Alan Donohoe und Matthew Swinnerton über die Düsternis von Berlin, beleidigende Bassisten und Gelegenheiten zum weiße-Hosen-Tragen.
The Rakes waren schon immer eine germanophile Band. Bereits auf ihrem ersten Album bewiesen die Briten dies mit deutschsprachigen Passagen im Song “Strasbourg” (“Dann sind wir Helden“). Fast folgerichtig heißt die neue, dritte Platte des Quartetts “Klang”, die die Band in Berlin aufnahm. Dass es sogar zwischenmenschliche Beziehungen zu Deutschland gibt, erzählen Sänger Alan Donohoe und Gitarrist Matthew Swinnerton im Interview.
motor.de: Euer aktuelles Album heißt “Klang”. Sprecht ihr das deutsch aus?
Swinnerton: Kommt darauf an. Wenn wir einem deutschen Journalisten ein Interview geben, versuchen wir, es deutsch auszusprechen. Aber normalerweise sprechen wir es englisch aus.
motor.de: Ihr habt das Album in Berlin aufgenommen. Warum gerade diese Stadt?
Donohoe: Es gibt mehrere Gründe. Der erste Song, den wir für das Album geschrieben haben, “1989”, handelt von Berlin, der Geschichte Berlins und Deutschlands. Nachdem wir diesen und weitere Songs geschrieben haben, mussten wir uns überlegen, wo wir sie aufnehmen. Also schickten wir unseren Bassisten Jamie auf eine Erkundungsmission durch Europa, um potenzielle Studios zu finden. Dabei ist er auf das Studio in Berlin gestoßen und berichtete, wie fantastisch und interessant es sei. Es erfüllte alle unsere Ansprüche an einen interessanten Platz zum Aufnehmen. Das war uns wichtiger als eine ansprechende Studioumgebung in einem Londoner Vorort.
motor.de: Wie muss man sich diesen Ort vorstellen?
Donohoe: Das Studio lag außerhalb des Stadtzentrums im Osten Berlins. Es gab alte Feuerwachen und Kohleladestationen am Fluss. Es war auch nah am Waldrand und war daher ein bisschen gruselig und abgelegen. Wenn man dort in der Umgebung unterwegs war, verfiel man automatisch ins Nachdenken über die Geschichte. Warum wurde das Gebäude gebaut? Welchem Zweck hat es gedient? Es war ein unheimlicher Ort. Ich habe dort sogar einmal übernachtet, auf dem Sofa in der Küche. Jemand hatte meine Tasche vergessen und ich bin um zwei Uhr nachts von unserer Unterkunft zum Studio zurück geradelt. Weil wir uns dort aber schon um zehn Uhr wieder treffen wollten, bin ich geblieben, um ein wenig Schlaf zu kriegen. Allerdings ließen sich die Türen nicht verschließen, so dass ich mit meinem Fahrrad die Tür verbarrikadiert und ein Messer bereit gelegt habe für den Fall, dass Eindringlinge kommen. [lacht]
motor.de: Hat sich eure Sicht auf Berlin geändert, seit ihr dort einige Zeit gewohnt habt? Würdet ihr den Song “1989” jetzt anders schreiben?
Donohoe: Wir waren vorher schon mehrere Male in Berlin, mit der Band als auch auf eigene Faust. Wie manch andere Songs ließ auch “1989” noch Freiräume im Songwriting, nachdem wir wegen der Aufnahmen in die Stadt kamen. Beispielsweise schrieben wir noch eine Zeile über das Glühen der Zigaretten in den Straßen – Berlin ist nachts nämlich im Vergleich zu London sehr düster, speziell im Winter. Sogar mit der Straßenbeleuchtung war es finster. Dadurch bekamen wir ein gruseliges und bedrückendes Gefühl, insbesondere außerhalb der inneren Bezirke. Aber die Mehrzahl der Songs folgte dem üblichen Prozess: erst Schreiben, dann Aufnehmen. Andersherum wäre es auch etwas schwierig. [lacht]
motor.de: Oft stolpert man über Vergleiche von euch mit Maximo Park, Bloc Party und ähnlichen Bands. Geht euch das auf die Nerven?
Donohoe: Es geht mir nicht direkt auf die Nerven. Aber ich mag die Musik der beiden genannten Bands nicht unbedingt, deshalb springe ich bei solchen Vergleichen nicht freudig auf und ab.
motor.de: Was sind den Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den Rakes und beispielsweise Maximo Park?
Swinnerton: Es geht vor allem darum, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt mehrere Gitarrenbands ihren Durchbruch hatten. Maximo Park, Bloc Party, The Futureheads und wir hatten für unsere Debütalben mit Paul Epworth alle denselben Produzenten. Wenn man mit einem Produzenten wie Paul zusammenarbeitet, der eine bestimmte Szene repräsentiert und dessen Aufdruck auf die Bands gepresst wird, dann hat er auch Einfluss auf den Sound. Bei ihm sind das bestimmte Post-Punk-Referenzen aus den 70er und frühen 80er Jahren. Insofern waren wir alle Gitarrenbands, zur gleichen Zeit, mit dem gleichen “hippen” Sound. Hinsichtlich der Identität der Bands wollten wir unsere ein wenig darüber hinaus entwickeln.
motor.de: Seit dem Release von “Klang” habt ihr schon mehr als 20 Festivalshows gespielt. Die Atmosphäre auf großen Festivals ist ja völlig anders als in einem kleinen Club. Was bevorzugt ihr?
Swinnerton: Ich weiß nicht genau. Ein Clubgig ist gut, weil man das Weiße in den Augen des Publikums erkennen kann. Da gibt es ein gewisses zwischenmenschliches Element, während man sich auf einer großen Festivalbühne wie ein richtiger Rockstar fühlt. [lacht] Man kann weiße Hosen anziehen und mehr herumspringen, ohne sich wie ein Idiot vorzukommen.
motor.de: Wie fielen die Reaktionen auf das neue Material aus?
Donohoe: Großartig. Wir haben die Songs schon mit dem Gedanken ans Livespielen im Hinterkopf geschrieben. Bevor wir sie aufnahmen, testeten wir sie schon auf ein paar Konzerten – einem Festival in Australien beispielsweise. Danach haben wir alle Stücke nochmals besprochen und ein bisschen “Feintuning” betrieben. Wir nahmen sie im Studio auch live auf. Es sind daher relativ simple und direkte Songs geworden.
motor.de: Das Stück “The Light From Your Mac” beschäftigt sich in kritischer Weise mit der Internet-Kultur.
Donohoe: Tut er das? Es ist eigentlich ein süßer, kleiner romantischer Song. Wenn man in der Großstadt wohnt, kann man die majestätische Größe des Mondscheins gar nicht erfassen. Das einzige, was einem bleibt, ist das zarte Leuchten des Laptops während man im Bett liegt.
motor.de: Interessant, was für unterschiedliche Interpretationen ein Song doch hervorrufen kann…
Swinnerton: Wenn man Songs schreibt und sie einmal auf die Welt losgelassen hat, dann gehören sie auch dieser. Dann sind sie auch für jegliche Interpretationen offen, egal was einmal die Intention des Stückes war.
motor.de: Ich habe gehört, dass ihr Mando Diao nicht mögt.
Donohoe: Das ist diese schwedische Band, oder? Ich kenne ihre Musik zwar nicht, aber derjenige bei den Rakes, der andere Bands basht um Presse zu bekommen, ist Jamie. Er ermutigt mich immer Sachen zu sagen wie: “Die Londoner Musikszene ist scheiße.” Eigentlich mag ich die Londoner Szene, ich sage das nur, um Presse zu bekommen. Und jetzt hasst mich jeder.
Swinnerton: Er ist nur eine Marionette.
motor.de: War es dann auch Jamie, der gesagt hat, dass er den deutschen Musikgeschmack nicht versteht?
Swinnerton: Beleidigend sein, um Presse zu bekommen – ja, dann war es wohl Jamie. [lacht] Ich würde so etwas nicht sagen. Ich habe eine deutsche Freundin, dann würde ich Ärger bekommen.
motor.de: Um was dreht es sich bei der “Pete’s alright Campaign”?
Donohoe: Und wieder Jamie. Tut mir leid, dass er nicht hier ist, er sollte das eigentlich machen. Jamie schreibt einen Blog. Ich habe den Eintrag erst gestern gesehen, es geht um eine Kampagne für Peter André. Wir haben damit nichts zu tun.
>> Hier geht es zu den Bildern des Konzertes
Interivew: Mark Lomenick
Photos: Florian Kresse
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