Bisher als Drummer bei großen Projekten der deutschen Musiklandschaft involviert, wird er plötzlich selbst zur Frontsau. Süße Popsongs sind die Spezialität von Tim Neuhaus.
Der gebürtige Hagener ist verantwortlich für das wohl poppigste Album, das je bei der Hamburger Plattenfirma GHvC erschienen ist. Sein Labeldebüt “The Cabinet“, das er mit der gleichnamigen Band eingespielt hat, ist jedoch nicht das erste Werk, an dem er beteiligt war. Bei Hundreds spielt er die E-Drums und am Erfolg von Cluesos “Gute Musik“ war er ebenso beteiligt. Der Musiker, der ein Teil der Blue Man Group in der Hauptstadt ist, kann also einiges vorweisen. Der erste Abend bei seiner ersten Headliner-Tour macht ihn dann dennoch sichtlich nervös. “Ich bin super aufgeregt und das wird immer schlimmer. Das ist doch nicht gesund!” sagte er im Vorfeld. motor.de traf ihn zum Interview und plauderte mit dem Schlagzeugkünstler mit dem wohl schönsten Nananana-Song über die vergangenen zwei Jahre, den Vorteil, Musik studiert zu haben, und darüber wie ihn Thees Uhlmann in die Grand-Hotel-Familie holte.
motor.de: Dein Album ist draußen und dich hat ein warmer Feedbackregen getroffen – bist du im Endorphinrausch?
Tim Neuhaus: Ich habe das Gefühl, dass die Platte richtig aufgenommen wurde und bin total glücklich darüber. Alles ist total neu für mich. Um die ersten Veröffentlichungen habe ich mich komplett allein gekümmert und alles selbst verpackt. Jetzt ist das erste Mal der Label-Stempel darauf und mein Gefühl sagt: „Verdammt, jetzt werden die Leute das wirklich hören!“ Neu war auch, Entscheidungen mit einer Band zu treffen, dass plötzlich vier Leute mitreden. Das alles zu komprimieren war schwierig. Das Album ist etwas geworden, was ich nicht dachte, dass es das wird. Die Platte hört sich nun ganz anders an als die Vision, die vorher in meinem Kopf drin war. Aber trotzdem ist die Reaktion genauso, wie ich sie mir erhofft habe.
motor.de: Du hast zwar mit „The Cabinet“ eine feste Band hinter dir, aber letztendlich steht dein Vor- und Zuname darauf – gab es da Reibungspunkte?
Tim Neuhaus: Ja, es gab schon eine Reibefläche. In den letzten zwei Jahren ist es sehr zu einem Bandprojekt geworden. Aber trotzdem war das Album die ganze Zeit unter meiner Regie. Es war nie eine Band im gewohnten Sinne, auch wenn es ein starkes Kollektiv ist. In den letzten zwei Jahren war immer mal jemand länger weg und in meiner Auffassung ist nur jemand eine Band, wenn die Menschen lange Zeit aufeinander hocken und etwas gemeinsam kreieren. Das haben wir zwar, jedoch habe ich mir eher etwas von den Jungs genommen und sie zusammen gehalten, wenn das möglich war. Das Recht, meinen Namen letztendlich auf das Album zu schreiben, habe ich mir dann auch heraus genommen. Das Grand Hotel hat ja mich als Künstler genommen und nicht die Band. Aber weil es dann hieß „Macht ein Bandalbum“, wollte ich The Cabinet den Credit geben – deshalb habe ich das Album auch so genannt. Wenn wir jetzt live spielen, ist das “Tim Neuhaus und The Cabinet”. Vielleicht gibt es ja irgendwann die Perspektive, dass wir dann nur noch sagen „Wir sind The Cabinet“ und dann verschwindet auch mein Name da.
Tim Neuhaus – “As Life Found You”
motor.de: Bleiben wir mal bei der Entstehung – wie lief das ab, dein Labeldebüt aufzunehmen?
Tim Neuhaus: Zwei Jahre hat das gedauert, dass ich die Songs geschrieben und selbst in meinem Zimmer aufgenommen habe, so wie die Alben vorher auch. Dann habe ich sie Thees von Tomte gegeben. Er meinte dann: „Ja, schöne Songs, schöne schöne Songs, ich komm mal zum Livegig.“ Und dann kam er auch und sagte: „Mein Gott, Tim: Wenn wir jetzt eine Platte zusammen machen, dann muss das eine Bandplatte sein. Das, was du da machst, ist schön, aber es ist zu melancholisch, zu ruhig, zu sehr homegrown, ein bisschen zu Elliott Smith-depressiv und zu ruhige Schiene. Mit Band bekommst du den Kick, der da sein sollte beim Debüt!“ GHvC hat uns dann ein bisschen Geld gegeben, um das Album noch einmal komplett im Studio aufzunehmen.
motor.de: Abgesehen vom Bandfaktor – was denkst du, warum gerade diese Platte so gut aufgenommen wurde und nicht, wie die vielen hübschen Vorgänger, recht unbeachtet blieb?
Tim Neuhaus: Vielleicht weil sich über die Jahre und über die Reflektion der Dinge die besten Songs von allein herauskristallisiert haben (lacht). Die Jungs von der Band geben mir ein Feedback: Wenn man ihnen zwei Songs gibt, spürt man sofort, bei welchem sie anbeißen. Du merkst es gleich, wenn ein Song in der Band funktioniert und jeder wird heiß und denkt „Das ist ein Superding“. Von denen haben wir nun das Beste genommen.
motor.de: Du bist einer der wenigen im Popzirkus, der Musik tatsächlich studiert hat. Bist du im Vorteil?
Tim Neuhaus: Ich weiß nicht, ob ich im Vorteil bin. Das wird einem auch gern mal negativ ausgelegt, dass jemand sich in der Musik zu extrem verliert und das Wesentliche aus den Augen verliert. Man braucht nicht immer technische Versiertheit. Ich bin’s eigentlich auch nicht auf der Gitarre und im Gesang. Ich bin Schlagzeuger und habe das studiert, weil es in der Stadt, in der ich aufgewachsen bin, niemanden gab, mit dem man sich zusammen schließen konnte. Das war kein musikalisches Umfeld. Für die Art von Musik, die ich mache, muss man nicht Musik studiert haben. Aber so geht das Proben superschnell. Das hier sind alles Menschen, die von der Musik leben. Und durch das jahrelange Tun hat man das Gefühl, man könne das, was man sucht, schnell benennen und dementsprechend schnell umsetzen. Das ist wie jemand, der eine Fremdsprache studiert. Wenn du den fragst „Ich will das und das sagen, aber weniger floskelhaft, wie kann ich das machen?“, dann hat der eine schnellere Antwort, einfach weil er drin steckt. Das ist bei der Musik beziehungsweise bei der Bandarbeit auch so. Das geht dann eben schneller und ist bereichernd. Wenn man nicht so viel kann, macht man vielleicht auch weniger. Würde Tomte-Thees heute hier spielen, würden die Leute die Bude einrennen – und er hat das nicht studiert. Ich bin froh wenn wir fünfzig Leute hierher bekommen – wir sind ja noch am Anfang. Ich weiß also nicht, ob uns das einen Vorteil bringt, Musik studiert zu haben.
Tim Neuhaus – “Troubled Minds”
motor.de: Die Nähe zu Tomte und Kettcar ist ja da. Hast du dich eigentlich auch mal an deutschen Texten versucht, so wie es deine Labelkollegen tun?
Tim Neuhaus: Ja, aber ich muss zugeben, dass ich schon seit ich ganz klein war, ein total englischfixierter Musikhörer gewesen bin. Ich fand das immer cooler. Natürlich ist es anfangs etwas, wohinter du dich verstecken kannst. Damit kommst du auch eine ganze Weile durch. Aber irgendwann mit 18/19 funktioniert das nicht mehr und du musst dir um die Texte Gedanken machen. Das habe ich versucht, wollte immer bessere Texte machen und im Englischen hab ich mich einfach viel wohler gefühlt. Bei Clueso habe ich ja lange Zeit Schlagzeug gespielt und da hat man jemanden, der es kann. Das sieht man dann und denkt: „Alles klar, du kannst es, ich kann’s nicht.“ Also ich kann’s nicht gut und nicht so gut damit spielen. Der Gedanke, außerhalb von Deutschland verstanden zu werden, den fand ich immer reizvoll. In Schweden, Dänemark oder Finnland. Die Attraktivität der Sprache ist im Englischen einfach größer.
motor.de: Bei Hundreds, der Blue Man Group und eben auch Clueso warst du ja bei großen Künstlern hinter dem Schlagzeug. Jetzt kommst du vor und bist plötzlich die Frontsau.
Tim Neuhaus: Das hat ja nichts mit verstecken zu tun – Drums sind voll mein Ding. Ich möchte jetzt, dass das beides läuft. Vielleicht haben wir Glück und das Projekt zieht so viele Leute, dass wir erst mal eine ganze Weile nur so unterwegs sein können – das wäre ein Traum, das wäre wunderschön. Aber solange das nicht so ist und wir immer mal eine Tour hier, eine Tour da haben, finde ich es geil, Schlagzeug zu spielen für Cluesn und Hundreds und so. Das soll bitte bloß so weiter gehen wie bisher! Ich will das beides eigentlich nicht trennen. Jetzt bin ich wesentlich aufgeregter vor dem Konzert, als wenn ich am Schlagzeug sitze. Bei Hundreds habe ich zum Beispiel das Gefühl, durch meine Anwesenheit das Ganze stärker zu machen. Das, was bei den beiden vorher vom Band kam und von Phillipp programmiert wurde, haben sie jetzt auf die beiden Schlagzeuger verteilt. Wir spielen dann auch Töne auf den Elektropads. Das macht super viel Spaß. Sag mal sind Hundreds jetzt eigentlich schon sehr bekannt?
Motor.de: Also in unserer Jahresbestenliste sind sie sehr gut weg gekommen.
Tim Neuhaus: Das ist Wahnsinn: Wie schnell sie in aller Munde waren, aber wenn ihr glaubt, dass sie davon leben können – nicht ansatzweise! Zusammengenommen mit den ganzen Aktivitäten, Blue Man und und und, kann ich von der Musik leben. Aber nicht als Tim Neuhaus. Nicht ansatzweise.
Zu sechs Gelegenheiten habt ihr noch die Möglichkeit, den Musiker bei seiner ersten Headliner-Tour durch die Republik live zu erleben. Markiert euch die Daten rot im Kalender und lasst euch von der schwelgerischen Verträumtheit seiner Songs verzaubern.
motor.de präsentiert: Tim Neuhaus auf Tour:
17.03. Oberhausen – Druckluft
18.03. Hamburg – Molotow
19.03. Bremen – Tower
21.03. Saarbrücken – Garage
22.03. Frankfurt – Das Bett
23.03. Reutlingen – Franz K
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