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Irgendwo zwischen Eno und den frühen Verve: The Black Ships

Eine Supergroup die keiner kennt, das hat Charme. The Black Ships kreieren eine experimentelle und doch eingängige Mixtur aus psychedelischer Rockmusik und Noise-Elektronika.
Es gibt Bands, die sich mit nur einem Titel ein derart monumentales Denkmal schaffen, dass jedwede künstlerische Intention daran gemessen wird und eigentlich pro forma in deren Schatten verblasst. Für The Verve war das seinerzeit der Instant-Evergreen “Bitter Sweet Symphony”. Damit war das nicht eben tiefgestapelte Ziel, die größte Band aller Zeiten zu gründen, mehr oder weniger erreicht. Die persönlichen Spannungen innerhalb der Band, insbesondere zwischen deren exzentrisch-größenwahnsinnigen Frontmann Richard Ashcroft und Gitarrist Nick McCabe hatten ihren Klimax bereits einmal überschritten und der ewige Kampf mit einem Image, was die Summe seiner Einzelteile bereits weit überragt hatte, schien Maxime geworden zu sein. Der bittere Nebeneffekt: Der Backkatalog einer der Pioniere des 90er Jahre Dream-Rock-Revivals geriet beinahe gänzlich in Vergessenheit. Begraben sind Zeiten, zu denen das Quartett noch ohne Präposition schlicht als Verve unterwegs war und mit “A Storm In Heaven” einen Meilenstein des Genres schuf, der jedweder Pop-Klassifizierung entbehrte.

Einen essenziellen Bestandteil ihres Klanggewands bildeten damals die sphärisch dicht gewobenen Gitarrenteppiche McCabes. Der ist nun mit einem neuem Projekt namens The Black Ships zurück. Im Gepäck hat er den Violinisten von Goldfrapp und mit Simon Jones einen weiteren Ex-Verve. Die Idee zur Kollaboration der Vier manifestierte sich bereits während der Aufnahmesessions zum letztem Verve-Langspieler “Forth”. Goldfrapp’s Davide Rossi zeigte sich für die String-Arrangements verantwortlich und unterstützte die Mannen um Ashcroft auch live. Musikalisch bewegen sich The Black Ships in Psychedelic-Rock-Gefilden: Verhallte Räume, kraftvolle Rhytmussektion und McCabes charakteristisches Gitarrenspiel bilden ein mitunter esoterisch-experimentell anmutendes Potpourri aus Klängen, was zu fesseln vermag.

The Black Ships – “Kurofune”

Vor kurzem veröffentlichte die Band in Eigenregie mit “Kurofune” eine erste EP als kostenlosen Download. Bestehend aus lediglich einem 25-minütigen Titel, gibt sie einen ersten Einblick in die musikalische Ausrichtung, die das in Kürze folgende Album haben könnte. Im The Quietus-Interview beschrieb McCabe das Konzept hinter der EP wie folgt: “Die Idee hinter Kurofune war, sie offen zu lassen. Zu sagen, ‘hier ist ein kleiner Vorgeschmack, wohin es sich zukünftig entwickeln könnte’, anstatt bereits eine klare Linie vorzugeben.” Dieser ersten Veröffentlichung fehlt zwar noch ein durchgängiger roter Faden, bemüht sie sich doch, die merkbar vielfältigen Einflüsse der Mitglieder unter einen Hut zu bringen. Allerdings macht die interessante Kombination aus psychedelischem Gitarrenrock und gleichzeitig instrumental-elektronischen Noise-Nuancen – die mitunter klangliche Parallelen zu Brian Eno aufweisen – neugierig auf das Langspieldebüt, welches McCabe zu Folge “eine reine Pop-Platte” werden soll. Bei dieser klanglichen Konstellation macht es auch nichts, dass die Band keinen festen Sänger hat, sondern sich ganz im Baukastenprinzip hier und da gelegentlich eine Stimme leiht.

Der Charme dieses ersten Outputs ist gleichzeitig sein einziges Manko: man merkt den in der Produktion steckenden Enthusiasmus. Dabei wurde allerdings zu viel verschieden gelagerter, kreativer Input versucht zusammenzuführen, was den Hörer mitunter etwas überfordert. Als erste Gedankenskizze zeigt er allerdings gehöriges Potenzial. Bleibt zu hoffen, dass The Black Ships organisch wachsen, ein eigenes Sound-Fundament finden und nicht lediglich auf ihre Bestandteile reduziert werden.

Robert Henschel

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