Nach dem Jahr 2012 wird die Welt der Musik eine andere sein. Durch den Start von spotify werden wir Musik anders hören, die Charts werden auf andere Art und Weise erhoben werden und es wird wahrscheinlich nur noch zweieinhalb große Plattenfirmen geben. Naja, es könnte auch anders kommen. Zum Beispiel wenn die Majas doch Recht haben und stattdessen die Welt untergeht…

Die Idee von spotify klingt revolutionärer: Die schwedische Firma ermöglicht dem Hörer jeden Titel zu hören und dabei nur einmal oder sogar keinmal zu zahlen. Möglich wird dieses durch ein freies Angebot mit Werbung von maximal zehn Stunden monatlich (kein Song darf dabei mehr als fünf mal gespielt werden), oder ein Bezahlangebot ohne Limit für 4.99 Euro und einen mobilen Premiumservice, der es auch gänzlich ohne Internetverbindung tut – für 9.99.- Euro. Die Songs werden dabei gestreamt – respektive aus dem Cache (Premium) abgerufen. Ein Download ist nicht mehr notwendig.

In Schweden ist spotify damit seit 2009 auf dem Markt. Seit 2010 wächst der Markt wieder. Das ist gegen den globalen Trend, der nur rückläufige Musikverkäufe kennt. Scheinbar ist es jedoch genau das, was der Musikfan will: Einfach und überall die Musik hören, die er mag. In Deutschland konnte er das bisher mit spotify nicht, weil es keine Einigung mit der Autorenvereinigung GEMA gab. Die ruft zwar immer noch 0,6 Cent pro Song für wirklich interaktive, kostenlose Dienste auf (das entspricht ungefähr dem 800-fachen was pro Song/Hörer bei mir bekannten Radiosendern bezahlt wird), doch spotify wird Anfang des Jahres 2012 die bittere Pille vorerst schlucken.

Grund dafür ist, dass sich mit simfy und Juke bereits längst zwei deutsche Konkurrenten den GEMA Forderungen gebeugt haben. Beide leiden aber immer noch unter der restriktiven Freigabepolitik der großen Plattenfirmen. Deren Songs bekommen sie in der Regel erst dann, wenn die auch im Plattenladen stehen. Dennoch sind sie Wochen zuvor bereits im Radio zu hören und somit auch im Internet. Nur leider nicht legal. Die Musikindustrie versucht so den Bedarf der Hörer aufzustauen, um am Punkt des größten Marktdrucks zu veröffentlichen. Da wöchentlich erhobene Charts nicht Abverkaufsmenge, sondern Aberverkaufsgeschwindigkeit anzeigen, garantiert das den höchsten Chartentry. Es führt aber auch dazu, dass simfy, Juke und Co. der Piraterie in Sachen Vollständigkeit notorisch unterlegen sind. Napster, die illegale Download-Tauschbörse die bereits 2004 zum legalen Streamingdienst wurde, ist daran gescheitert.

Die Charts, die den Streamingdiensten das Leben schwer machen, sind aber eigentlich dazu da, den Markt zu beleben. In der digitalen Welt behindern sie ihn, in dem sie alte, analoge Angebote unterstützen. Charts haben in Deutschland nämlich nichts mit Stückzahlen und Trends, sondern mit Wert zu tun. Da ein Song als CD Single aber das vier bis siebenfache eines Downloads kostet, wird er auch ebenso oft mehr gezählt. Die im Trend liegenden Streamings werden gar nicht erst für die Charts berücksichtigt. Verfügen tut das nicht die Bundesregierung, oder das Kartellamt, sondern die Musikindustrie selbst. Ihr eigner Verband schreibt die Regeln.

Schon einmal waren die Deutschen die Hinterwäldler des Digitalen, wenn es um Charts ging. Im April 2006 war “Crazy” von Gnarls Barkley der erste Titel, der jemals ohne Tonträger auf Platz 1 der englischen Hitparade einstieg. Hierzulande wäre das nicht möglich gewesen. “Crazy” brauchte eine CD, denn als Download veröffentlichte Songs werden erst seit Ende 2008 für die Charts gezählt. Die Briten sind nun abermals einen Schritt weiter. Für ihre Top 100 zählen 1300 Streams soviel wie ein Download. Zwischen einem Download und einer CD-Single gibt es keinen Unterschied in der Wertung und vor der Veröffentlichung gestreamte Songs werden einfach aufeinander addiert. Genauso wie nach “Crazy” wird Deutschland auch diesmal seine Regularien dem Mutterland des Pop anpassen müssen. Da mit Universal, Sony, EMI und Warner all die großen Firmen an spotify beteiligt sind, wird es im Fall von Streams schneller gehen.

Apropos die großen Firmen: Bereits in diesem Jahr wurde der Schallplattenarm der EMI an die Universal und der Verlag an die Sony verkauft. Warten tut man jetzt nur noch auf das Okay der Wettbewerbshüter vom Kartellamt. Ein “Nein” gilt ob der stark verringerten Größe des betroffenen Musikmarktes nicht wahrscheinlich.

Aber nicht nur das Überleben der Plattenfirma von den Beatles, Pink Floyd, Blur und Robbie Williams ist gefährdet, auch um ihren amerikanischen Gegenspieler Warner steht es nicht gut. Im Gegensatz zu Universal und Sony fehlt ihm die kritische Größe, um in einem kleineren Markt erfolgreich operieren zu können. Dem russischen Milliardär Len Blavatnik, der den Laden im Mai dieses Jahres erworben hat, scheint das jetzt auch klar geworden zu sein. In den USA munkelt man, er suche bereits Käufer für den Verlag Warner/Chappell.

Sollte das stimmen, hätten wir Ende des nächsten Jahres vielleicht nur noch zweieinhalb große Plattenfirmen. Ohne Verlag wäre Warner kein echter Major mehr. All das kann oder wird passieren – vorausgesetzt natürlich, die Majas und ihr Kalender hatten nicht doch Recht…