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And the Oscar goes to …

Wie ist es für einen jahrelang herumtingelnden Independent-Musiker aus Irland, auf einer Bühne in Hollywood zu stehen, und einen Oscar für den besten Filmsong entgegen zu nehmen?

Glen Hansard zieht einen Vergleich: “Du willst einen Ball zu deinem kleinen Bruder treten, der am Ende des Gartens steht. Du nimmst Anlauf, schießt, und hoffst, dass er bis zu deinem Bruder kommt. Er kommt nicht nur bis zum Ende des Gartens, er fliegt sogar über die Mauer. Dann fliegt er weiter, über den Fluss, über die Stadt hinaus, irgendwohin, wo du niemals gedacht hättest, dass es möglich wäre. Ein ganz kleiner Teil von dir sagt ‚Ich will meinen verdammten Ball zurück’, aber der größte Teil ist einfach fassungslos, so weit gekommen zu sein.”

Nachdem er jahrelang mit The Frames ein hervorragendes Album nach dem anderen veröffentlicht hatte, gelang der Meisterschuss ausgerechnet mit einem Just-For-Fun-Projekt: Ex-The Frames Bassist John Carney hatte Glen erst für die Musik und dann als Hauptdarsteller für den Independent-Film “Once” verpflichtet. Als Filmpartnerin lag keine Wahl näher als die junge tschechischstämmige Pianistin Markéta Irglová, eine gute Freundin, mit der Glen schon in der Vergangenheit Filmmusik gemacht hatte.
Nachdem Film und Soundtrack ein ungeahnter Erfolg wurden, sind die beiden Musiker wieder bei dem, was ihnen am wichtigsten ist: Musik natürlich. Unter dem Bandnamen The Swell Season steht ein zweites Album in den Startlöchern, auf das die zwei mächtig stolz sind.

motor.de: In den Kommentaren zu “Once” betont ihr, dass ihr Euch nicht als Schauspieler seht und das ein Ausflug in ein ungewohntes Feld war. Wart ihr froh, nachdem sich der post-Oscar-Rummel gelegt hat, wieder ganz für die Musik da sein zu können?

Glen: Das kann man so nicht sagen. Der Dreh zu “Once” war eine angenehme Erfahrung, wir hatten eine tolle Zeit, und ich bereue nichts daran. Natürlich fühlen wir uns als Musiker, und als solche schreiben wir eben ständig neue Stücke. Das ist einfach das, was uns wichtig ist.

motor.de: Ihr sollt nach den Dreharbeiten auch privat ein Paar geworden sein. Wie lassen sich da Privates und Job trennen?

Marketá: Oh, wir sind inzwischen kein Paar mehr. Für unsere Musik bedeutet das aber nicht viel. Wir waren immer gute Freunde, und wir haben bei Musizieren eine zwischenmenschliche Ebene, die als Grundlage für unsere Musik unabdingbar ist. Würden wir uns nicht so gut verstehen, wäre so eine Band gar nicht möglich.

motor.de: Wie viele Differenzen und Meinungsverschiedenheiten gibt es, wenn ihr an Musik arbeitet?

Glen: Sehr wenig. Das neue Album ist in knapp vier Wochen entstanden, und alles fühlte sich ziemlich mühelos an. Es waren auch einfach unsere Freunde beteiligt, auch die Frames haben viel beigetragen. Wir sind ein seit Jahren eingeschworener Freundeskreis und in dieser Atmosphäre lässt sich sehr gut arbeiten.

motor.de: Stichwort Einflüsse: Auf welche Musik könnt ihr euch einigen, auf welche nicht?

Glen: Entscheidend für uns sind schon die klassischen Singer/Songwriter: Bob Dylan, Leonard Cohen, Joni Mitchell, Van Morrison. Sein Stück “Into The Mystic” spielen wir übrigens live. Aber ich mag eigentlich jede Art von Musik.
Marketá: Er mag auch AC/DC.

motor.de: Es gibt nichts, womit man Euch nerven kann?

Glen:
Doch, da es gibt genau eine Musik: Sogenannter Contemporary Jazz – ich hasse Kenny G. Das ist das einzige.
Marketá: In den Charts gibt es vieles, das ich einfach nicht verstehe. Ich mag es nicht, wie Frauen immer ihren Körper einsetzen müssen, um wahrgenommen zu werden. Da ist ein sexy Aussehen wichtiger als die Musik. Und diese Musik berührt mich nicht.
Glen: Das geht mir auch so. Ich glaube, das ist einfach so bei Musik, die auf Verkäuflichkeit zielt und nicht aus dem Herzen kommt.

Robert Goldbach

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