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Hin und wieder rückt ein neues kreatives Gesicht allein durch die Rückendeckung der Fans ins Zentrum des musikalischen Interesses. Dabei ist es eher selten, dass diese Künstler noch keinen Plattenvertrag in der Tasche haben. Terra Naomi jedoch ist die Ausnahme zu dieser Regel: Die US-amerikanische Indie-Chanteuse hat es vorgelebt, wie man von einem x-beliebigen Job als Kellnerin in New York City zu fünf Millionen (und täglich mehr) YouTube-Klicks kommt. Mund-zu-Mund-Propaganda, heutzutage auch mit digitalen Mündern betrieben, nennt sich diejenige Antriebskraft, die sie mit fast schon darwinistischer Treffsicherheit ausgewählt und ins Rampenlicht (an)geschoben hat. Kein Marketing, kein Trick steckt dahinter – einzig ein Triumph der Musik, und zwar auf ganzer Linie.
Terra Naomi ist vor allem eines: eine unverfälschte und naturgemäß-mitreißende Singer/Songwriterin, die jegliche Stimmungen der heutigen Zeit wie den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf trifft. Bereits ihr erster Track „Say It’s Possible“ – ein akustisches Schmuckstück, das von Al Gores Film „An Inconvenient Truth“ (Deutsch: „Eine unbequeme Wahrheit“) inspiriert wurde – sorgte für eine regelrechte Explosion, als er erstmalig vor einem Jahr bei YouTube auftauchte. Auf der Hauptseite vertreten, verbreitete sich der Song hinterrücks durch Online-Foren, bis schon nach wenigen Tagen die 1-Millionen-Klickgrenze gesprengt war. Dazu löste der Song eine Welle von über 200 Nachahmungen aus und bescherte der aufstrebenden Singer/Songwriterin ihren ersten Deal mit Universal.
Geboren als Tochter eines Schönheitschirurgen und einer Sozialarbeiterin, wuchs Terra im nördlichen Teil des Staates New York auf und konzentrierte sich zunächst auf klassische Musik. Schon im zarten Alter von 15 Jahren war sie eine ausgezeichnete Pianistin und Sängerin, woraufhin sie einen Universitätsabschluss in Operngesang machte, nach dem sie jedoch ihre rebellische Phase antrat, die u.a. eine Entziehungskur und einen Standortwechsel nach Manhattan beinhaltete.
Im Zentrum von New York City war es schließlich, dass sie sich ihre erste Gitarre zulegte und eine Serie von Live-Auftritten in der gesamten Stadt antrat, nur um zwischen 2003 und 2005 drei selbstfinanzierte Tourneen durch die Staaten zu absolvieren. Klingt teuer? War es auch, aber zugleich eine unbezahlbare Erfahrung. Denn schon bei der ersten Tour wurde ihr heutiger Produzent und Manager Paul Fox auf Terra aufmerksam, der sie schon kurze Zeit später dazu animierte, von New York nach Los Angeles zu kommen, um dort weiter an ihrer Musik zu feilen.
An der Westküste begann Terra schließlich ihre erste „virtuelle Tour“, wenn auch ursprünglich nur als Notlösung: „Ich bewarb mich wiederum bei Restaurants, füllte einen Bewerbungsbogen nach dem anderen aus“, berichtet sie über ihre ersten Monate. „Ich war monatelang deprimiert, und ich hatte weder das Geld noch die Energie, um eine weitere Tour in Eigenregie zu machen, daher schlug Paul eines Tages vor, dass ich Live-Auftritte in meiner Wohnung aufnehme. Wir hätten nie gedacht, dass sich irgendwer das anschaut – maximal tausend Leute vielleicht –, aber dann, ganz plötzlich, veränderte sich alles.“ Und heute, mit knapp fünf Millionen Klicks auf ihrem Konto, hat die Öffentlichkeit schon längst ein deutliches Zeichen gesetzt bzw. ein klares Urteil über ihre Musik gefällt.
Ihr erstes Studioalbum für Island Records, ein dem Zeitgeist entsprechendes, von ihrer Gitarre dominiertes Debüt, wird diesen Sommer erscheinen. Von Terra im Alleingang geschrieben und von Paul Vox (10,000 Maniacs, XTC) produziert, ist es die Summe ihrer persönlichen Erfahrungen, stets durchzogen von ihrem gefühlvollen Ansatz, wobei jedoch zugleich kein Blatt vor den Mund genommen wird: Terra sagt geradewegs, wie es ist – oder wie es sein sollte.
Mit Streicher-Arrangements vom legendären Van Dyke Parks (u.a. Beach Boys, Joanna Newsome) und von David Campbell, Becks Vater, ist ihr Album insgesamt ein unglaublich beherztes Werk eines aufstrebenden Talents – eines Talents wohlgemerkt, das Aufmerksamkeit wie ein Magnet anzieht. Ob es sich nun um den politischen Rundumschlag „Something Good To Show You“ handelt – ein Stück, das laut eigener Aussage aus ihrem Beitrag zu Neil Youngs „Living With War“-LP hervorgegangen ist und das, wie sie zugibt, „wahrscheinlich viele Leute wütend machen und viele Leute begeistern wird.“ –, oder aber um ihren „Say It’s Possible“-Meilenstein – ihr Album weiß in jedem Moment zu beeindrucken.
Gleichermaßen bemerkenswert sind die Stücke „Flesh For Bones“, einer der ältesten Songs ihrer Debüt-LP, und „Close To Your Head“, die Terra beide zu ihren persönlichen Lieblingsliedern zählt.
Im Jahr 2006 veröffentlichte Terra die CD-Version ihrer „virtuellen Sommertour“ unter dem Namen „Virtually“, nachdem sie schon zuvor drei EPs in Eigenregie hatte pressen lassen. Schon im November des vergangenen Jahres waren sämtliche Tonträger wieder vergriffen.
„Alles dauert ein wenig länger, und ich habe den Eindruck, dass mein Weg eher ein Zick-Zack-Kurs ist, der mich an den bizarrsten Orten entlang führt“, lächelt sie abschließend. „Wenn es aber schließlich auch in meinem Leben passiert, dann geht’s richtig ab.“
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