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„Er ist weg, weg – und wir sind wieder allein, allein“ . Kein Königskind für Deutschland, kein siegesgewisser Strahlemann mehr in der Tagesschau. Die Bildungsbürger atmen seit Anfang dieser Woche auf, weil der als Halbgott verklärte Hochstapler gegangen ist. Das gemeine Volk weint derweil gequält in seine BILD Zeitung hinein. Laut aktueller Stern-Umfrage sind noch immer fast zwei Drittel der Bevölkerung der Meinung, der Doktor a.D. zu Guttenberg hätte nicht zurücktreten sollen. Sind wir von lauter durch den Boulevard manipulierbaren Idioten umgeben, den man eigentlich das Wahlrecht entziehen müsste?
Schröder funktionierte medial allerdings ähnlich wie zu Guttenberg: Beide produzierten Bilder (der eine mit Gummistiefeln im Oderbruch, der andere mit Splitterweste auf dem Flughafen von Marza E Sharif oder mit Gewinnerlächeln auf dem Times Square), beide suchten die Nähe zu Rockstars (was dem einen U2 oder Westernhagen waren, war dem Freiherren halt AC/DC), beide saßen während der Amtszeit bei “Wetten Dass” auf der Couch, beide hatten nichts dagegen im popkulturellen Kontext aufzutauchen (der eine gesampled mit “Hol mir mal ne Flasche Bier…”, der andere als vermeintlicher DJ auf Veranstaltungen der Jungen Union).
Dieser lockere Umgang mit Pop ist ungewohnt in der Politik. Politiker sind gemeinhin graue Mäuse, lassen sich lieber beim Walzer oder in der Oper ablichten, denn rockend im Mosh Pit. Sie suchen damit die Allianz mit dem Bildungsbürgertum, schaffen so aber Distanz zu einem Volk, welches sich seit langem mehrheitlich popkulturell sozialisiert hat. Weshalb haben Politiker so oft Angst vor zeitgenössischer Kultur und kontemporären Vergnügen?
Ein ehemaliger Finanzminister aus einem großen Bundesland, der selbst als einer der wenigen Quereinsteiger in die Politik kam, erklärte mir das Phänomen aus seiner Sicht:
Seiner Meinung nach handelt es sich bei den meisten Politikern um eine Gemeinschaft von Ungeliebten, die zusammen halten, bis sie an der Macht sind.
Der Mann hat eine Agenda, er wurde von den eigenen Kollegen aus dem Ministerium gemoppt. Dennoch leuchtet sein Erklärungsmodell ein. Der Einstieg in die Politik über Jugendorganisationen führt zu einer anderen Sozialisation als diejenige, die das später zu regierende Volk erfahren hat. Das klingt nach Parteiabend statt Party, nach Programmdiskussion statt Petting, nach kungeln statt kiffen. Schröder und Guttenberg haben sich als Lebemänner wahrscheinlich unbewusst dagegen positioniert und wurden dafür von einem breiten Publikum geliebt, das auch ansonsten bei Unvernunft schnell verzeiht. Egal ob Seehofer fremd schwängert, Friedmann kokst, oder der junge Joschka prügelte – der Wähler hat vor niemandem Angst, der tut was er sich selbst vorstellt tun zu können.
Deshalb ist auch die Doktorarbeit des Freiherrn für die meisten kein echtes Problem gewesen. Spätestens seit “Pump Up The Volume” von M/A/R/R/S, einem Nummer eins Hit aus dem Jahr 1987, weiß jeder Radiohörer – und somit die absolute Mehrheit der Bevölkerung – dass aus Zitaten anderer ein komplett neues, aber eigenständiges Werk entstehen kann. Das Stück bestand rein aus Samples, ähnlich wie der Roman von “Axolotl Roadkill” von Helene Hegemann. Beide verschwanden, nachdem das aufflog, auch nicht aus den Bestsellerlisten. Während im Feuilleton über “Copy/Paste” diskutiert wurde, kaufte der Kunde was ihm gefiel. Medienmacher können das jedoch nicht gut finden, ihr Geschäftsmodell und Selbstverständnis basiert auf einer traditionellen Interpretation des Urheberrechts. Bei der Wissenschaft hängen sogar einige der Grundwerte daran. Eine entspannte Wertung ist da unmöglich.
M|A|R|R|S – PumpUpTheVolume
Es ist das Unverständnis für Pop und ein Intressenskonflikt in Sachen Digitalisierung, welche momentan den Graben zwischen Politik und Medien auf der einen und Boulevard und Publikum auf der anderen Seite aufreißt. Beide Gruppen werden sich bewegen und hinzulernen müssen. Die einen müssen sich endlich mit den digitalen Realitäten und den kulturellen Wirklichkeit auseinandersetzen, die anderen müssen aus ihrer popkulturellen Position heraus sorgfältiger gucken und werten. Tun sie das, werden sie feststellen, dass Guttenberg nicht sehr viel mehr war als Dieter Bohlen: Eine sich immer wiederholende Pose mit wenig originärer Schaffenskraft, deshalb teilweise unterhaltend aber hauptsächlich unwichtig. Das kann, muss Pop aber nicht sein!
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