Der Tod des Vaters und die Weiterentwicklung als Band gehen auf dem neuen The Besnard Lakes-Album „Until In Excess, Imperceptible UFO“ Hand in Hand und wir trafen das Ehepaar Jace Lasek und Olga Goreas zum motor.de-Interview. Über ihre Ansprüche als Songwriter, die kanadische Musikszene und Außerirdische direkt vor der eigenen Haustür.
Manchmal sorgt der Zufall für den ersten Gesprächsstoff eines Interviews. Während man selbst das Diktiergerät sauber aufbaut und die Fragen herausholt, schaut die Stammbesetzung von The Besnard Lakes zum Nachbarraum rüber und wundert sich über redliche Betriebsamkeit: „Scheint als wären da heute auch Journalisten zugegen und sprechen mit jemanden“, bemerkt Sänger Jace Lasek und bekommt von seiner Frau Olga Goreas sogleich die Antwort zurück, „Darling, da sitzt ein Typ namens James Blake, wie ich mir hab sagen lassen“. Während in Deutschland eher Blake das kommerziell wirksamere Highlight ist, sind die Kräfteverhältnisse in Kanada ganz anders verteilt: Dort sind The Besnard Lakes weit bekannter und haben von Blake noch nichts gehört. Was nicht schlimm ist, denn heute soll es um „Until In Excess, Imperceptible UFO“ gehen – dem neuen, vierten Album von The Besnard Lakes. Ein Werk, so erfährt man, dass unter ganz besonderen und zugleich traurigen Umständen zustande kam.
Während der Arbeiten verstarb überraschend Goreas‘ Vater und bestimmte damit den Aufnahmeprozess der aktuellen Tracks wohl mehr als ihm zu Lebzeiten lieb gewesen wäre. Dies beginnt schon beim düsteren Cover, dass noch ein Stück dunkler als seine Vorgänger ist und den Inhalt wunderbar einleitet. Gesamtkunstwerke im Kosmos von The Besnard Lakes sind indes alle Alben, denn stets verstand das Duo Gefühle und Emotionen so zu verpacken, dass diese nie arg persönlich wurden, aber es sich auch nicht nur um fiktive Stories handelte. Dem psychedelisch verspielten, oft am Folk angelehnten Rock tat dies gut und wenn man so will ist „Until In Excess, Imperceptible UFO“ das vorläufige Meisterwerk der Band: Verbindet die Platte sowohl die Ungeschliffenheit des selbstverlegten Debüts „Volume 1“ als auch die zuletzt immer feiner werdende Produktion vorangegangener Platten wie „The Besnard Lakes Are The Roaring Night“.
Wie die beiden sich indes selbst fühlen, ob „Until In Excess, Imperceptible UFO“ ein traurig vertontes Tagebuch geworden ist und wie es mit der Rockszene aktuell in Kanada nach dem Erfolg von Arcade Fire aussieht, erklären The Besnard Lakes im motor.de-Interview.
motor.de: Als erstes fällt einem der Titel des neuen Albums auf – zuletzt war stets euer Bandname integriert und ist nun verschwunden. Sagt das etwas über den Inhalt aus oder interpretiert man da zu viel rein?
Jace Lasek: Sowohl als auch. Natürlich wählten wir die Namen der letzten beiden Alben „The Besnard Lakes Are The Dark Horse“ und „The Besnard Lakes Are The Roaring Night“ nicht ohne Grund – uns gefiel der Gedanke sich damit doppelt ins Gedächtnis des Hörer zu verankern. Allerdings hat jeder Scherz ein Haltbarkeitsdatum und das Ganze drei Mal hintereinander, wirkt schon ziemlich gewollt.
Olga Goreas: Die Songs entstanden dieses Mal unter anderen Voraussetzungen und deswegen kam für uns nur ein neuer Titelansatz in Frage.
motor.de: Damit sprichst du das Thema direkt an. Dein Vater verstarb während der Aufnahmen und hat damit sicherlich auch eine große Lücke hinterlassen. Versucht „Until In Excess, Imperceptible UFO“ diese zu schließen?
Olga Goreas: Es ist kein Dokument des Abschieds, das hätte er nicht gewollt. Vielmehr sah ich mit den Songs eine Möglichkeit, meine Konzentration auf eine Sache zu verlagern, die mir nach all dem Verlust Hoffnung gibt. Musik ist seit Teenager-Zeiten meine Leidenschaft und hilft mir in schwachen Momenten Halt zu finden. Insofern ist das neue Album eines, das nach vorne schaut und den Ballast der Vergangenheit nicht vergisst.
motor.de: Jace, du bist Besitzer eines eigenen Tonstudios und giltst als ambitionierter Produzent. War es angesichts der Umstände dieses Mal besonders schwierig, die Lieder so zu produzieren, dass sie ihren Charakter behalten?
Jace Lasek: Die Herausforderung ist immer da, denn Technik darf niemals deine Arbeitsweise dominieren – eher andersrum. Ich meine, jeder Track braucht etwas anderes und gerade wenn man sonst mit anderen Künstlern zusammenarbeitet, sollte das eigene Ergebnis den Ansprüchen genügen.
Olga Goreas: Ich bemerkte auch wie Jace mit sich haderte. Manchmal kam er nach drei Stunden aus dem Studio und meinte, wir könnten das neue Album nicht veröffentlichen, er schaffe es einfach nicht zu produzieren.
motor.de: Obwohl mit Arcade Fire 2011 ein kanadischer Act weltweit für Furore sorgte, bleibt ihr euren Wurzeln treu und versucht jetzt nicht auf den Zug aufzuspringen. Hat der Erfolg aber trotzdem Einfluss auf Kanadas Musikkultur?
Jace Lasek: (lacht) Was soll ich sagen? Für die Presse ist es gerade so, als wären gefühlt zehn Klone auf den Markt gekommen. Als wir letzte Woche von Kanada nach Paris flogen, hatte ich mein Buch vergessen und obwohl ich selten Musikmagazine lese, habe ich mir eines gekauft. Da stand ungelogen bei jedem zweiten Newcomer, dass es sich hier um die Nachfolger von Arcade Fire handelt – die es zum einen ja noch gibt und anderseits kann ich mir nicht vorstellen, dass jetzt alle so klingen. Zumindest schaut bei mir im Studio kein Klon vorbei.
motor.de: Auffallend ist, dass ihr auf den aktuellen Pressefotos zwar immer noch sehr unscharf zu erkennen seid, aber deutlich klarer als zu Beginn in Erscheinung tretet.
Jace Lasek: Was interpretierst du da hinein?
motor.de: Es wirkt, als würdet ihr bewusst einen Schritt in die Öffentlichkeit wagen und das Mysteriöse, was The Besnard Lakes ausmachte, ablegen.
Jace Lasek: Das mochte ich damals. Dass Leute auf unsere Konzerte kamen und sagten: Ach, so sehen die aus. Manchmal passierte es sogar, dass sie bei der Vorband tuschelten und dachten, es handelte sich bereits um uns.
Olga Goreas: Früher war alles einfacher.
motor.de: Einigen Künstlern gefällt die mediale Berichterstattung durch Twitter & Co aber. So ein Mittagessen posten kann doch interessant für die Fans sein, oder?
Olga Goreas: Was bringt es allen Beteiligten? Ich meine, wen interessiert es wirklich, was Lady Gaga mittags macht und will Lady Gaga wirklich, dass das alle wissen? Ich glaube nicht und fand es früher als Fan vieler Bands super, wenn ich für zwei, drei Jahre nichts von denen gehört habe.
Jace Lasek: Stimmt, da stand als erstes immer die Frage in den Interviews, was sie in letzter Zeit so getrieben haben. Inzwischen fragt das keiner mehr.
motor.de: Wenn dem so ist: Was habt ihr denn in der letzten Zeit so getrieben?
Jace Lasek: Es gibt da ein neues Album namens „Until In Excess, Imperceptible UFO“. Das haben wir aufgenommen und jede Menge Arbeit reingesteckt. Halt, halt, halt, das führt zu Bullshit. Ich fange jetzt nicht von vorne an! (lacht)
Marcus Willfroth
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