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The XX- eine neue Band aus London, die es schaffen will: Man wird sehen.
Schaute man sich einmal die Zeitgeschichte genau an, dann gehören Revolte und Aufmüpfigkeit fest ins Repertoire der Jugend, vor allem wenn es um Krisen und Zeitenwenden geht. Mitte der Siebziger herrschten in England das Chaos; hohe Arbeitslosigkeit, brachliegende Wirtschaft, die politische Führung macht- und ratlos. Eine berühmte Antwort darauf lautete: “I am an antichrist / And I am an anarchist / Don´t know what I want but I know hot to get it”. Nur mal so als Beispiel.
Krisen können aber auch lähmen. Nach 1929 ist zum zweiten Mal die Weltwirtschaft kollabiert. Die meisten Banker scheint das nicht zu kratzen und feiern weiter lustig After-Work-Partys und erzählen sich Witze wie diesen hier: “Sagt der Anlageberater zum Kunden: ‚Nein, Ihr Geld ist doch nicht weg! Das hat jetzt nur jemand anders!'”. Die britische Jugend scheint auf diese Krise (noch) keine Antwort zu haben, die etwas mit Auflehnung oder Widerstand zu tun haben könnte.
The XX sind vier 19-Jährige aus dem Londoner Stadtteil Wandsworth, dem traditionell gut gestellten Westen der Metropole. Noch bevor sie ihr Debütalbum herausbringen konnten, tat der NME etwas absolut ungewöhnliches: er pries den Sound der Band als neuen In-Soundtrack der Hauptstadt. Die vier gingen auf die selbe Schule wie die jungen Hipster von Hot Chip. Die Musik auf ihrem ersten Album klingt zumindest latent nach Geisterstadt: minimalistische Melancholie, karg und sparsam instrumentiert, alles überflüssige wird gestrichen. Ein vertontes Sparprogramm, geschult am gotischen Pop der frühen Achtziger. Schüchterne, gespenstische Gitarren, muffige Synthie-Drums. Das Video zur Single “Crystalised”, einem echten Ohrwurm, spricht Bände: ausdruckslose Gesichter, alle vier in Reih und Glied wie beim Appell, im Hintergrund zucken schlechte Diaprojektorbilder. Sänger und Bassist Oliver Silm könnte eigentlich ein Draufgänger sein, der in Diskos auf Brautschau geht. Doch die vier sehen eher aus wie sediert. Schockstarre?
Gitarristin und Sängerin Romy Madley Croft schreibt mit Sim die Texte. Die beiden kennen sich seit ihrem dritten Lebensjahr, lernten zusammen, spielten Musik zusammen. In ihren Texten umkreisen sie sich wie zwei traurige, einsame Satelliten, ohne sich dabei zu treffen; es sind Assoziationen, Versatzstücke, nur schwer auf den Punkt zu bringen. Um Politik geht es dabei auf keinen Fall, da ist Croft ganz eindeutig: “Wir sind nicht politisch. Dazu lebe ich viel zu sehr in meiner eigenen Welt. Ich schreibe über ganz Persönliches. Wir fühlen uns auch nicht als Teil der London-Szene, dazu spielen einfach zu wenige andere Bands den Sound den wir spielen.”
The XX – Crystalised
Es geht um Gefühle, aber selbst das klingt bei The XX distanziert und unterkühlt. “Oliver und ich kennen uns, wie gesagt, sehr lange. Beim Texten und Singen nehmen wir häufig unterschiedliche Sichtweisen an. Wir singen uns nicht an, wir waren nie ein Liebespaar. Aber wir funken auf derselben Wellenlänge.” Auch hinter dem Bandnamen steckt kein ausgeklügeltes Konzept, sondern pure Ästhetik. Der Buchstabe X gefiel ihnen so sehr, da haben sie ihn kurzerhand zweimal genommen.
Der Weg der ersten Schritte einer jungen Band bis zum Hype kann in dieser Stadt sehr kurz sein. Es ist noch nicht so lange her, dass die vier in Crofts Jugendzimmer proben mussten. Ihren ersten Auftritt hatten sie auf einem kleinen Festival vor den Toren der Stadt, irgendwann um zwei Uhr nachmittags. Einen unpassenderen Zeitpunkt für diese Musik kann es nicht geben. Auf den mittlerweile sehr gut besuchten Konzerten tummeln sich nun auffällig viele ältere Semester: “Wir haben bislang vor allem vor Leuten gespielt, die über 30 sind. Vielleicht erinnert unsere Musik sie an die Zeit, als sie noch jung waren.”
Weil sie die Musik an bessere Zeiten erinnert, an vermeintlich bessere Zeiten? Eskapismus statt Revolte? Nostalgie statt Mittelfinger? Ist doch auch irgendwie ein Konzept, oder?
Gordon Gernand
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