Die USA haben einen neuen Präsidenten, und auch aus der Punk-Pop-Garage der Thermals gibt es einige Neuigkeiten zu vermelden. Als da wären: eine neue Platte, ein neues Label, ein neuer Drummer – und eine neue romantische Ader.

Aber eines nach dem anderen. In Sachen Schlagzeuger-Verschleiß macht das Trio bzw. Teilzeit-Duo aus Portland so langsam Spinal Tap Konkurrenz. Mit Lorin Coleman ist den Ur-Thermals Hutch Harris und Kathy Foster 2008 bereits der dritte Trommler in Folge abhanden gekommen. Für das eingespielte Gespann Harris und Foster natürlich kein Stolperstein auf dem Weg zum nächsten Album. Wie schon beim Vorgänger “The Body, The Blood, The Machine” teilten sich die zwei Multitasking-Talente auch auf ihrem vierten Langspieler “Now We Can See” nicht nur das Songwriting, sondern darüber hinaus die Instrumental-Pflichten. Der neue Dritte im Bunde, Westin Glass, wurde erst nach Ende der Aufnahmen rekrutiert.

Erschienen sind letztere erstmals nicht beim Indie-Flagschiff Sub Pop, sondern beim Portlander Label Kill Rock Stars. Gab es Knatsch mit den Herrschaften aus Seattle? Hutch Harris verneint:
“Sub Pop hat uns einen zweiten Vertrag angeboten, der zwar okay war, uns aber auch nicht begeistert hat. Wir haben echt gerne mit Sub Pop gearbeitet und sind mit vielen der Leute dort befreundet. Aber KRS hat uns nun mal die Konditionen geboten, die wir suchten.”

Veränderte Konditionen auch in der politischen Landschaft, als das neue Werk dieser Tage die Plattenregale erreicht. Die Wirtschaftskrise verspricht zwar alles andere als rosige Aussichten, doch immerhin dürfen sich die Thermals freuen, Wunschkandidat Barack Obama im höchsten Amt ihres Heimatlandes zu sehen. Da passt ein Titel wie “Now We Can See” gut ins Bild, der nach der George W. Bush-inspirierten Untergangsstimmung von “The Body…” einen ungewohnten Optimismus versprüht. Hutch Harris:
“Meine Ansicht über die Bush-Administration ist, dass wir offenbar die Talsohle erreichen mussten, um zum Umdenken gebracht zu werden. Anscheinend war es notwendig.”
Allzu positiv will der Thermals-Frontmann das neue Motto dann aber auch nicht verstanden wissen:
“Da es von uns kommt, steckt auch ein gewisser Zynismus drin. ‚Now We Can See’ ist auch zu verstehen als ‚Jetzt kennen wir zwar die Antworten, aber handeln wir auch entsprechend?’.”

The Thermals – Now We Can See

Nach der Überdosis des Konzeptalbums “The Body…” war jedoch eigentlich der Plan: no politics.
“Ich habe vorerst nichts mehr zum Thema Religion und Politik hinzuzufügen. Die Leute sollen uns nicht bloß als politische Band wahrnehmen. Beim neuen Album ging es darum, sich von diesem Etikett zu lösen.” Ein Richtungswechsel, den schon das Artwork andeutet: Statt Thermals-typischer Feuer-, Explosions- oder Trümmer-Szenarien gibt sich die Cover-Collage von “Now We Can See” mit Sternenhimmel, Schwan und Blume richtiggehend romantisch. Gleichzeitig lassen die Songtitel wieder einmal einen thematischen roten Faden vermuten.
“Es gibt auf jeden Fall ein Oberthema: den Tod. Die Platte besteht auch diesmal aus einer Reihe fiktiver Geschichten. Ich schreibe dabei nicht aus eigener Erfahrung, bin selber dem Tod nie nahe gekommen”
, erläutert Harris und merkt zum Stichwort Romantik an:
“Es gibt vielleicht ein oder zwei Liebeslieder. Sie handeln davon, wen man an seiner Seite braucht, wer einem wichtiger ist als jeder andere Mensch.”

Wie zu merken und “Now We Can See” übrigens auch anzuhören ist: Die einstigen Krawallgeschwister Hutch und Kathy sind ein wenig friedvoller geworden. Ach ja, und noch eine letzte Neuigkeit: Im Sommer und im Herbst bespielen die Thermals endlich auch wieder hiesige Bühnen. Mal schauen, welchen Schlagzeuger sie dann dabei haben. Abwechslung muss schließlich sein.

Nina Töllner

The Thermals – Now We Can See

VÖ: 03.04.2009

Label:
Kill Rock Stars (Cargo Records)

Tracklist:
01. When I Died
02. We Were Sick
03. I Let It Go
04. Now We Can See
05. At The Bottom Of The Sea
06. When We Were Alive
07. I Called Out Your Name
08. When I Was Afraid
09. Liquid In, Liquid Out
10. How We Fade
11. You Dissolve