Einen Musiker wie The Dillinger Escape Plan-Frontmann Greg Puciato inmitten von tonnenweise Ramones-Sammlerstücken zu interviewen, wirkt zunächst eher befremdlich. Doch im Gespräch verrät uns der Sänger, dass die New Yorker Punk-Heroen und seine eigene Band weit mehr gemeinsam haben, als es zunächst den Anschein hat.

Berlin, Mitte: Nur ein Katzensprung vom ehrwürdigen Tacheless-Gelände entfernt befinden sich die Räumlichkeiten des Ramones-Museums. Die Wände tapeziert mit Fotos, Tourplakaten und dutzenden Promi-Adelungen, versetzt einen die Location in eine Zeit zurück, in der man mit fünf Akkorden und simplen Harmonie-Strukturen noch Musikgeschichte schreiben konnte. In einer kleinen gemütlichen Sitzecke des Museums nippt The Dillinger Escape Plan-Sänger Greg Puciato tiefenentspannt an einer Tasse Kaffee. Der gewählte Interviewort wirft einige Fragen auf, denn mit eingängigen Zweieinhalbminütern haben die Songs von TDEP in etwa so viel gemeinsam wie Ricardo Bielecki mit dem Wacken-Festival. Greg sieht das ganz anders: „Wir lieben die Ramones. Die haben einfach ihr Ding durchgezogen und sich nie darum gekümmert, was Andere gemacht oder gesagt haben. Wir arbeiten mit einer ähnlichen Einstellung. Wir klingen vielleicht wie das komplette Gegenteil der Ramones, aber die Herangehensweise ans Gesamtpaket ist bei uns dieselbe.“

Die Frage, was denn seiner Meinung nach schwieriger sei – sich permanent auf höchstem Niveau zu wiederholen, ohne dabei Langeweile aufkommen zu lassen, oder jeden einzelnen neuen Song zu einer künstlerischen Basis-Challenge zu erklären – lässt den muskelbepackten Frontmann kurz aufseufzen: „Das ist wirklich schwierig. Wahrscheinlich ist beides gleichermaßen schwer. Ich denke, dass es sicherlich viele Bands gibt, die mal eben einen Song wie „Blitzkrieg Bop“ schreiben könnten. Aber über 100 „Blitzkrieg Bops“? Sehr unwahrscheinlich. Ebenso dürften sich viele damit schwer tun, einen Song wie „Farewell Mona Lisa“ einzuspielen, ohne danach erst einmal ein Jahr Abstand vom Beruf als Musiker nehmen zu wollen.“ Gregs herzliches Lachen zieht die Blicke einiger Touristen auf sich, die sich am Nebentisch Facebook-Geheimnisse zuflüstern: „Oh, sorry. Bin ich zu laut?“ Das Quartett nebenan verneint im Kollektiv und wendet die Blicke wieder von uns ab.

Das offene Wesen und die gute Laune des Sängers sind ansteckend. Das sah vor einigen Jahren aber noch ganz anders aus, wie mir Greg verrät: „Die Jahre vor dem letzten Album („Option Paralysis“) waren nicht einfach. Eigentlich waren wir zehn Jahre lang keine Einheit. Wir produzierten zwar Alben, aber im Grunde waren wir mehr damit beschäftigt, ein vernünftiges Line-up auf die Beine zu stellen. Ständig wechselte das Personal an den Drums und an der Gitarre. Das war ziemlich zermürbend“, berichtet Greg.
Erschwerend kam hinzu, dass sich innerhalb des losen Gebildes nie wirkliche Freundschaften untereinander entwickelten: „Wenn wir miteinander gesprochen haben, ging es immer nur um Band-Sachen. Keiner hat sich so richtig für den Menschen hinter dem Musiker interessiert. Niemand fragte nach, wie es denn der Freundin geht, was man am Wochenende gemacht hat, oder was man sonst so treibt, wenn man nicht gerade im Proberaum abhängt.“

Erst vor vier Jahren entstand ein Band-Gebilde aus fünf Verantwortlichen, die seitdem versuchen, alte Narben heilen zu lassen: „Unser neues Album („One Of Us Is The Killer“) ist das erste, das wir im selben Line-up eingespielt haben, wie das davor. Das ist wirklich ein tolles Gefühl. Mittlerweile sind wir eine richtige Band. Das war früher nicht so. Zwar hat sich Jeff (Jeff Tuttle, Gitarre) im letzten Jahr verabschiedet, aber mit James Love konnten wir jemanden finden, der uns schon zuvor oftmals auf Tour unterstützt hat“, sagt der Sänger. Und weiter: „Auch das Miteinander hat sich total verändert. Wir hängen jetzt auch mal in der Freizeit zusammen rum und reden über Dinge, die nichts mit der Band zu tun haben. Das hat jetzt schon was Familiäres. Ich denke, das hört man auch dem neuen Album an. Alles klingt irgendwie intensiver und mit mehr Seele behaftet“, erzählt Greg.

All die Wohlfühlmomente der jüngeren Vergangenheit setzten beim DTEP-Frontmann zusätzliche Kräfte frei, und so fand der Amerikaner sogar Zeit, um ein neues Projekt ins Leben zu rufen: „Yeah, das wird spannend. Ich werde im September zusammen mit Max Cavalera und Troy Sanders ins Studio gehen und zwölf Songs für ein gemeinsames Album einspielen. Das wird ein ziemlich doomiges Thrash-Punk-Paket werden. Wir wollten schon immer mal zusammen arbeiten. Aber das ist natürlich nicht ganz so einfach, denn Max und Troy haben beide Frau und Kinder und eine Homeband, mit der sie die meiste Zeit des Jahres beschäftigt sind. Daher hat das Ganze einen ziemlich langen Anlauf gebraucht. Jetzt sind wir aber happy, dass es im September nun endlich soweit ist. Drei markante Stimmen auf einem Album: Das klingt doch aufregend, oder?“ Absolut. Wir sind gespannt.

Kai Butterweck