Sehr jung und sehr erfolgreich: The XX sind einer der Newcomer 2009, was den Briten jedoch auch Probleme beschert…

The XX, deren Namensgebung eine rein ästhetische Wahl war, veröffentlichten im August diesen Jahres ihr gleichnamiges Debüt. Die vier unauffälligen Jugendlichen, die zarte und verletzliche, teils düstere Töne schwingen, erarbeiten sich seither internationale Anerkennung und haben gerade mal die Hälfte ihrer Tournee hinter sich. Vor gut vier Wochen verließ Keyboarderin und Gitarristin Baria Qureshi die am Anfang ihres Erfolg stehende Band. Erschöpfung? Überforderung? Unzufriedenheit? Dies zeigt mal wieder, dass fast jeder Durchbruch wohl auch eine Schattenseite mit sich bringt.
Jetzt sind The XX nur noch drei. motor.de traf Sänger Oliver gut gelaunt und fidel zum Interview vor dem eigentlich ersten richtigen Auftritt zu dritt.

motor.de: Am aktuellsten ist natürlich die “personelle Veränderung” eurer Band. Was hat sich seitdem verändert?
 
Oliver Sim: Die Entwicklung hin zu einer Dreierkonstellation hätten wir so schnell und plötzlich natürlich nicht erwartet. Dieser erschöpfte Zustand entwickelt sich aber nun mal bei dem Einen schneller, bei dem Anderen erst nach 40 Jahren – du kannst das echt nicht beeinflussen. Zudem gab es auch noch ein paar Auseinandersetzungen beziehungsweise Differenzen zwischen uns. Am Ende hatten wir zwar ein gutes Karma, dennoch kannst du nie wirklich wissen, was im Kopf des Anderen vorgeht – so verließ uns Baria. Fakt ist, jeder ist mal erschöpft, du musst nur für dich alleine wissen, wann du den Punkt erreicht hast, zu gehen bzw. nachzugeben. Heute in Frankfurt ist auch tatsächlich unser erster Auftritt als Trio mit einer veränderten Liveshow. Wir hatten zwar nicht so viel Zeit, zum Proben, aber ich freue mich darauf. Wir haben ein paar Änderungen vorgenommen, da die letzten Live-Shows relativ exakt dem Album entsprochen haben, werden wir jetzt den ein oder anderen Remix dem Publikum präsentieren…
 
motor.de: Wie macht ihr das jetzt mit den Keyboard- und Gitarrensounds?
 
Oliver Sim: Jamie rockt am APC ab und intern tauschen wir auch mal die Instrumente, wie z.B. das Schlagzeug. Ich glaube, die Trennung von Baria stellt uns jetzt auf die Probe, richtige Musiker zu werden/sein. Jamie arbeitet auch gerade so viel, weil wir es selber nicht mögen, Background-Musik laufen zu lassen – jeder einzelne Track wird live gespielt. 
 

motor.de: Glaubst du manchmal, ihr seid zu schnell zu erfolgreich geworden?
 
Oliver Sim: Es ging in der Tat alles sehr schnell. Wir haben jedoch schon zweieinhalb Jahre mit unserem Label gearbeitet, es war also nicht so ein “Overnight-Erfolgsgeschehen”. Auf der einen Seite waren wir natürlich erst 18, hatten sechs Songs am Start und schon ein paar Shows gespielt. Das Label hat aber nie von uns verlangt, alles schnell anzugehen, mit Promotion und Tour und Fotoshootings etc. – wir hatten Zeit. Das erste Jahr haben wir also nur produziert und Shows gespielt, dann haben wir langsam auf das Album hingearbeitet. Ich bin wirklich froh, dass wir die Möglichkeit hatten, so langsam starten zu dürfen. Am Ende der Produktion waren wir dann auch wirklich zufrieden mit unserem Debüt. Ich sag’ dir, wir haben manche Tracks gefühlte tausendmal aufgenommen und verändert, ich dachte: “Nein, nein. Das geht noch ein Stück besser.” Wir sind da wohl ein wenig perfektionistisch veranlagt. Ich fühle aber jetzt auch im Nachhinein, dass wir erst richtig losgelegt haben, als wir auch bereit dazu waren. Aber nochmal zu der Frage, ob es zu schnell ging, manchmal brauche ich auch meine ruhigen Minuten, um dieses Leben zu reflektieren. Dann geht es: “Wow! Wow! Das haben wir geschafft?!
 
motor.de: Eine andere Frage zum Gemütszustand: Was regt dich auf?
 
Sim: Oh…schwierig…musikalisch gesehen?
 
motor.de: …oder im privaten Leben?
 
Sim: Hm… Da gibt es wohl Manches, aber am meisten regen mich unfreundliche Leute auf. Typen, die einen wie ein triviales Wesen behandeln. Aber auch, wenn viele es nicht glauben, ich bin eine sehr positiv eingestellte und ausgeglichene Person, auch wenn unsere Musik eher melancholisch und deep klingt, sind wir alle – ja, ich rede jetzt auch von Romy und Jamie – positiv eingestellt und nicht streitsüchtig.
 

 
motor.de: Nicht nur Musikjournalisten ordnen Bands ja gern konkreten Genren zu – bei euch fällt oft der Begriff “New Wave”, was hältst Du davon?
 
Sim: Ich habe mich nie als Teil der Szene gefühlt. Wenn ich in London bin, merke ich auch nicht, dass eine bestimmte Szene vertreten ist. Die letzten Jahre war es sehr von New Wave dominiert, aber ich beziehungsweise wir haben uns nie dazugezählt. Ich bin aber auch froh, dass es metaphorisch gesehen keine Tür gibt, an der “New Wave” oder sowas steht. Sonst denkst du immer, du müsstest weiterhin dazu gehören und außerdem ist so eine Szenenkultur doch auch suboptimal für dich als Musiker. Wenn wir sagen: “Oh, wir sind so New Wave”, versuchen wir dem gerecht zu werden – musikalisch gesehen. Fakt ist aber auch, die Szenen sind stilorientiert, man will dort seine Coolness ausdrücken. Und ich möchte persönlich zu keiner Szene gehören, weil sie dich dem Zwang auslieferst, etwas zu sein, was du gar nicht bist. 
 
motor.de: Last but not least zum Ende des Jahres – was sind für dich DIE Bands 2009?
 
Sim: Haha. Gute Frage, denn ich glaube, 2009 ist ein optimales Jahr für neue Musik. Zuvor habe ich größtenteils alte Musik meiner Eltern gehört, aber jetzt ist viel Neues am Start. Ich mochte 2009 vor allem The Big Pink, Micachu and The Shapes, Trailer Trash Tracys und Esben and the Witch, die auch als Support unserer Tour auftraten. Es sind bei mir aber primär Londoner Bands, die ich zu meinen liebsten in diesem Jahr zählen würde. Sie gehen wohl auch mehr in die Dubstep-Richtung. Ah, und noch eine großartige Sängerin habe ich: Holy Miranda aus Brooklyn! Sie hat eine wundervolle Stimme. Sie ist toll…Ja, ich bin immer noch ganz hingerissen. 

Interview: Franzi Finkenstein