Wer in Berlin zu Hause bleibt ist ein Sonderling. Denn egal ob Eingeborener oder Zugereister, alle haben hier scheinbar gemeinsam, dass sie notorisch neugierig und deshalb überall schnell mit dabei sind. „Keine Feier ohne Meier“ heißt das hier. Egal ob am ersten Mai in Kreuzberg Steine geschmissen oder in Berlin-Mitte beim Rundgang die Galerien besucht werden, der Berliner macht mit und fragt sich im Zweifel erst danach, warum eigentlich.
Eindrucksvolles Beispiel: Man brauchte nur zwei große Puppen am Tag der Deutschen Einheit durch die Stadt wanken lassen und Millionen kamen und guckten. Wie viel Spaß der Drang der Berliner zum Feiern und Teilhaben machen kann, wurde der ganzen Welt spätestens während der WM 2006 durch eindringliche Bilder von der Fanmeile vorm Brandenburgertor bewusst. Seitdem boomt Berlin als Reiseziel derjenigen, die mit machen wollen.


Fanmiele Berlin 2006

Wenn Berlin in der Vergangenheit eins fehlte, dann war das hingegen Solidarität. Die Massen kamen miteinander, die Veranstalter agierten gegeneinander. Als man geteilt war, gab es viel zu verteilen. Beide Seiten der Stadt wurden schließlich mit öffentlichen Mitteln ordentlich gefördert. Der eine gönnte dann dem anderen den Publikumszuspruch nicht, der könnte ja im nächsten Jahr seine Mittel bekommen. Die Loveparade war ein perfektes Beispiel. Statt den Event zu modernisieren und zu retten, wurden ihm von potentiellen Partnern und der städtischen Verwaltung immer mehr Steine in den Weg gelegt. Irgendwann war er dann Weg und schließlich überflüssig.

Das könnte heutzutage nicht mehr passieren. Die Stadt ist pleite und das befriedet sie ungemein. Da es nichts mehr geschenkt gibt, hat man gelernt, dass nur Zusammenhalt hilft, wenn man etwas bewegen und/oder Geld verdienen will. Die Galerien und Museen haben es vorgemacht. Dass Berlin die Hauptstadt der Künste ist, war bekannt. 2005 arbeiteten erstmals die Mehrheit der auf der Biennale di Venezia gezeigten Maler und Bildhauer in den Ateliers der Stadt. Was fehlte waren die Käufer ihrer Werke. Egal ob Underground oder etabliert, man kann nicht auf den Nachbarn als Kunden setzen, sondern muss ihn von außerhalb anlocken.

Diese Einsicht aller Beteiligten ließ das Gallery Weekend entstehen. Zum sechsten Mal zeigen alle Galerien ihre „Frühjahrskollektion“ und lassen dafür ihre Häuser sowohl im noblen Zehlendorf als auch im toughen Neukölln vom Donnerstag bis kommenden Montag durchgängig für Touristen und Einheimische offen.

Ganz so einfach geht das nicht in allen Bereichen der Kreativwirtschaft. Bei uns, im Feld der Pop-Musik fehlt noch der Event, der die ganze Stadt mobilisiert. Die Popkomm hätte es sein sollen. In Köln brachte sie in ihren guten Tagen die Messehallen zum brummen und die Stadt im Rahmen des Ringfestes zum feiern. Als sie nach Berlin geholt wurde, waren die Musikindustrie und ihre Messe schon stark geschwächt. Mit dem Internet droht ihr altes Geschäftsmodel zu verschwinden. Die Messehallen draußen im Westend wurden ein Sterbehospiz einer ehemals stolzen Branche, da die Veranstalter keine neuen Themen fanden. Die Stadt bekam von dem Treiben nur noch in Form einiger obskurer Konzerte mit: Das Exportbüro liess wilde Finnen durchs „White Trash“ toben. Im letzten Jahr gab man dann schließlich auf. Die Popkomm wurde abgesagt.

Am kommenden Montag den 03.05. soll im Rahmen einer Pressekonferenz verkündet werden, dass sich alle zusammengerauft haben und Berlin wieder einen gemeinsamen Musik-Event bekommt. Die Messe vergisst ihre alten Hallen und vermietet dafür im Flughafen Tempelhof Flächen für eine neue Popkomm. Die All2gethernow (kurz a2n) vergisst, dass sie von neuartigen Musikunternehmen wie uns zusammen mit Vertretern der Open Source Szene gegründet wurde, um eine Antwort auf das Ende der Popkomm zu sein. Stattdessen werden wir vor Ort die Themen setzen und diese vorab in Barcamps zugespitzt haben. Die Kollegen vom intro werden die Hangars und Außenflächen von Tempelhof nutzen um dort beim Berlin Festival die Elite der Elektronischen Musik (von LCD Soundsystem bis Fever Ray) aufspielen zu lassen. In der selben Woche werden Berlin Music Commission und Club Commission dafür sorgen, dass auch anderorts in der Stadt die Bühnen ein außergewöhnliches Programm bekommen. Die einen wollen Flächen verkaufen, die anderen Themen setzen und die dritten Musik aufführen. Fürs eine braucht es Quantität (nur mit vielen Besuchern lassen sich gute Standpreise erzielen), fürs andere Qualität (nur mit interessanten Besuchern kann man neue Erkenntnisse gewinnen) und Konzerte und Festival brauchen beides. Eine Einigung über Inhalte und Kosten (und somit Eintrittspreise) ist somit nicht leicht. Es wäre aber fahrlässig, wenn sich nicht alle bemühen würden. Eine gemeinsame Berlin Music Week liegt auf der Hand. Die Welt guckt auf Berlin, wenn sie Deutschland meint und die Hauptstädter sind zu allem bereit, wenn es ums Feiern geht. Deshalb wird hier vom 06. bis zum 12. September um die Zukunft der Musik gerungen und sie dann auch reichlich genossen: „Keine Feier ohne Meier!“