Lyxzén und Strömberg lassen sich u.a. über ihr neues Album, Rick Rubin, Religion und das Modebewusstsein der Schweden aus.

Ob man mit Dennis Lyxzén und seinem Kumpel Lars Strömberg auch über ayurvedische Suppenkreationen und zarten Milchkaffeeschaum debattieren kann? Wohl kaum. Oberflächlich sind schon die anderen, da müssen die Herren von der (International) Noise Conspiracy nicht auch noch in die Kerbe hauen. Mit ihrem neuen Album “The Cross Of My Calling” halten die Vier unserer maroden Gesellschaft wieder ungeschönt den Spiegel vor die hochgereckte Nase. Hilfe bei der neuen Mission kam im Übrigen erneut von ganz oben: Rick Rubin rief zum Produktionseinsatz.

Wieso hat sich die Albumveröffentlichung so lange herausgezögert?
Lars: Wir wollten den Typen (Rick Rubin), der unsere letzte Platte produziert hat, auch diesmal wieder mit dabei haben. Doch er hatte irgendwann keine Zeit mehr, weil ihm das neue Metallica-Album dazwischen kam, das die Aufmerksamkeit natürlich komplett absorbierte. Nach ewigem Warten entschlossen wir uns dann, jemand anderen für den Rest der Produktionsarbeit einzuspannen. Der Typ hatte bereits an “Armed Love” mitgearbeitet. Da er ein Genie ist, hat das auch diesmal wieder super funktioniert. Wir hätten einfach nur früher drauf kommen müssen.

Was hält euch als Band seit zehn Jahren zusammen?
Lars: Die letzten Jahre waren für uns sicher die härtesten, aber gleichzeitig auch die besten. Nachdem wir bei “Armed Love”” erstmals die Chance bekamen, mit Rick Rubin zusammenzuarbeiten, haben wir uns, obwohl wir zu dieser Zeit echt alle nur noch auf dem Zahnfleisch krochen, zusammengerissen und durchgekämpft. Das viele Touren im Nachhinein hat uns dann die Augen darüber geöffnet, wie sehr wir es lieben, gemeinsam in einer Kapelle zu spielen.

Auf “The Cross Of My Calling”thematisiert ihr stark die Religion. Seid ihr selbst eigentlich gläubig erzogen worden?
Dennis: Nein. Die neue Platte ist aber sehr stark von der Religion beeinflusst. Ich finde sie unglaublich interessant, weil sie schon so lange Teil der Kultur und des sozialen Zusammenlebens ist. Menschen haben ein natürliches Bedürfnis, sich selbst und ihren Platz in der Welt zu definieren, da spielt der Glaube natürlich praktisch mit rein. Selbst bin ich sehr fasziniert von der Wirkung, die Religion auf die Menschen hat und wie sie dafür benutzt werden kann, die Leute gezielt in einem Zustand von permanenter Angst zu halten. Der Glaube scheint mir auf den ersten Blick eine effektive Möglichkeit zu sein, eine einfache Lösung für komplizierte Probleme zu finden. All diese blöden politischen Theorien, mit denen wir uns tagtäglich auseinandersetzen – dabei könnte man es sich mit dem Statement: “Ja, ich glaube an Gott!” doch so schön leicht machen. Allerdings ist es im Grunde ja gar nicht so einfach, wie es scheinen mag, schließlich ist Glaube auch immer unweigerlich mit starkem Zweifel verbunden.

Es steht ja schon länger nicht besonders gut um unsere Welt. Armut und Arbeitslosigkeit nehmen zu, eine fiese Wirtschaftskrise überrollt uns und alles, was die Menschen interessiert, ist, wie sie sich mit neuen Mobiltelefonen, Internetpornos, Castingshows und Caffè Latte davon ablenken können.

Welche Themen haben euch sonst noch beim Schreiben der neuen Songs inspiriert?
Dennis: Es steht ja schon länger nicht besonders gut um unsere Welt. Armut und Arbeitslosigkeit nehmen zu, eine fiese Wirtschaftskrise überrollt uns und alles, was die Menschen interessiert, ist, wie sie sich mit neuen Mobiltelefonen, Internetpornos, Castingshows und Caffè Latte davon ablenken können. Immer, wenn es besonders schlecht um die Wirtschaft bestellt ist, neigen die Leute dazu, noch mehr zu konsumieren – alles oberflächliche Ablenkungsmanöver, um den schönen Schein zu wahren.

Habt ihr das Gefühl, dass die Schweden besonders auf den äußeren Schein bedacht sind?
Dennis: Ich denke, heutzutage sind die Menschen fast überall darauf bedacht, wie sie aussehen und noch viel mehr darauf, wie die anderen aussehen. Stockholm ist aber wohl besonders gut darin, sich damit zu befassen, welches T-Shirt der Typ von gegenüber trägt.

Das Modebewusstsein der Menschen in Stockholm soll ja überdurchschnittlich hoch sein.
Lars: Das liegt daran, dass Stockholm nur eine Möchtegerngroßstadt ist. Aus diesem Grund konzentrieren sich die Leute komplett darauf, was in anderen Metropolen so abgeht. Man denkt, die Stadt sei voll von modebewussten Geschmacks-Wunderkindern, doch dabei sind es immer nur die gleichen 50 Leute, die man ständig sieht, weil die Stadt so klein ist (lacht).

Euer Heimatland gilt ja nach wie vor noch als musterhaft für einen gut funktionierenden Sozialstaat. Wenn ihr dennoch die Macht hättet, etwas zu ändern, wo würdet ihr beginnen?
Lars: Schweden ist einfach extrem gut darin, sich nach außen zu promoten. Alles wirkt so traditionell und sympathisch, aber unter der Oberfläche läuft da natürlich ein ganz anderes Programm.
Dennis: Unsere Regierung sitzt mittlerweile rechtsaußen, die Typen sind grauenvoll und reißen das ganze Sozialversicherungssystem nieder. Wir würden also als erstes die Regierung stürzen!
Lars: Genau! Erster kleiner Schritt: die Regierung stürzen! (lacht)

Interview: Christine Stiller

The International Noise Conspiration on tour

30.Nov.2008 20:00 Übel & Gefährlich, Hamburg
01.Dez.2008 20:00 So 36, Berlin
02.Dez.2008 20:00 Conne Island, Leipzig
03.Dez.2008 20:00 Flex, Wien
04.Dez.2008 20:00 Backstage, München
05.Dez.2008 20:00 Karlstorbahnhof, Heidelberg
06.Dez.2008 20:00 Manufaktur, Scondorf

»Tickets sichern