Jimmy LaValle über Rundmails an seine Band, Spanische Gottesdienste und Schreibblockaden – ein Interview mit The Album Leaf.

Seit zehn Jahren ist das Einmannprojekt um Jimmy LaValle nun schon am Start. Im motor.de – Interview erzählt er, warum das sechste Album “A Chorus Of Storytellers” ein etwas anderes und doch typisches Albumblatt in der Bandhistory aufschlägt.

motor.de: Wie fühlst du dich mit dem neuen Album?

Jimmy LaValle: Ich bin sehr zufrieden damit. Ich habe es seit seiner Fertigstellung schon ein paar Monate nicht mehr gehört, aber jetzt, wo es daran geht, es live aufzuführen, muss ich wieder sehr viel damit beschäftigen und es fühlt sich gut an.

motor.de: Es war zu lesen, dass dies das erste Album ist, das zusammen mit deiner Begleitband entstanden ist, wohingegen du die anderen Alben größtenteils alleine im Studio eingespielt hast. Wie kam es zu diesem Gesinnungswandel?

Jimmy LaValle: Der Hauptgrund ist, dass ich lange an einer ernsthaften Schreibblockade zu knabbern hatte. Ich hatte zwar einen Stapel an Ideen, aber ich habe ums Verrecken keinen Song fertig stellen können. Erst als ich die Band die Stücke spielen hören habe, bekam ich eine Ahnung, welche Richtung das nehmen könnte. Meine Jungs haben nichts direkt geschrieben, aber immer wieder Arrangement-Vorschläge gemacht.

motor.de: Wie kann man sich das überhaupt vorstellen, wenn du Songs schreibst? Wartest du auf eine Eingebung oder setzt du dich täglich ins Studio, weil das nun mal dein Job ist?

Jimmy LaValle: Natürlich brauche ich zuerst einen Funken Inspiration. Ich nehme aber ständig Ideen auf und versuche, was daraus zu machen. Jeder Song auf dem Album hat als so eine Skizze angefangen, die ich zuerst scheiße fand. Meist spiele ich dann noch ein bisschen rum damit, bis ich etwas finde. Es dauert recht lange, bis ich mal mit einer Idee zufrieden bin, meistens denke ich ‚Vergiss es, das taugt nichts!’

motor.de: Klingt also eher nach einem Selbstvertrauens-Problem als einer Schreibblockade….

Jimmy LaValle: Definitiv. Aber daraus ist dann die Schreibblockade erwachsen, weil ich mir zu viele Gedanken gemacht habe. Ich wollte immer etwas noch besseres erreichen.

motor.de: Bei The Album Leaf bist du der alleinige Kopf, aber bei anderen Gelegenheiten auch Teamplayer, wie etwa Magnetic Morning, mit denen du letztes Jahr getourt bist. Was magst du lieber?

Jimmy LaValle: Magnetic Morning hat viel Spaß gemacht. Das ist aber in erster Linie das Projekt von Sam (Fogarino, Interpol, Anm. d. Red.) und Adam (Franklin, Swervedriver, Anm. d. Red.). Die haben die Songs geschrieben, und da war ich nur derjenige, der das beigetragen hat, was sie von mir wollten. Für mich war das einfach eine erfrischende Erfahrung, mal nicht so viel Verantwortung zu haben und auf der Bühne am hinteren Rand zu stehen.

motor.de: Wie kommt deine Island-Connection zustande? Auch das neue Album wurde in Island gemixt, was für einen Amerikaner ja nicht die naheliegendste Wahl ist.

Jimmy LaValle: Stimmt. Das Bindeglied ist Sigur Rós, mit denen ich lange getourt bin. Mein Album “In A Safe Place” habe ich 2003 auf ihre Einladung hin dort aufgenommen und ich habe mich gleich in dieses Land verliebt. Außerdem klappt die Zusammenarbeit mit Biggi Birgisson wirklich gut. Sein Studio ist vom allerfeinsten, da stehen wunderbare alte Geräte drin.

motor.de: Was hast du bei deinem Aufenthalt von der Rezession auf Island gemerkt?

Jimmy LaValle: Nicht viel. Außer dass alles irgendwie noch teurer geworden ist, weil die Krone aufgewertet ist. Aber die Leute gehen noch genau so viel in Bars und betrinken sich.

motor.de: Zum Albumtitel: Was hat es mit dem Chor der Geschichtenerzähler auf sich?

Jimmy LaValle: Geschichten zu erzählen ist etwas sehr Essenzielles. Jeder hat seine Geschichte, jeder erzählt täglich etwas. Und wenn ich Musik mache, erzähle ich irgendwie auch etwas – jeder Song hat eine Bedeutung für mich, jeder Text hat Hintergedanken. Auch wenn das ganz bestimmt kein Konzeptalbum ist. Und weil beim Entstehen des Album so viele Leute beteiligt waren und jeder ein wenig seine Geschichte mit eingebracht hat, ist hier nicht nur meine Geschichte, sondern ein ganzer Chor davon vertreten.

motor.de: Du hast letztes Jahr geheiratet. Ist “Tied Knots” entsprechend dein Hochzeits-Song?

Jimmy LaValle: Natürlich spielt der Titel darauf an. Aber den Vorschlag hat unsere Geigerin gemacht. Vor der Fertigstellung eines Albums schicke ich immer eine Rundmail an meine Band und frage sie nach Ideen für Songtitel. Gerade bei den Instrumentals ist da ja jede Möglichkeit offen.

motor.de: Welche Stimmen laufen da im Hintergrund bei “Perro” mit?

Jimmy LaValle: Das ist eine Unterhaltung zwischen meiner Frau und ihrer Nichte. Sie waren zusammen bei ihren Eltern in Mexico. Unsere Nichte fragt hier, wie bestimmte Sachen wie “Hund” auf Spanisch heißen. Das war ein sehr süßer Moment und ich fand, dass es zu dem Song passt. Auf einem anderen Song hört man einen siebenjährigen Jungen aus unserer Nachbarschaft eine Geschichte erzählen, und das sehr lebhaft und bildlich. Auch da taucht wieder dieses Motiv des Geschichtenerzählens auf.

motor.de: Du nimmst also oft Geräusche aus deiner Umgebung auf?

Jimmy LaValle: Ständig. Wann immer ich den Klang von etwas interessant finde, zücke ich mein Mobiltelefon und drücke auf “Record”. Wie zum Beispiel auch unsere Nachbarn. Ich bin erst neulich umgezogen. Unsere neuen Nachbarn feiern jeden Freitag in ihrem Garten einen Gottesdienst, wo sie auf Spanisch Lieder singen und Gitarre spielen – furchtbar laut und furchtbar falsch, aber irgendwie auch großartig. Also hänge ich jeden Freitag am Gartenzaun und schneide das mit. Vielleicht taucht das ja auf der nächsten Platte auf …

Interview: Robert Goldbach

The Album Leaf sind im März auch live in Deutschland und Österreich zu erleben. »Hier gibt es Tickets!