The Heavy über den Schmutz in ihrer Musik, schlechte Fan-Videos und Drummer mit den richtigen Unterhosen.
Das britische Quartett The Heavy nimmt den Hörer auf seinem aktuellen Album “The House That Dirt Built” mit auf eine Nostalgie-Reise in die 60er und 70er Jahre. Geschickt mischt die Band Rock’n’Roll, Motown, Funk und Soul zu ihrer ganz eigenen Mischung. Der Haupteinfluss ihrer Musik liegt jedoch im Rhythm & Blues, wie die Vier im Gespräch anmerken, in dem Sänger Kelvin Swaby, Gitarrist Dan Taylor und Drummer Chris Ellul teilweise munter durcheinander reden. Nur Bassist Spencer Page gibt sich im Gegensatz zu seinen Kollegen schweigsam.
motor.de: Kelvin und Dan, ihr seid Freunde geworden, weil ihr beide Jim-Jarmusch-Filme mochtet. Stimmt das?
Swaby: Ja, das stimmt. Es gibt so viel tolle Aspekte an seinen Filmen: die Dialoge, die Schauplätze, die Musik. Dadurch kamen wir beide zusammen.
Taylor: Musikalisch mochten wir vor allem „Ghost Dog“, „Mystery Train“ mit Joe Strummer und „Down By Law“ mit…
Swaby: …John Lurie und Tom Waits. Da ist die Musik echt unglaublich.
motor.de: Ihr sollt ja am Anfang ziemliche Probleme gehabt haben, den richtigen Drummer für The Heavy zu finden. [alle lachen]
Ellul: Ich weiß nicht so genau. Ich war nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort – und trug die richtigen Unterhosen. [lacht]
Swaby: Ein Drummer, den wir „ausprobiert“ haben, gefiel sich ein bisschen zu sehr. Er spielte bei den Songs ohne Pause durch, egal, ob das gut für den Song war oder nicht.
Taylor: Den richtigen Schlagzeuger zu finden ist ähnlich, wie die richtige Freundin zu finden. Es ist auch eine Art Beziehung. Die Chemie zwischen den Personen muss einfach stimmen. Chris zu treffen, war einfach Glück – oder Schicksal, wenn du willst. Wir wussten gleich, dass er der Richtige ist. Er sah einfach gut aus in seinem Pullunder. [alle lachen]
Swaby: Und gut kochen kann er auch!
Ellul: Ich schätze, ich habe wohl den falschen Beruf gewählt. Ich dachte, sie hätten mich wegen meines Schlagzeugspiels genommen…
motor.de: Euer aktuelles Album heißt „The House That Dirt Built“. Wie wichtig ist Schmutz im übertragenen Sinne für eure Musik?
Taylor: Sehr wichtig. Wir lieben „unterproduzierte“ Platten und versuchen auf keinen Fall, „Überproduziertes“ abzuliefern. Ich bin kein Fan von auf Hochglanz polierter Musik. So viele aktuelle Platten wirken einfach blitzsauber. Was man heutzutage mit Technik machen kann, geht einfach zu weit. Wir mögen alte, rohe Sounds. Für uns ist es wichtig, das als eine Art Wert zu erhalten und nicht zu produziert zu klingen. Da kommt der Schmutz ins Spiel.
motor.de: Wenn man sich eure Platte anhört, fällt sofort auf, dass ihr nicht wie die meisten anderen britischen Bands klingt.
Swaby: Wir klingen anders als überhaupt jede andere Band, weil niemand im Moment die gleiche Art von Musik spielt wie wir. Das kann glücklich machen, wenn man ein wenig aus der Reihe tanzt und den Leuten etwas zum Nachdenken vorsetzt.
motor.de: War es also eine bewusste Entscheidung für eben diesen Sound, oder ist das einfach die Musik, die in euch steckt?
Swaby: Du machst einfach das, was der Song dir sagt. So haben wir das Album gemacht. Wir haben uns nicht hingesetzt und gesagt: „Lasst uns heute mal einen Garage-Punk-Song schreiben.“
motor.de: Wie schreibt ihr dann eure Songs?
Swaby: Es kann mit vielen verschiedenen Sachen beginnen. Einem Gitarrenriff von Dan, einer Basslinie von Spence, einem Drumbeat von Chris. Dann arbeiten wir den Song bei den Proben aus. Dann arbeitet man vielleicht zuhause noch ein bisschen daran und langsam entsteht der Song, weil man ihn einfach so oft hört. Das ist ein gefühlsmäßiger Prozess, bei dem man dem Song mit der Zeit einen Sinn oder Zweck geben kann.
motor.de: Wenn man sich eure Musik anhört, kann man so viele unterschiedliche Einflüsse heraushören wie Funk, Soul, Rock’n’Roll, Motown usw. Gibt es aber einen Haupteinfluss, auf den ihr euch Alle einigen könnt?
Swaby: Das müsste wohl Blues sein. Rhythm & Blues zieht sich wie ein roter Faden durch unsere Songs. Im einen oder anderen Sinne hören wir alle diese Musik.
motor.de: Eure Songs sind sehr tanzbar. Ist das euer Hauptziel, das ihr erreichen wollt, die Leute zum Tanzen zu bringen?
Taylor: Sie bringen dich auf jeden Fall dazu, mit dem Kopf zu nicken, vor allem der Beat. Und wenn die Leute wie Idioten herumspringen wollen, ist das toll. Darum geht es im Endeffekt.
motor.de: Gibt es eine bestimmte Person im Publikum, an die ihr euch erinnern könnt, weil sie so abgegangen ist?
Taylor: Wir hatten unseren ersten Stagediver in Seattle. Er hat es zwei Mal gemacht, dann wurde er rausgeschmissen. Im Staat Washington ist Stagediving nämlich per Gesetz verboten. Zu Zeiten von Iggy Pop ging es da ziemlich wild zu, es hat einiges an Tumult und Krawall ausgelöst.
motor.de: Kennt ihr das Fan-Video zu eurem Song „Colleen“, in dem ein Mädchen sich aus verschiedenen Köperteilen ihren Freund „bastelt“?
Taylor: Ja. Das ist ziemlich gut, oder?
motor.de: Eigentlich schon. Mögt ihr es?
Taylor: Nein. [alle lachen] Es ist gut, wie sie es gemacht haben, aber es hat nichts mit uns zu tun. Es gab vor ein paar Jahren beim Radar Film Festival in den USA einen Wettbewerb, bei dem man seine Videos einreichen sollte und wir über diese abstimmen konnten. Ich bekam insgesamt 20 geschickt. Ich habe mir sechs davon angeschaut, dann konnte ich einfach nicht mehr. Sie waren einfach nicht das, was wir uns vorgestellt haben. Aber heutzutage kann man es einfach bei Youtube einstellen und schon kann es Jeder sehen. Ein Video zu einem Song von uns bekam 100.000 Klicks und alle denken, dass es von uns gemacht wurde. Das Internet ist für eine Menge schlechter Videos verantwortlich, nichts ist mehr privat.
motor.de: Ist das Internet heutzutage also mehr Fluch oder mehr Segen für eine Band?
Taylor: Es ist gut als Referenz, auf die man sich beziehen kann. Man kann außerdem viel leichter bestimmte, auch alte, Songs finden und muss nicht mehr in kleinen Plättenläden in verstaubtem Vinyl wühlen. Es ist alles da. Aber das Internet ist ein zweischneidiges Schwert. Für Bands ist es Mist, weil sie kein Geld mehr machen. Doch man kann es auch als eine Art Werkzeug benutzen. Vielleicht sind in zwanzig Jahren Platten nur noch die Sache von einigen wenigen Freaks.
Interview: Eric Bauer
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