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Eigentlich ist es total langweilig, die Geschichte wiederholt sich lediglich: Bereits vor mehr als 75 Jahren ging die Musikwirtschaft in die Knie. Es war ihr nicht gelungen, aus der militärischen Entwicklung Radio wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen, als diese dem breiten Publikum zugänglich gemacht wurde. Die Verbreitung von kostenloser Musik via Äther machte ihr in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts das Leben schwer. Als dann auch noch eine weltweite Wirtschaftskrise hinzukam, krachten die Umsätze auf knapp 6% dessen, was man in den guten, alten Zeiten vor dem Siegeszug des Radios erwirtschaftet hatte.
Verglichen dazu geht es der Musikindustrie heutzutage noch Gold. Dank einiger Rechentricks (seit 2002 werden von ihrem Verband plötzlich Erträge von über 125 Millionen DVD/VHS in den Tonträger-Umsatz eingerechnet) befindet sie sich hierzulande auf 60% der früheren Größe. Das Problem ist aber identisch: Die Branche ist konfrontiert mit einer ursprünglich militärischen Entwicklung die den Massen in den neunziger Jahren zugänglich gemacht wurde und ihre Musik umsonst verbreitet: das Internet. Eine vernünftige, wirtschaftliche Nutzung gelingt bislang noch nicht (der Marktanteil legaler Downloads beträgt in Deutschland derzeit jämmerliche 5% wenn man Klingeltöne nicht mitrechnet). Eine globale Wirtschaftskrise haben wir dafür diesmal auch wieder zu bieten.
Das erste Mal überwand die Musikwirtschaft ihr Leiden im Laufe von zwanzig Jahren durch drei sehr konkrete Maßnahmen: 1. Der Preis für das in die Jahre gekommene Format Schellack wurde von 75 auf 35 Cent gesenkt, 2. mit HiFi wurde eine technische Innovation forciert, 3. mit dem Senderecht und einen Einigungszwang für Vergütung zwischen Radioveranstaltern und Urheber- und Leistungsschutzrechtsinhabern wurde vom Gesetzgeber Planungssicherheit und ein wirtschaftlicher Ausgleich geschaffen. In der Folge wurde die kranke Musikwirtschaft zur globalen Erfolgsstory mit traumhaften Zugwachsraten. Da man das alles schon einmal durchlebt hat und diesmal kein Weltkrieg die Umsetzung von Lösungsmöglichkeiten behindern sollte, kann es keine 20 Jahre brauchen, bis die Branche wieder rund läuft. Vorraussetzung ist, dass man aus der Geschichte lernt und nicht Fehler wiederholt.
Offensichtlich waren es drei Faktoren, die der Musikwirtschaft den Wandel zum Guten brachten: Preis, Darreichungsform und Rechtssicherheit. Wendet man diese auf die aktuelle Situation an, kommt man ziemlich schnell zu dem Modell Flatrate. Diese bietet einen anderen, potentiell geringeren Preis pro Titel; eine neue Nutzungform und so es gesetzliche Regelungen mit den ISPs (also den Anbietern von Internetanschlüssen) gibt, auch eine neue Form der Rechtssicherheit.
Genauso wenig begeistert wie sie bislang von Flatrate-Modellen sind, waren die Majors dereinst von Senderecht und dem Kontrahierungszwang im Rundfunk. Als die europäischen Regierungen eine nach der anderen verfügten, dass jede Radiostation jeden Titel spielen dürfe, sobald dieser zum ersten mal veröffentlicht worden sei, sprachen die großen Labels von Enteignung. Im Ausgleich für das so genannte Senderecht wurde jedoch festgelegt, dass die Rechteinhaber einen Anteil von Werbung oder Gebühren zu erhalten hätten. Auf dessen Höhe und Bemessungsgrundlage sollte man sich untereinander mit den Radios einigen. Ohne Einigung, so die Drohung und das Konzept, würde der Staat über einen Schlichter eine Vergütung erzwingen.
Die großen Plattenfirmen wehrten sich vehement gegen diese Idee, weil das Senderecht ihre Macht zu schmälern drohte. Absprachen, dass man den Song eines Stars als erster bekommt, wenn die Station dann auch einen anderen, weniger beliebten spielt, waren nicht mehr möglich. Genauso hatten sich Gebühren die man für eine Erstaufführung von neuen Hits erheben konnte, für die marktbeherrschenden Firmen in der Sozialisierung einer gemeinsamen Abgabe an GEMA und die Verwertungsgesellschaft GVL erledigt. Auf Seiten der Radios mochte man sich auch ungern vom prima Geschäftsmodel verabschieden, Content und somit Sendeinhalte in der Regel umsonst verbreiten zu können. Allerdings war man gesprächsbereit, denn man sah den Vorteil der Planungssicherheit. Die per Gesetz forcierte Einigung war am Ende aber zum Nutzen aller. Die Schiedsstelle musste bis heute nicht einmal einberufen werden.
Auch diesmal sind es nicht die Kanäle, in diesem Fall also die Telekommunikationsgesellschaften, die sich völlig einer Flatrates verwehren. Natürlich möchten sie nicht zu solchen als Bestandteil eines Internetanschlusses per Gesetz gezwungen werden, aber generell haben auch sie verstanden, dass sie nicht endlos werden davon profitieren können, dass über ihre Leitungen und Anschlüsse die Rechte Dritter verletzt werden. Einige verhandeln längst mit der Musikindustrie über Wege wie sie ihre eigenen Internetanschlüsse mit gut aufbereiteten Musikangeboten aufwerten könnten. Die Majors zeigen sich abermals sperrig: Ihre Sorge ist, dass eine echte Flatrate, die alle Neuheiten beinhaltet, sobald diese ans Radio gegangen sind, ihren kompletten Katalog abbildet und als Download verfügbar macht, auch wenn das jeweilige Flatrate-Abo abgelaufen ist, zur endgültigen Erosion ihres Geschäfts führen könnte.
Die Situation ist genau die gleiche wie vor Einführung des Senderechts: Wer keine Tonträger kaufen mag, bekommt im Internet bereits alles geboten um diese zu ersetzen. Genauso wie manche Aufführung die damals im Radio lief, ist das häufig illegal, jedoch ohne tiefen Einschnitt in die Freiheit der Kommunikation nicht zu verhindern. Kauft der Musikfan dennoch eine CD, dann hat er einen Grund dafür, der durch die Einführung einer Flatrate die mit den Torrent-Trackern konkurrieren könnte, nicht wegfallen würde. Flatrates würden legale Download-Portalen wie iTunes und Musicload (alle zusammen erzielten 2008 knapp 80 Millionen Umsatz) das Leben schwer machen, nicht mehr, nicht weniger.
Laut einer von der Industrie in Auftrag gegebener GfK Studie gibt es in Deutschland 14.3 Millionen Musikkäufer. Das sind 17.4 % der Bevölkerung und diese geben im Schnitt mehr als 9 Euro pro Monat für CDs und Downloads aus. Würde man den 31.8 Millionen Kunden der ISPs eine Musikflatrate anbieten, die in bester Datenqualität für 9.99 Euro im Monat legal alle verfügbare Musik zum Download vorhält, sobald sie ans Radio und zu Journalisten gelangt und prozentual der gleiche Anteil an Musiknutzern diese annehmen, entstünde ein Umsatz der jährlich über 663 Millionen beträgt. Das ist bereits mehr als die Hälfte dessen, was die Industrie 2008 mit CDs erzielen konnte. Dieser Umsatz hätte für die Labels eine viel höhere Margin (die Tonträgerfertigung, Vertrieb und Retouren entfallen und somit steigen die Gewinne) und wäre zu Teilen nicht substituierend, sondern additiv.
Solche Gedanken wurden auch im letzten Monat auf der all2gethernow in Berlin diskutiert. Die dort vertretenen Musikwirtschafts-Lobbyisten und Labelmacher bemühten sich sofort danach festzustellen, dass man sich ob der bloßen Diskussion auf solche Ideen noch lange nicht geeinigt habe. Ihr Branchenblatt „Musikwoche“ nannte, ohne seine Meinung zu begründen, diese Flatrate-Modelle „Eine Milchmädchenrechnung“. Die Fronten sind völlig verhärtet zwischen denen, die wie die Industrie eine autoritäre (Kontrolle des Internets, wie immer das auch gehen soll), wie Teile des linken Spektrums eine etatistische (Einführung einer staatlich erhobenen Kulturflatrate, wie immer man die auch verteilen will) oder wie viele aus der Netz-Welt eine anarchistische (keine Bezahlinhalte mehr, was immer dann auch die Vergütung kreativer Arbeit sein soll) Lösung anstreben.
Eine in unserem System der Marktwirtschaft funktionierende Lösung kann aber immer nur eine sein, die ein Angebot beinhaltet, was mindestens so gut ist, wie das der Konkurrenz. Dabei spielt es, wenn man gegen ihn bestehen will, leider keine Rolle, ob der Wettbewerber ein legaler oder illegaler Anbieter ist. Akzeptiert man das jetzige, mehrheitliche Nutzerverhalten im Netz als Realität und versucht ein Angebot zu machen, dann führt kein Weg an einer Form der Flatrate vorbei. Wenn sich dieser Gedanke bei der Industrie und den Verbänden durchsetzt oder diese im Interesse der von ihnen vertreten Künstler von der Gesetzgebung zu einer Einigung gezwungen werden, dann könnte dass das Ende der Krise der Musikindustrie sein.
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