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“Solange Amanda satt ist, sind wir nett.” – The Pleasants im Interview

Mit Hippie-Attitüde und Hardcore-Affinität spielten The Pleasants Ende letzten Jahres ihre erste Deutschland-Tournee. Im motor.de-Interview verriet das Duo mehr über seine Zusammenarbeit.

Bei den Pleasants handelt es sich um diese Sorte Gutmenschen, die man gern mal belächelt, die aber mit ihrer verschroben sympathischen Art sehr einnehmend sind. Amanda Rogers und Mike Matta gründeten die Band vor einem Jahr und spielen seit dem nicht nur gemeinsam Musik, sondern kämpfen auch zusammen für eine bessere Welt. Aufklärung zu betreiben und ein gutes Vorbild zu sein, steht für die überzeugten Veganer dabei an oberster Stelle. Geplant ist auch eine Tournee entlang der amerikanischen Küste mit einem Segelboot – um kein Benzin zu verbrauchen und die Umwelt nicht zu verschmutzen. Vor ein paar Jahren schrieb Amanda Rogers sogar den „Christmas-Song For Tree-Hugers“, der sich gegen die weihnachtsbedingte Nadelwald-Abholzung stellt. Zwei große Naturfreunde haben sich bei The Pleasants also gefunden, die ihre musikalische Seelenverwandtschaft auf dem Debüt “Forests And Fields” mit schwelgerischen Folksongs vertonten.

motor.de: Wie waren die Erfahrungen auf eurer ersten gemeinsamen Tour bisher?

Mike: Bei Amandas letzter Tour habe ich sie bereits im Hintergrund mit der Gitarre unterstützt.
Amanda: Das war 2009. Aber jetzt singen wir zum ersten Mal die Songs zusammen, an denen wir beide arbeiteten, und müssen das erste Mal miteinander harmonieren.
Mike: Wir haben einen Unterschied der Pleasants-Tour zur Amanda Rogers-Tour bemerkt: Normalerweise kommen zu Amandas Konzerten in Deutschland die meisten Menschen. Die Pleasants dagegen ziehen in Tschechien, Italien und Österreich die meisten Leute an.
Amanda: Die Tour lief bisher sehr gut, ein großer Spaß mit Mike. Der Schnee ist uns überall hin gefolgt.
Mike: Eine Show in Italien war total verrückt: Obwohl wir unplugged, sehr pur und ruhig in der Mitte der Venue gespielt haben, sprangen die Leute herum, haben gesungen und geschrien. Sie haben es scheinbar gemocht (grinst breit).

The Pleasants – “Primerose Garden”

motor.de: Mike, du hast in einem Interview gesagt, dass eure Liveshows „more kick-ass“ als das Album wären. Wie kann ich mir das denn vorstellen?

Mike: Die Stimmung bei unseren Aufnahmen in Vermont war sehr entspannt und locker. Niemand hat uns unter Druck gesetzt, schneller zu spielen oder das Album zügiger aufzunehmen. Dieses entspannte Feeling wandelte sich als wir begannen, die Liveshows miteinander zu spielen. Dann bekamen wir die Energie “to destroy people in their face!” (lacht)
Amanda: Ich glaube, wenn ein Song geboren wird, ist die Welt neu für ihn und er kann noch nicht laufen. Im weiteren Leben wächst er dann zu dem heran, was er sein soll. Wir haben die letzten drei Monate die Songs immer wieder live gespielt und sie sind daran gewachsen.
Mike: Das hat viel damit zu tun, wie die Pleasants entstanden.
Amanda: Stimmt, da ist viel zufällig passiert

motor.de: Amanda kennt man schon als Solo-Artist. Wie sieht dein Werdegang bisher aus, Mike?

Mike: Ich war ein Holzfäller (lacht). Nein, das Einzige, woher mich die Leute vielleicht kennen, sind die Skatchy Indians. Wir haben Amanda bereits auf einer Tour supportet.
Amanda: In Nordamerika kennt man seine letzte Band ziemlich gut. Das ist der albernste Kram, den du je gehört hast.
Mike: Viele College-Häuser und Fourtys haben wir mit den Skatchy Indians abgerissen. Oh, das kennt ihr hier gar nicht. Das ist billiges Bier in großen Flaschen.
Amanda: Das ist die Sache bei Mike: Er geht immer zu verschiedenen Leuten um etwas zu lernen. Im Endeffekt ist er es jedoch, der sie belehrt. (lachen)

The Pleasants – “Already Gone”

motor.de: Warum hast du dich dazu entschieden, mit Mike eine Band zu gründen?

Amanda: In Denver Colorado trafen wir uns das erste Mal. Dann waren wir lang befreundet.
Mike: Sie reiste gerade mit ihrer Band, ich trampte und brauchte einen Lift nach Kalifornien. Da nahmen sie mich mit und meinten “Wir mögen dich, bleib doch an Bord!”. Bis Woodstock war ich dabei, wo alles ziemlich abgedreht wurde. Danach hingen wir ungefähr ein Jahr in Vermont miteinander herum und schrieben Songs. Irgendwann haben wir den Leuten in der Nähe einer Kirche, wo sich die ganzen alten Hippies trafen, unsere Songs gezeigt. Die waren total begeistert und meinten: „Wir haben ein Studio und wollen euch kostenlos aufnehmen!“ Das machten wir auch gleich und die Althippies rasteten komplett aus. „Wer zum Teufel seid ihr? Ihr müsst eine Band gründen und das anderen zeigen!“ Und hier sind wir und unsere Platte nun auch.
Amanda: Viele fragen auch danach, warum wir uns „The Pleasants“ nannten. Das hat mehrere Bedeutungen. In erster Linie sind wir angenehme menschliche Wesen. Unsere Musik dagegen ist es nicht.
Mike: Wir mögen das einfache Leben. Wir brauchen eigentlich nur den Van und ein Handy und haben nicht einmal eigene Wohnungen. Der Name „The Peasants“ (Anm. d. Red: engl. Die Kleinbauern) wäre cool gewesen. Wenn es keine Könige oder Herren gäbe, wären wir alle nur Kleinbauern. Pleasant Peasants klingt auch cool. Amanda wollte, dass wir uns „The Earthworms“ nennen.
Amanda: Ja, das sind die wichtigsten Tiere im Ökosystem und niemand liebt sie. Aber Pleasants ist gut. Wir sind nun mal nett.
Mike: Naja, solange Amanda satt ist, sind wir The Pleasants. Wenn sie Hunger hat, wird’s für alle unangenehm. (lachen)

motor.de: Wie kann ich mir den Aufnahmeprozess für euer erstes Album vorstellen?

Amanda: Das Studio lag gleich um die Ecke, direkt in den Bergen in Belmont, Vermont, einer sehr sehr kleinen Stadt. Da war ein altes Klavier und eine alte Orgel, die wir für die Platte auch aufnahmen. Alles war sehr organisch und entspannt. Dazu hatte der Raum einen sehr guten Vibe. Viele Bands aus der Region nutzten es, während wir da waren.
Mike: Insgesamt nahmen wir drei Sessions an drei Tagen auf.

motor.de: “Forrests and Fields” wirkt recht hippiesk, finde ich.

Mike: Diesen Kommentar hörten wir oft. Aber wir sind definitiv keine Hippes. Die haben wir nämlich getroffen und so sind wir nicht. Klar haben wir diese Natürlichkeit und die Freude mit ihnen gemeinsam. Ich glaube aber, dass es kein Wort dafür gibt, was wir sind. Zumindest noch nicht.
Amanda: Vielleicht passt „Naturalisten“ ganz gut. Ich will, dass Dinge wiederverwertet werden – Secondhand und so.
Mike: Wir sind wirklich keine Hippies. Dazu hören wir zu viel Hardcoremusik. Viel zu viel. Wirklich. Norma Jean zum Beispiel.
Amanda: …oder Earth Crisis. Eigentlich mag ich Doom Metal mehr als Hardcore.
Mike: Wir sind definitiv keine Hippies. Vielleicht Hardcore-Kids. (lachen)

Interview: Julia Kindel

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