Echoes Of Jericho


Mit “Echoes Of Jericho” legen The Happy End ein abwechslungsreiches Debüt zwischen Ambient-, Psychedlic- und Noise-Rock vor, dass durchaus zu überzeugen weiß.

Sie nennen sich The Happy End, stammen allesamt aus der bayrischen Provinz und noch dazu aus gutem Hause, wie sie selbst betonen. Bei solchen Vorzeichen erwartet man vielleicht gefälligen Indie-Pop von braven, gut gescheitelten Jungs oder allenfalls noch wütenden Punkrock, der gegen die scheinbare Idylle rebellieren will, kaum aber ein Werk wie „Echoes Of Jericho“, das Debüt von The Happy End. Denn um diesem gerecht zu werden, muss man schon ein wenig weiter ausholen. Das Werk ist düster und komplex, sphärisch und psychedelisch und bewegt sich zwischen den Extremen. Ambient-Momente steigern sich in wilde Noise-Eskapaden, elektronische Spielereien werden abgelöst von monströsen Soundwänden und eingängige Melodien werden von Feedback-Orgien verschluckt. Am Ende des Albums fühlt man sich fast wie nach einem Drogenrausch und ist sich trotzdem sicher, dass man sich immer wieder auf diesen Trip begeben will.

The Happy End scheinen unnahbar zu sein. So gibt es keine offiziellen Fotos der Band und auch in ihren Videos geben die Protagonisten ihre Identität nicht preis. Dies gilt im übrigen auch für Interviews mit The Happy End, wie ihr weiter unten fest stellen werdet. Die Antworten stammen entweder von „dem einen“ oder „dem anderen“. Und um das Mysterium perfekt zu machen, verwirren sie auch noch mit Slogans wie „Destroy Your Brilliant Career“ oder “The Happy End Is Near“. Ersterer war ein Aufdruck auf T-Shirts der Band, die man ursprünglich erwerben musste, um über einen beigelegten Download-Code überhaupt an ihr Album zu kommen, während man unter thehappyendisnear.com das Sextett im Internet findet. Und auch „Echoes Of Jericho“ macht es dem Hörer anfangs nicht unbedingt einfach, die Band zu verstehen. Muss man aber vielleicht auch gar nicht, denn gerade ihr verstörender Sound ist es, der einen nicht mehr los lässt.

Das Ganze beginnt mit dem Opener „Polar Bear“, dessen breite Akkorde zunächst deutliche Tendenzen in Richtung Britpop aufweisen, der dann aber zu einem schleppenden Progressive-Rocker ausufert. Und gleich vorweg sei gesagt: Radiokompatibel ist „Echoes Of Jericho“ nun wirklich nicht, die Songs haben allesamt entweder eine Länge von über fünf oder unter zwei Minuten. Grandios weiter geht es mit „Black Cancer“. Unweigerlich fühlt man sich an den Black Rebel Motorcycle Club erinnert und spätesten mit diesem Track machen The Happy End klar, wo es lang geht. Die Gitarren klingen dreckig und intensiv und man steigert sich so langsam in einen fiebrigen Wahn hinein. „Good Times“ hört man dann an, dass die Bandmitglieder auch zu einem nicht unwesentlichen Teil durch Grunge musikalisch sozialisiert wurden, dennoch fällt das Stück keineswegs aus dem musikalischen Rahmen, so sich denn auf „Echoes Of Jericho“ überhaupt einer ausmachen lässt. Als einzige Konstanten des Albums sind der markant-melancholische Gesang und die übersteuerten Gitarren zu nennen.

„Destroy Your Brilliant Career“ ist dann ein völlig verdrogter Jam, der am ehesten an die Doors erinnert, während das Intro von „Endscapes“ Parallelen zum Sound der Ambient-/Postrocker von Ostinato aufweist. Der Song wäre auch ein geeigneter Soundtrack für trashige Midnight-Movies. Und schließlich bringt das fast zehn-minütige Final „Turn The Sun Down“ noch einmal alle Facetten des Albums zusammen, an dessen Ende man sich tatsächlich ähnlich mitgenommen fühlt, wie nach einer drogenreichen Nacht. Freunde von ausuferndem, psychedelischem Noise-Rock wissen aber – genau so muss das.

Erfahrt im motor.de-Interview, welche Vertriebswege The Happy End in Zukunft für ihre Musik planen, wer sie zu ihrem vielschichtigen Sound inspiriert hat und welche die perfekte Droge zu “Echoes Of Jericho” ist.

motor.de: Ihr habt euer Debütalbum „Echoes Of Jericho“ zunächst als T- Shirt mit beigelegtem Download-Code vertrieben. Wie haben die Leute darauf reagiert?

Der Eine: Die Idee fanden alle gut. Nur waren die Shirts nicht ganz billig. Wer es sich leisten konnte, hat sich eins geholt, auch wegen dem Schriftzug “destroy your brilliant carreer” – etwas Paradox ist das schon. Aber man weiss ja, wie schnell der Markt auf Subversives reagiert.

motor.de: Werdet ihr auch in Zukunft auf unkonventionelle Vertriebswege setzen?

Der Eine: Ja, immer wo das möglich ist und uns dazu was in den Sinn kommt. Vielleicht gehen wir ja demnächst zusammen mit der Bundeswehr in die Schulen und Unis oder programmieren einen Virus, der Alles außer “Echoes of Jericho” von euren Festplatten löscht.

motor.de: “Echoes Of Jericho” ist ein Mix aus verschiedenen Stilen wie Psychedelic, Noise und Grunge. Welche Bands haben euch am stärksten beeinflusst?

Der Eine: Alle sechs Leute in der Band hören ziemlich unterschiedliches Zeug, für mich wären die einflussreichsten Bands Idaho, Jesus and Mary Chain, die Beach Boys und vielleicht noch My Bloody Valentine.

Der Andere: Wir kommen alle aus der bayrischen Provinz, sind mit Sonic Youth, Jesus and Mary Chain, The Cure oder Velvet Underground sozialisiert, später kamen bei mir Techno und John Cage dazu. Gemeinsam mit der üblichen bayrisch-provinziellen Persönlichkeitsstörung ergibt sich die Schnittmenge The Happy End.

The Happy End – Polar Bear


motor.de: „Destroy Your Brilliant Career Plans“ – Gilt das in letzter Konsequenz auch für euch, wenn es mit der Musikkarriere klappen sollte?

Der Eine: Mit der Musikkarriere wird es auf keinen Fall was werden, so schlau sind wir inzwischen nach zusammen hundert Jahren des Musizierens im Bandkontext. Also gilt der Spruch auch für uns, und zwar in voller Konsequenz.

Der Andere: Ich denke, unser musikalischer Ansatz ergibt sich daraus, dass wir in dieser Hinsicht schon ziemlich desillusioniert sind. Das gute daran ist: Weil wir wissen, dass wir niemals im Popkontext funktionieren werden, haben wir die Freiheit kompromisslos zu sein.

motor.de: Ein Song auf „Echoes Of Jericho“ heißt „All Different Drugs“. Ist das Stück autobiographisch?

Der Eine: Ja.

motor.de: Was ist die perfekte Droge, auf der man sein sollte, wenn man The Happy End hört?

Der Eine:
Pilze wären glaube ich recht hilfreich und Lautstärke.

The Happy End – Golden


motor.de: Ihr wollt die Psychedelic-Ära der 70er Jahre wieder aufleben lassen. Habt ihr das Gefühl, im falschen Jahrzehnt geboren zu sein?

Der Eine: Solche Äras in der Musikgeschichte fangen ja nicht irgendwann an und hören dann wieder auf. Dass das vielleicht so empfunden wird, ist ein reines Konstrukt des Musikmarkts. Psychedelic ist als Teil öffentlich zugänglicher Musik irgendwann hörbar geworden und ist seitdem einfach vorhanden, wahrscheinlich ein gutes Stück weit auch in unseren Köpfen. Und so ist es ja immer: Es geht darum, stetig die Grenzen des Hörbaren zu erweitern.

motorr.de: Im Internet findet man euch unter www.thehappyendisnear.com. „The Happy End Is Near“ – Was erwartet uns?

Der Eine: Klingt so, als wärs was ziemlich Finales, dass uns erwartet. Also ganz allgemein gesprochen.

Text und Interview: Thomas Kasperski

VÖ: 30.07.2010

Label: Festplatten/ RDS

Tracklist

01. Polar Bear
02. Black Cancer
03. All Different Drugs
04. Good Times
05. Merry Oger
06. Golden
07. Destroy Your Brilliant Career
08. Endscapes
09. Semen Of The Zen
10. At Least
11. Turn The Sun Down

The Happy End


The Happy End ist ein Bandprojekt der Regensburger Elektroproduzenten und -DJs Gebrüder Teichmann. Ihr Debütalbum veröffentlicht die Band anfangs nur als T-Shirt, mit Trackliste und Downloadcode für die Songs. Im März 2010 erscheint es auch regulär. The Happy End verbinden den psychedelischen Drogenrausch der frühen 70er Jahre mit der Antihaltung der Punkbewegung. Sie kitten ihr irrsinniges Gebräu mit einer Wand aus Feedbackorgien, Experimentalelektronik und einem
agressiv melancholischem Gesang zusammen. Songs und experimentelle Parts fließen ineinander, ersticken im Lärm, und süsse Melodien quälen sich an die Oberfläche.

The Happy End sind:

Forster: Git, Voc
Teichmann: Git, Fx
Pollach: Omnichord, Guit , Fx
Hudl: SH 101, Moogerfooger, Spring SU 10,Walkman
Suttner: Bass, Fx
Wypior: Drums

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