The Good Life und Cursive waren gestern, jetzt will Frontmann Tim Kasher ohne seine Kollegen klarkommen und wagt mit dem Solodebüt einen Spagat, der ihm durchaus Schmerzen bereiten könnte.
Allein geht manchmal alles einfacher, die Musik, das Leben daneben und der Alltag im Allgemeinen. Findet auch Cursive/The Good Life-Sänger Tim Kasher und versucht sich aktuell zum ersten Mal auf Solopfaden. Dabei sei ihm am wichtigsten, so der gebürtig aus Omaha/Nebraska stammende Songwriter, dass die Freiheit an erster Stelle kommt. Keine Vorgaben, keine Erwartungen, nur: Tim Kasher. Ein Credo, dass eigentlich nichts komplett Neues für ihn sein dürfte – schließlich liegt ein Werdegang hinter ihm, den er auch ohne große Kompromisse beschritt.
Angefangen beim ersten Lebenszeichen mit Cursive aus dem Jahre 1997: “Such Blinding Stars For Starving Eyes” gilt heute als Ausrufezeichen im Gesamtwerk der Band, floppte damals aber auf ganzer Linie. Nicht so ihre dritte Platte mit dem schlichten wie passenden Titel “Domestica” – hier haute die Mischung aus brachialem Rock und butterweichen Streichern zum ersten Mal hin, beförderte Cursive in ungeahnte Höhen und ebnete den Weg für das anschließende Überalbum “The Ugly Organ” (2003). Welches bei Connaisseuren noch heute als ihr bestes Album gilt.
Im Gegensatz dazu, sind The Good Life ein anderer Fall, Kasher verfolgte mit ihnen nie einen stringenten Weg. Ließ sich im Studio lieber von Launen leiten und sah im Songwriting stets etwas, dass einem Kinderspielplatz ähnelt: Wenn das Karussell langweilig wird, dann geht man halt in den Sandkasten, basta. Wobei mit “Album Of The Year” (2004) und dem 2007 veröffentlichten “Help Wanted Nights” zwei veritable Longplayer entstanden und The Good Life einen ähnlich triumphalen Ruf verschafften, wie ihn Cursive längst inne hatten.
Tim Kasher – “Cold Love”
All das scheint nun Schnee von gestern zu sein, denn Tim Kasher wagt sich ohne die Kollegen aus der Deckung und bringt mit “The Game Of Monogamy” sein erstes Soloalbum an den Start. Wieso, weshalb und warum, erklärt er im motor.de-Interview.
motor.de: Du bist der gefühlte zehnte Bandleader in diesem Jahr, der sein eigenes Album veröffentlicht – wie kam es zu deinem Entschluss?
Tim Kasher: Es passte gerade eins zum anderen. Ich sitze ja nicht zu Hause, bekomme die Soloplatte von Brandon Flowers in die Hand und denke mir: Perfekter Zeitpunkt, jetzt lege ich auch mal nach. Die Songs trage ich schon länger mit mir herum und nach der letztjährigen Cursive-Tour hatte ich endlich Zeit sie im Studio aufzunehmen. Da steckt keine große Strategie dahinter.
motor.de: Waren die Beiträge eigentlich für Cursive bzw. The Good Life geplant oder hast du sie bewusst für dich allein geschrieben?
Tim Kasher: Ich kann mein Songwriting nicht in Schubladen packen, sondern arbeite in Zyklen. Diese bringen mich abwechselnd mit Cursive oder The Good Life in Verbindung. Manchmal entstehen aber Songs, bei denen ich das Gefühl habe, sie weder für die eine, noch für die andere Band verwenden zu können und so behalte ich diese Demos stets für mich.
motor.de: Deswegen erinnert “The Game Of Monogamy” so an deine Hauptprojekte: Der orchestrale Cursive-Rock und akustisch geprägte The Good Life-Pop sind hier vertreten.
Tim Kasher: Warum sollte ich plötzlich Drum’n’Bass machen? Das liegt mir nicht. Die Tracks spiegeln mein Songwriting wieder und sollen nicht abstruse Experimente sein. Erstaunlich ist aber, dass das Zusammentragen der einzelnen Beiträge in mir gewisse Phasen meines Lebens zurück brachte. Hauptsächlich natürlich Beziehungsszenarien, die jedoch nicht autobiographisch zu verstehen sind.
motor.de: Wenn du in “No Fireworks” singst: “We went back to the bar where we first met/ and recreated the event from the booth to the bed/ And I couldn’t feel anything at all”, geht es hier nicht um Tim Kasher?
Tim Kasher: Solche Situationen erlebt jeder und somit ist der Text auch auf mein Beziehungsleben anwendbar. Aber nein, explizit beschreiben diese Zeilen keinen konkreten Moment. (überlegt) Das Zusammenleben von Mann und Frau ist ein unerschöpflicher Pool, der mir seit jeher Ideen und Anregungen für meine Arbeit bringt. Mit den Jahren fällt dies immer mehr auf und zum ersten Mal wird auch ein Album diesem Ansatz gerecht: “The Game Of Monogamy” ist ein klares Statement, wie ich finde.
motor.de: Ist das für dich die höchste Kunst der Zweisamkeit – wenn der Partner nur dich und niemanden sonst für sein Glück benötigt?
Tim Kasher: Im Zuge von Love, Peace und Harmony hatte das klassische Model der Partnerschaft für eine Weile ausgedient und neue Formen wurden erprobt. Liberale Leute verteufelten plötzlich die Monogamie und versuchten sie polygam zu umgehen. Allerdings kommt für jeden Menschen der Zeitpunkt, an dem es nur doch die eine Person gibt, mit der man den Rest seines Lebens verbringen möchte.
motor.de: Als Musiker auf Tour besteht die Gefahr der Untreue aber sicher häufig, oder?
Tim Kasher: Leidenschaft hin oder her, Musik zu machen, ist auch ein stückweit mein Job und wenn du in einer Firma neu anfängst, steigst du auch nicht mit jedem Kollegen ins Bett, sondern trennst Berufliches von Privatem – weil es die Sache leichter und angenehmer macht.
motor.de: Ich spreche auch nicht von deiner Tourmanagerin, sondern von möglichen Groupies, die hier und da sicher vorkommen?
Tim Kasher: Es ist eine Frage des Respekts, wie man damit umgeht. Für mich war der Rock’n’Roll-Lifestyle nie eine Option und ich finde es schöner, wenn zu Hause meine Freundin auf mich wartet, als in jeder Stadt mit irgendwelchen Frauen in die Kiste zu steigen. So aufregend das ist, mindestens genauso anstrengend kann es sein.
motor.de: Gönnst du dir nach der anstehenden Tour etwas Ruhe oder geht es direkt mit Cursive oder The Good Life wieder ins Studio?
Tim Kasher: Aktuell weiß ich nicht mal, ob es die eine oder die andere Band sein wird. Die Tendenz geht Richtung The Good Life, kann sich aber auch zugunsten von Cursive ändern. Wir werden sehen. (kurze Pause) Ein zweites Soloalbum ist ebenfalls denkbar. Ich fand es zumindest toll, sagen zu können: ‚Lasst mich jetzt mal in Ruhe, allein fällt es mir gerade leichter’. Was sich nur auf die Musik bezieht, versteht sich.
Text und Interview: Marcus Willfroth
Vö: 19.11.10
Label: Affairs Of The Heart/Indigo
Tracklist:
1. Monogamy Overture
2. A Grown Man
3. I’m Afraid I’ Gonna Die Here
4. Strays
5. Cold Love
6. Surprise, Surprise
7. There Must Be Something I’ve Lost
8. Bad, Bad Dreams
9. No Fireworks
10. The Prodigal Husband
11. Monogamy
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