Tarja Turunen = Nightwish? Für einige Jahre existierte dieses Bild in den Köpfen vieler Menschen und Musikfans auf der ganzen Welt. Dann im Oktober 2005 der große Knall: Tarja wird vor die Tür gesetzt. Ein kleiner, von der Presse aufgebauschter, Rosenkrieg wird in den folgenden Wochen vollzogen. Nun ist sie allein, allein mit ihrer großen Stimme und ihrer unbändigen Liebe zur Musik…doch wie kam es eigentlich dazu?
Tarja Turunen wird im August 1977 in Kitee, Finnland geboren. Bereits im jungen Alter erkennen ihre Eltern ihr Talent und sie beginnt im Alter von sechs Jahren eine Gesangsausbildung. Nachdem sie ihren Schulabschluss in der Tasche hat, zieht sie nach Kuopio um klassischen Gesang zu studieren– die Sibelius-Akademie wartet. Eine offenkundige Talentschmiede, denn auch Apocalyptica haben dort studiert. Während des Studiums lernt sie Tuomas Holopainen kennen, mit dem sie 1996 das Projekt Nightwish gründet.
Doch ihre Stimme erweißt sich als viel zu wandlungsfähig und kraftvoll, um es bei dem ursprünglich geplanten Akustikprojekt zu belassen. Die elektronischen Gitarren kommen ins Spiel und führen zu der musikalischen Ausrichtung, mit der Tarja und die Band in die erste Riege der Rock-Landschaft vorrücken können. Genug von Nightwish – zunächst.
Just im Jahr 1996 tritt Tarja, deren Stimmvolumen einen Unfang von drei Oktaven haben soll, mit dem Opera Festival-Chor bei den Savonlinna-Opernfestspielen auf. Für die ausgebildete Sopransängerin beginnen in der Folgezeit parallel zwei Karieren. Eine mit der international erfolgreichen Metal-Formation Nightwish und eine separate Soloaktivität. Diese führt dazu, dass sie Ende 1999 die Rolle als Solistin in einer Ballett-Produktion der finnischen Nationaloper übernimmt. Das aus der Feder des berühmten finnischen Choreografen Jorma Uotinen stammende Stück „Das Evangelikum“ wird zum großen Erfolg. Alle Aufführungen gehen als ausverkauft in die Analen ein.
Während sie mit Nightwish von Erfolg zu Erfolg tingelt, schreibt sie sich an der Staatlichen Hochschule für Musik in Karlsruhe ein. Bereits zu dieser Zeit (wir schreiben die Jahre 2000/2001) kommen erste Gerüchte in die Welt, Tarja wolle Nightwish verlassen und sich primär auf ihr Studium konzentrieren. Alles Quatsch denkt sich Tarja und findet neben den Aufnahmen zu „Century Child“ sogar noch die Zeit, an einem Projekt namens Infinity des Argentiniers Beto Vazquez teilzunehmen. Tarjas Beitrag wird als Grund für den weltweiten Erfolg des Projektes gesehen.
Auch die Klassik hat sie nicht vergessen und so spielt sie zusammen mit Marjut Paavilainen, Ingvild Storhaug und Izumi Kawakatzu einige Konzerte in Südamerika. Unter anderem werden Lieder von Mendelssohn, Strauss und Brahms aufgeführt. Die von den finnischen, deutschen, japanschen und norwegischen Botschaften präsentierten Konzerte werden Straßenfeger und bescheren der Sängerin eine ungeahnte Popularität in Chile und Argentinien.
Nachdem sie mit Nightwish nach der Veröffentlichung von Century Child weltweit unterwegs war, nimmt sich die Band erstmals eine längere Auszeit. Tarja nutzt diese, um ihr Studium in Karlsruhe fortzusetzen und ihren langjährigen Freund, den Argentinischen Geschäftsmann Marcelo Cabuli, im Frühjahr 2003 zu heiraten. Die Welt liegt ihr zu Füssen. Sogar die finnische Staatspräsidentin outet sich als großer Fan und lädt Tarja sowie ihren Mann zur Feier des nationalen Unabhängigkeitstags in den Präsidentenpalast ein. Im Dezember 2003 gibt Tarja nach drei Jahren wieder ein Weihnachtskonzert in der Valkeala-Kirche. Neben traditionellen finnischen Weihnachtsliedern intoniert sie Arien von Bach und Mozart.
Im Frühjahr 2004 erscheint das bis dato erfolgreichste Werk von Nightwish. Weltweite Chartplatzierungen können erreicht werden. Während die anschließende Tour quer um die Welt geht, findet sie aber noch die Zeit, sich für ihre Soloaktivitäten Zeit zu nehmen. So veröffentlichst sie Weihnachten 2004 die Single „Yhden Enkelin Unelma“, die in Finnland Goldstatus erreicht. Mit ungewöhnlichen Kooperationen überrascht sie Fans auf der ganzen Welt, indem sie im Frühjahr 2005 mit dem Deutschen Star Search Gewinner Martin Kesici das Duett „Leaving You For Me“ einspielt, sowie mit dem Deutschen Ambient-Projekt Schiller für dessen Veröffentlichung „Tag und Nacht“ zusammenarbeitet.
21. Oktober 2005: Nachdem Nightwish in Helsinki das letzte Konzert der Tour absolviert hatten und sich von über 10.000 heimischen Fans feiern ließen, passiert das offenbar unvermeidliche. Tuomas übergibt Tarja einen Brief, unterschrieben von allen Nightwish-Mitgliedern. In diesem sehr offenen und drastischen Brief erklärt Tuomas, warum es für eine Zusammenarbeit keine Zukunft mehr geben kann. Die Musikpresse ist geschockt und die Fans sehen das Ende der Band gekommen. Tarja ist enttäuscht und schildert ihrerseits die Sicht der Dinge. Beide Briefe sind damals auf den jeweiligen Webseiten zu besichtigen und führen zu heftigen Diskussionen unter den Fans und in den Medien. Die Presse forciert eine Schlammschlacht, zu der es aber glücklicherweise nicht kommen sollte.
Doch Tarja schaut nach vorne. Jammern hilft niemanden, also sammelt sie all ihre Energie und veröffentlicht im Dezember 2006 ihr lang angekündigtes Weihnachtsalbum „Henkäys Ikuisuudesta“. Universal nehmen Tarja schließlich unter Vertrag, scheuen weder Kosten noch Mühen und verpflichten für die Produktion ihrer nächsten Scheibe u.a. Hans Zimmer (verantwortlich für die Musik von „Gladiator“ und „Fluch der Karibik“). Etliche Songschreiber beteiligen sich an der Mammutproduktion, welche unter dem Namen „My WinterStorm“ Mitte November 2007 in den Läden auftaucht. Trotz teils durchschnittlicher Kritiken, die sich vor allem auf die zu vielen Songschreiber beziehen, katapultiert sich die Scheibe auf Anhieb auf Platz 1 der Finnischen und auf Platz 3 der Deutschen Charts. Für Aufsehen in den Deutschen Medien sorgt ihr Song „I Walk Alone“, den sie am 30. November vor dem finalen Kampf der Deutschen Profiboxerin Regina Halmich vorträgt und so ein Millionenpublikum erreicht.
Im Jahr 2008 stehen europaweite Konzerte auf dem Programm. Dabei tritt sie an Pfingsten auch beim größten Gotik-Festival auf, dem Wave-Gotik-Treffen in Leipzig.
Enrico Ahlig
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