Artig bedanken sich Christian, Torben, Jan und Tobias von The Sea auf ihrer Website bei all denen, die am 23.5. wegen ihrer Record-Release-Party im Grünen Jäger zu Hamburg waren. Zählen spürbar glücklich auf, was die begeisterten Gäste der Band an jenem Abend entgegengebracht haben: “Thanks for being kind, buying stuff, throwing stuff, singing along, smiling at us, smiling at others, dancing, partying.”
Dass die Vier sich dermaßen über scheinbare Kleinigkeiten wie schlichtes “Freundlichsein” oder “Lächeln” freuen können, sagt einiges über die Bescheidenheit der in Hamburg lebenden Band aus. Denn mit großer Sicherheit dürften auch einige der Zuschauer mehr als nur freundlich gewesen sein oder gelächelt haben. Zum Beispiel wird so mancher begeistert geschwelgt oder sich staunend in der Musik verloren haben. Spätestens dann zumindest, wenn er oder sie das wahrscheinlich in der Post-Konzert-Euphorie gleich gekaufte Debütalbum von The Sea dann gleich in der selben Nacht noch zuhause angehört hat.
Denn das ist ja die Hauptsache: Diese Musik, in deren Angesicht man – so blöd solche Aussagen auch immer sind – rufen möchte: “Sieh da! Auch in Deutschland, auch in Deutschland.” Und damit ist dann natürlich gemeint, dass die Briten zwar ihre Coldplays und Radioheads, die US-Amerikaner ihre Death Cab For Cuties und Nada Surfs haben mögen – aber auch wir hier im musikalisch lange darbenden Land der Bushidos und Bohlens, der H-Blockx und Guano Apes können so langsam mit Fug und Recht behaupten, dass nicht nur The Notwist die Fahne guter englischsprachiger, aber in Deutschland gemachter Musik hochhalten.
Und damit wären natürlich auch schon die ersten wichtigen Wörter genannt, nach denen wohl jeder in einem Text über eine “neue” Band sucht: Die Referenzgrößen (nein, nicht Bushido & Co.! Alles danach!).
Und so sehr The Sea von ihrem Sound auch zu den genannten Größen passen mögen – sie selbst betonen die Diversität ihrer Einflüsse. So nennen sie auf ihrer MySpace-Seite neben kanonisierten und gemeinhin als cool abgenickten Namen (Kevin Shields, Talk Talk, Sonic Youth etc.) ganz selbstbewusst auch das, was andere Leute gerne als “Kellerleichen” sicher in der Vergangenheit verscharrt wissen: OMD etwa, oder Spandau Ballett – und sogar Genesis und Nik Kershaw kommen zur Sprache. Das sind nicht unbedingt die ersten, an die man denkt, wenn man sich die 13 geschmeidigen Indie-Pop-Songs vom selbstbetitelten Debüt “The Sea” anhört – aber einen kurzen Moment des darüber Meditierens später erscheint es dann wiederum gar nicht so abwegig: Schließlich gehören alle der vermeintlich “uncoolen” soeben Genannten zu den Größen einer Ära, als man sich für Pop-Songs und deren Umsetzung noch richtig Mühe gab; und es ist auch gar nicht schwer, zu jedem der Namen mindestens einen richtig tollen und die Jahre überdauernden Song ins Gedächtnis zu rufen.
Und mindestens diese Liebe zum Detail, diese Sorgfalt beim Basteln am Song ist es, was The Sea mit ihnen verbindet.
Vielleicht ist das eine Begleiterscheinung der mangelnden Möglichkeiten des Zeittotschlagens, wenn man – wie unsere vier Helden – seine “musikalische Sozialisation im kulturellen Ödland um und in Lübeck” erfährt. Dort nämlich begegneten sich die Mitglieder von The Sea, und dort begannen sie auch bereits in den Neunzigern, gemeinsam zu musizieren. Damals noch unter anderem Namen und mit wenig Glück und (Aus-)Dauer; schon bald zerstreute sich das Quartett in alle vier Himmelsrichtungen; spielte bei Bands wie den .peters oder auch Station 17 – bis sie sich 2006 “bei einem Bright Eyes-Konzert auf dem Melt!-Festival, betrunken und umarmend in alten Zeiten schwelgend” wiederfanden. Was lag näher, als an diese alten Zeiten anzuknüpfen, und etwas ganz Neues, Großes draus zu machen? Und das, liebe Leute, haben sie getan.
Text: Ralph Schlegel
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