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Categories: Konzertbericht

Ein Schweißbad der Ekstase


Ich kam zu spät. The Audience standen schon seit zwei Songs auf der Bühne, sahen aber aus als stünden sie schon zwei Stunden da. Das Konzert schien seinen Höhepunkt erreicht zu haben. Schweißflecken auf den Hemden der Musiker, die erste Reihe in tanzender Hochstimmung. Es wurde schnell klar, warum. Denn was sich da auf der Bühne bot, war eine ganz schöne Wucht. Der Sänger bewegte sein beachtliches Körpergewicht als wäre es das einer Fliege. Oder auch einer rockenden Rampensau. Die Ekstase schien ihn gepackt zu haben. Die Ekstase seiner eigenen Musik, seiner eigenen Band. Kein Wunder, handelte es sich dabei um einen mitreißenden Indierocktanz.
Dann die nächste Ansage. Der Arme war total außer Puste. Das Sprechen fiel ihm schwer. Aber schon haute der Schlagzeuger wieder drauf und es ging weiter. Oberkörper vor, zurück, nach oben, nach unten und zwischendurch auch gerne mal ein Sprung. Die Stimme, die eben noch ein einziges Nachluftschnappen war, brüllte nun melodiöse Klänge in das Mikrofon.
Es wurde von Songpause zu Songpause schlimmer. Der Mann war ein einziges Hin- und Herwanken. Von Schweißflecken keine Spur mehr, das Hemd klebte gänzlich nass am Körper. Ich wusste, er überlebt das nicht. Hört auf, Jungs. Das kann nicht gut gehen. Aber von wegen gut. Immer besser wurde das Konzert. Mittanzen, mitrocken, mitmachen war angesagt.
Und dann auch noch eine Zugabe. Auf Grund des nicht existenten Backstageraums kauerte sich Bernd Pflaum neben mir hin, nur um wieder aufzustehen und zurück. Back to stage. Immer weiter, immer weiter.
„Ich will ein Kind von dir“, schrie ein Junge aus dem Publikum. „Den kann man nicht mehr bringen“, ein anderer. Mister Ichwerdnieuntergehn auf der Bühne schnaufte nur ein „den kann man wirklich nicht mehr bringen“ und brachte stattdessen den nächsten Mitsingkracher.
Ging wieder runter, klappte kurz zusammen und kam wieder rauf. Nächste Zugabe. Nun tanzten auch alle. Und dann war Schluß. Aber wenn er nicht gestorben ist, dann wird er weitermachen. Jedes Mal auf jeder Bühne. Konzerte, bei denen man nicht zu spät kommen sollte.

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