Die wohl aktuellste klassische Rock-Besetzung: Ein Mann, eine Frau, zwei Instrumente und viel Noise.
Lärmen ist zu zweit halt einfacher, dachten sich auch Sharin Foo und Sune Rose Wagner, als sie das Projekt The Raveonettes 2002 gründeten. In bester The Kills oder The White Stripes Tradition zelebrieren beide 60s-Girl Group-Riot und 80s-Darksound à la Cramps, The Jesus & Mary Chain und Vegaeske Suicide-Gefühle. Viel dröhnen, viel Sex and Rock’n’Roll. Und dass, obwohl die blonde Schönheit und der smarte Rebell nicht aus dem hippen New York oder London kommen, sondern aus der dänischen Hauptstadt Kopenhagen.
Im kleinen Freistaat Christiania sammeln beide Ideen und Inspirationen für den langen Highway To Rock. Und zwar nicht zu knapp. Davon zeugt allein schon die erste Singleauskopplung „Attack Of The Ghost Riders“. Ein Distortion-Hit, der sich tief ins Fleisch des Hörers schneidet.
Verantwortlich für die akustischen Narben ist vor allem Sänger/Songwriter/Gitarrist/ UndWasEsSonstNochSoGibt Sune Rose Wagner. Sharin Foo leiht dem Projekt lediglich ihr raues Stimmchen und aggressives Bassspiel.
Den ersten Höreindruck erhielt die gespannte Öffentlichkeit 2002. Dann nämlich erschein die 8 Tracks beinhaltende EP „Whip It On“, die ganz selbstverständlich und selbstbewusst sämtliche Falten aus dem Gesicht des Hörers bläst. Ein Rock’n’Roll-Kleinod.
Punk-Spector-Gitarren-Rumpeln gepaart mit abwechselnden, weiblichen und männlichen Gesangsausbrüchen; alles aufgenommen auf einem einfachen Vierspurgerät. In dreiwöchiger Eigenproduktion, versteht sich. Für eine gute Platte braucht Mann (Gitarrist Rose Wagner) nur ein paar gute Texte, eine große Portion Gitarrengeschrammel und ein paar Drum-Sampler. Die rotzige, selbstbewusste Selbsteinschätzung: „Wir wussten immer, dass wir groß rauskommen, es war nur eine Frage der Zeit.“
Zusehen gibt es das Duo hierzulande 2003 in ausgewählten Städten. Dennoch oder gerade deswegen loben Kritiker und Fans (mit steigender Anzahl) den dänischen Rock’n’Roll-Berserker, der live zum Trio anwächst.
Im selben Jahr erscheint auch das langersehnte Debüt „Chain Gang Of Love“, für das die beiden keinen geringeren als Produzent und Regeldreher Richard Gottehrer (unter anderem bekannt als Regieanweiser sämtlicher Blondie-Hits) verpflichten konnten.
Zwei Jahre später erscheint der Nachfolger „Pretty In Black“. Wieder mit Gottehrer hinter den Reglern, aber mit ganz neuem Sound. An den Stellen, an denen früher Distortion-Gitarren und schräge Klangnebel tobten, tanzen heute klar strukturierte Kompositionen mit Elvis-, Bobby Vinton-, Buddy Holly- und Ronettes-Einflüssen. Der Punk-Sound ist über Bord gesprungen und hat Platz für 60s-Girl Group-Riot gemacht. Dennoch, die Musik bleibt nach wie vor schön. Erwähnenswert ist auch das Mitwirken der Wagner und Foo Idolen Velvet Underground und Suicides Martin Rev am zweiten Silberling.
Live ist das ehemalige Duo zum Quintett heran gewachsen. Gitarrist Manoj Ramdas, Drummer Jakob Hoyer und Basser Anders Christensen ergänzen das Line Up. Es folgen gut besuchte Shows. Unter anderem im Vorprogramm von Depeche Mode.
Hans Erdmann
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