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Fünfzig Jahre Beatles – irgendwie jedenfalls. Von Hamburger Kiezbeat zum Pop-Rolemodel für die Ewigkeit

Hamburg in den frühen Sechzigern: Eine unterbezahte britische Partyband verdienen sich ihre Sporen

Es gibt eine ganze Menge kulturell umwälzender Erfindungen, die man in Deutschland gern für sich in Anspruch nimmt, auch wenn man hierzulande nicht unbedingt clever genug war, ihr Potenzial schnell genug zu erkennen. Fernsehen und MP3 sind gern genommene Beispiele und diese Woche wird man allerorten daran erinnert, dass eigentlich auch die Beatles dazu gehören. Vor genau fünfzig Jahren begannen sie ihr erstes Engagement in Hamburg, im Indra, einem – wie man jetzt immer gern kolportiert – ziemlich üblen Rotlichtetablissement mitten in St. Pauli, das damals weniger Touristenattraktion als verrufener Sünden- und Schlägerpfuhl war. Hier seien die damals fünf jungen Burschen (drei davon wurden immerhin die „richtigen“ Beatles) zu Männern und Popstars gleichermaßen gereift. Ob diese vier Monate wirklich so ausschlaggebend waren, wird man in Liverpool sicher anders bewerten. Immerhin: Mindestens ein wichtiges Accessoire wäre dem späteren Gesamtkunstwerk sicher anderswo nicht verpasst worden: die Pilzkopffrisur. Mit der waren sie nicht mehr einfach nur eine von all den anderen Beatbands, die man gerade in Hamburg ganz gern importierte, um den Laden zum Laufen zu bringen, sondern ein Pop-Ereignis.

Es ist erstaunlicher denn je, wie sehr die Beatles immer noch als Rolemodel für das System Popmusik und die zugehörige Popstar-Karriere taugen. Und trotzdem die Zyklen enorm rasanter sind, die musikalischen Freiheiten ebenso potenziert wie die technischen Möglichkeiten, hat sich offensichtlich im Wesentlichen wenig geändert – außer, dass man gegenwärtig wohl kaum noch eine Chance hat, für die Ewigkeit wahrgenommen zu werden. Dass überdies keine Band in der Lage sein dürfte, mit praktisch jedem Album neue musikalische Horizonte zu erschließen, ist auch dem Umstand geschuldet, dass bei aller existierenden Vielfalt die allermeisten Terrains schon ausgiebig beackert worden sind – vor allem in den Bereichen, die man als mehrheitstauglich ansehen kann, was wiederum zwingende Voraussetzung für echten Stardom ist.

Gerade mal zehn Jahre haben die Beatles gebraucht, um praktisch alles zuerst und auch noch richtig zu machen, sogar ihre eigene Auflösung zum wohl denkbar besten Zeitpunkt. Zehn Jahre hat es von Hamburg bis dahin gerade mal gedauert, selbst nach heutigen Maßstäben keine so lange Zeitspanne. Andere vergleichsweise akzeptable Bands schaffen da gerade mal zwei oder drei Alben, die man in Erinnerung behält und verpassen dann gern den Punkt, hinter dem es nur noch abwärts geht. Ein Gutteil der gegenwärtigen Reputation der Beatles beruht darauf, dass es kein Relativierung der Hochphase durch zunehmend mittelmäßige oder bemühte Spätwerke gibt. (Es wäre sicher zu böswillig, würde man die in ungefährer Richtung des derzeitigen Paul McCartney vermuten.) Jeder für sich hatte obendrein auch danach Bemerkenswertes zu bieten, nicht immer gleich tauglich für die ganz große Musikhistorie – aber erstaunlich oft halt doch.

Bis heute dienen die Beatles als Schablone dafür, wie eine Popband auf dem Weg zu Superstars funktionieren soll. Vier Freunde erwachsen aus einer harten Schule (die Verklärung angesichts der realen Personalwechsel und späteren Unstimmigkeiten ist sozusagen systemimmanent gleich mit inbegriffen), treffen einen genialen Produzenten und vor allem den richtigen Manager, der überdies nicht nur harter Business-Hund und Beziehungswunder ist, sondern auch noch Ahnung von dem hat, was er da betreut. (Allein das macht’s heutzutage schon schwierig genug für Newcomer.) Der Rest dient dem Mythos: eine Publikums-„Mania“, die irgendwann nur noch offensichtlichen Überdruss der Band auslöst und auch gleich zum einzigartig konsequenten Verzicht auf Konzerte und Tourstress führt. Die Affinität zum Massenmedium TV, gar zum noch nicht als erfunden geltenden Musikvideo. Kapriolen mit Drogen und Gurus. Später Klassenkampf und Niedergeschossenwerden, die Erfindung des Benefiz-Konzerts im großen Stil, sogar noch das gelegentliche stoisch-fröhliche Gastmusizieren eines Ringo Starr, fast aufreizend unprätentiös, weil praktisch unsichtbar hinterm Schlagzeug sitzend. Und natürlich streitbare, verhaltensauffällige Frauen mit viel Sinn für Erbe oder Unterhalt.

Es gibt unzählige Wege, sich den Beatles zu nähern. Überflüssig dazu sind Museen (außer vielleicht das eine in Liverpool), Ausstellungen, Museen, Chartshows und vor allem Coverbands (auch oder gerade, wenn sie Paul McCartney heißen). Denn all diesem geht ab, was den Beatles bisher niemand auch nur annähernd nachmachen konnte: Ihre Musik klingt immer noch so frisch wie eh und je. Wenn man einen Abend vor fünfzig Jahren in Hamburg braucht, um daran zu erinnern: Sei’s drum.

Augsburg

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