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Kulturflatrate: Positionspapier für ein Phantom

Seit letzter Woche sind wir schlauer: Der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) hat in einem Thesenpapier seinen Mitgliedern und der Welt mitgeteilt, weshalb er die Idee einer Kulturflatrate ablehnt. Viele wissen nicht so genau was eine Kulturflatrate ist, die meisten nicht, woher das kommt, aber fürchten tat man sie in vielen Chefetagen großer Plattenfirmen trotzdem schon vorher.

Bei dem Phantom Kulturflatrate handelt es sich jedoch lediglich um die nahe liegende Idee, reales Tun zu legalem Tun werden zu lassen. Ähnlich wie die Privatkopie in Form von gebrannten CDs oder kopierten Kassetten schon seit den 60er Jahren verbrieftes Recht eines jeden Bundesbürgers ist, soll im Rahmen der Kulturflatrate auch Filesharing vom Gesetzgeber legalisiert werden. Eine pauschale Gebühr für die Urheber ist bereits heute Bestandteil eines jeden Preises der für CD-Rohlingen oder Brennern vom Konsumenten gezahlt wird. Leermedienabgabe nennt sich das und fließen tun die damit generierten Millionen über die GEMA in Richtung Autoren sowie mittels der GVL an die Produzenten und somit auch zu den Plattenfirmen. Analog dazu würde durch eine Kulturflatrate jeder Internetanschluss mit einer Pauschalabgabe für die genutzten Rechte belastet und die Einnahmen an die Rechteinhaber verteilt. Die Grünen sind dafür, die Sozialdemokraten wollen das laut Parteiprogramm zumindest prüfen.

Die Verbände der Musikwirtschaft, egal ob groß ob klein, ob Indie oder Major, setzen bislang auf Verbote. Frankreich, wo Filesharer vom Internet abgeklemmt werden, sobald sie zum dritten Mal beim Download erwischt wurden, gilt als Vorbild. Verfassungsrechtlich ist das in Deutschland nicht durchsetzbar. Der Artikel 5 des Grundgesetztes der jedem Bürger freien Zugang zu Informationen gewährleistet, steht dem entgegen. Die schlauen Funktionäre des BMVI wissen das. Das ist wahrscheinlich die eigentliche Botschaft dahinter, dass sie gerade jetzt aus heiterem Himmel ihren10 Punkte Kanon contra der Kulturflatrate veröffentlicht haben (http://www.musikindustrie.de/aktuell_einzel/back/84/news/positionspapier-zur-kulturflatrate). Sie beklagen darin (Position 1), dass die Kulturflatrate auch von Bürgern bezahlt werden müsste, die sie vielleicht gar nicht nutzen würden. Sie stört (Position 3) zudem, dass eine solche Gebühr sich nicht sozial differenzieren und somit die Schwachen im Verhältnis mehr belasten würde. Ihnen ist es ein Graus (Position 5) so wörtlich, dass somit Beethovens 9 und ein Pornofilm bezüglich ihres Marktwertes auf die selbe Stufe gestellt und in der Konsequenz die Kultur verflachen würde. All das wäre nachvollziehbar, wenn dieselbe Industrie die Einnahmen der Leermittelabgabe ablehnen würde, sobald sie von Brennern generiert wird über die keine Musik kopiert wurde; wenn sie CDs und Downloads für Hartz IV Empfänger zum halben Preis anbieten würde und wenn sie für die Platten ihrer DSDS Eintagsfliegen nicht meist mehr verlangen würden als für ihre Schätze aus dem Rock- und Klassikkatalog.

Das wirklich stechende Argument des Verbandes ist die Sorge vor der Abschaffung der Marktwirtschaft in der Musikkultur. Die Sorge scheint berechtigt, denn so absurd es klingt – Rock und Pop brauchen die Marktwirtschaft um sich überhaupt weiter entwickeln zu können. Verteilt man die in einer Kulturflatrate erhobenen Gebührengelder nämlich wie eine Kulturförderung, kann das im Sinne der Erneuerung kaum klappen. Welche offizielle Stelle hätte in den 70er Jahren Punk gefördert, der damals als Krach begriffen wurde? Welche Regierungspartei hätte sich in den 80er für Techno stark gemacht, was man als monotone Spaßwelle ansah? Selbst die Verteilung über die Ergebnisse einer freiwillig von den Nutzern aktivierte Screening Software, wie sie manche Befürworter der Kulturflatrate als Lösungsmodel propagieren, klingt wenig hoffnungsvoll für Nischen und ungewöhnliche Ideen. Sie soll das wirkliche Nutzungsverhalten beim Surfen und dem Download über diverse Portale dokumentieren, die Logik erinnert aber gefährlich an eine Online Version des GfK-o-Meters. Mit diesem werden am Fernseher in einigen, wenigen Haushalten von Freiwilligen die TV Nutzung gemessen. Was bei dieser Art Meinungsumfrage heraus kommt, ist bekannt und mit dem täglichen TV-Horror von Gerichts- und Castingsshows die sich nach den in Quoten gemessen Erfolg orientieren, einschlägig dokumentiert. Will man als Verfechter einer Kulturflatrate eine Verengung der Musikkultur auf dem Niveau von Privatfernsehen?

Neu an dem Papier des Verbandes ist, dass erstmals Fragen gestellt (Position 10) und nicht lediglich Standpunkte verteidigt werden. Vieles ist in der Diskussion über die Kulturflatrate tatsächlich noch überhaupt nicht definiert (wie verhält es sich mit anderen digital vertriebenen Gütern jenseits von Musik? Wer oder was entscheidet über Höhe und Verteilung einer solchen Abgabe? Wie wird zwischen den unterschiedlichen Bezugsberechtigten differenziert?).

Wer Fragen stellt, ist neugierig und signalisiert eine generelle Gesprächsbereitschaft. Viele möglichen Antworten würden sich erübrigen, wenn die Rechteinhaber, selbst die Marktwirtschaft nutzten und einer Kulturflatrate zuvor kommen würden. Würden sie eine Flatrate anbieten, die mindestens so gut ist wie das, was man sich als Konsument mühsam und illegal über Torrent-Tracker besorgen muss, wäre die ganze Diskussion nämlich obsolet. Es wäre eine freiwillige Flatrate to keep, die alle Musik dann in bester Qualität anbietet, sobald sie das erste Mal im Radio gelaufen, oder an die Medien bemustert ist. Verbunden mit einer guten Aufbereitung/Beratung wäre das eine hoch attraktive Dienstleistung, die der illegalen Konkurrenz klar überlegen wäre. Für alle die, die wenig Zeit aber ein bisschen Geld haben, wäre so etwas ein Traum. Auf der Suche nach dessen Erfüllung begehen sie heute einen Rechtsbruch und nehmen allerlei Widrigkeiten in Kauf. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie zahlen, würde man es ihnen nur einfach machen, ist sehr hoch. Für die Künstler, wäre eine solche Flatrate da Servergestützt und daher nutzungsgerecht abzulesen und abzurechnen, eine faire Form der Distribution und Entlohnung. Für den Verband wäre sie der beste Weg zu beweisen wie eine Alternative zu der Kuturflatrate aussehen könnte. Lediglich die Kids, traditionell mit viel Zeit aber wenig Geld versehen, kann man damit wahrscheinlich noch nicht für sich gewinnen. Man muss das auch nicht zwingend, schließlich ist der durchschnittliche Plattenkäufer bereits 37 Jahre alt. Geklaut haben die Teenager zudem Musik schon immer. Früher hat es halt nur der Plattenhändler und nicht die Plattenfirma zu spüren bekommen.

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