässlichkeit.

motor.de: Früher wart Ihr noch auf der Suche nach Geld für neue Zähne. Heute hängt Ihr in der Bibliothek herum und rettet euch vor den einfachen Leuten. Gleicht Superpunk den Reichen heute ein bisschen mehr?

Carsten: Das ist ja eigentlich auch nur Literatur, man kann das nicht eins zu eins übersetzen, aber wir wissen heute, dass das einfache Volk nicht immer nur gut ist. Das ist mir bei einer Simpsons-Folge eingefallen, als ein Mob aus Springfield wieder einen Typen verfolgt hat und dann dachte ich mir: „Da kann man doch mal einen Song drüber machen“.

motor.de: Nach der ersten hat Bernd Begemann nun auch diese Platte produziert. Warum gerade diese beiden? Hat das irgendeinen Sinn?

Carsten: Nein, das hat überhaupt keinen Sinn. Wir haben uns einfach gefragt, wer diese Platte für sehr wenig Geld sehr gut produzieren kann. Da fiel uns nur Bernd ein und er hatte Lust und Zeit und hat das für ein paar Euro gemacht. Wir sind auch sehr zufrieden damit. Bernd ist ein guter Freund von uns, wir schätzen ihn sehr. Der hat einen guten Haarschnitt, einen eigenen Gitarrensound und ist auch international gesehen einer der besten Texter, die es gibt. Außerdem hat er eine gute Soulstimme, also der müsste echt in ausverkauften Arenen spielen. Da dachten wir uns, dass er uns jetzt auch mal einen guten Sound verpassen kann.

motor.de: Ihr macht nun schon ziemlich lange gemeinsam Musik, scheint davon aber nicht leben zu können. Wie fühlt es sich an, nach 15 Jahren montags in einem kleinen Wohnzimmerclub wie Ilses Erika zu sitzen?

Carsten: Es fühlt sich wunderbar an. Ich kann mir wirklich nichts besseres vorstellen. Ist doch besser als ehrliche Arbeit, oder?

Interview: Lydia Meyer