Es ist wieder einer dieser Fälle, bei dem sich das wunderschöne Wort “Selbstbeweihräucherung” praktisch aufdrängt. “Wooooow, look at this! Look at this energy”, sagt Alicia Keys bei der Pressekonferenz anlässlich des Launches des neuen Streaming Dienstes TIDAL gestern in Los Angeles. Dabei deutet sie auf die Menschen, die da neben ihr auf der Bühne stehen: Usher, Deadmau5, Rihanna, Daft Punk, Calvin Harris, Kanye West, Madonna, Nicki Minaj, Beyonce und natürlich Jay Z – derjenige der das Ganze ins Leben gerufen hat. TIDAL soll der erste Streaming Dienst sein, bei dem Künstler als Eigentümer an dem Unternehmen beteiligt sind und der Streaming in höchster Qualität möglich machen soll. Nun erwartet man bei soviel geballter Star Power eine Explosion von Kreativität und Charisma, so intensiv, dass sie alle Anwesenden ansteckt und spontan eine Megaparty losbricht und ein Hit nach dem anderen zum Besten gegeben wird. Stattdessen stehen sie da, peinlich berührt und deplatziert, wie Grundschüler beim Gedicht vorsagen. Und genauso uninspiriert und hölzern wird eine Phrase nach der anderen gedroschen. “Ein Vorhaben, das weit über Profit und Technologie hinausgeht! Den wahren Geist von Musik bewahren!” Um die Inhaltsleere der Statements zu untermauern, werden sie per Beamer zum Mitlesen an die Wand geworfen. Ihr wisst schon, falls das Ganze zum monotonen Hintergrundrauschen verschwimmt und man beim besten Willen nicht mehr zuhören kann.

Denn was hier passiert, ist nicht etwa ein nobler Schritt um Musik für mehr Menschen zugänglich zu machen, sondern viel mehr der verzweifelte Versuch sich vor dem endgültigen Sinken des Schiffes die letzten paar Goldmünzen in die eigene Tasche zu stecken. Die stolze Nutzungsgebühr von 19 Dollar pro Monat wird mit der herausragenden Qualität der Musikdateien begründet – als ob irgendjemand den Unterschied merkt, wenn er die Songs auf seinem Computer oder Smartphone abspielt. Ich wage zu behaupten, dass diejenigen, die eine Anlage besitzen, auf der man den Unterschied tatsächlich hören würde, Musik nicht über Streams, sonder über Vinyl oder CDs konsumieren.

All diese Koryphäen der Popmusik wissen eines genau: Mit dem Verkauf von Musik macht man heute kein Geld mehr. Werbeverträge allerdings lassen die Kasse klingen, deshalb hält man sein Gesicht für alles hin, was gerade eine Identifikationsfigur benötigt. Denn genau das ist es, was TIDAL braucht: ein paar schillernde Persönlichkeiten, die von der absoluten Sinnlosigkeit des Dienstes ablenken. Als Eigentümer unterschreiben hier Künstler und Künstlerinnen, die eh schon zu den reichsten im Geschäft gehören. Statt zu überlegen, wie man kleinere Musikschaffende unterstützt, gründet man einen neuen Verein der Exklusivität. Bei Spotify erhalten die KünstlerInnen 0,7 Cent pro abgespieltem Song. Es ist fraglich, ob TIDAL in der Lage ist, mehr zu zahlen oder ob es ihm überhaupt gelingt sich als echte Alternative zu etablieren. Ansonsten war es auf jeden Fall eine wirksame Marketingaction, die Jay Z mit fast 50 Millionen Euro Übernahmekosten für den Streaming Dienst allerdings teuer bezahlt hat.

Am Ende dackeln dann all die kreativen Geister brav nach vorne, um den Untergang von echter Originalität im Mainstream Musikbiz noch ein bisschen voran zu treiben und den TIDAL Vertrag zu unterschreiben. Was für eine traurige Veranstaltung.