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In Amerika werden erste Stimmen laut, die wegen den Aktivitäten von Wikileaks die Todesstrafe für Datenklau und deren Veröffentlichung fordern. Erschrocken und amüsiert zugleich, fragt man sich da als Musikwirtschaft, ob man vielleicht zu milde mit den Piraten und anderen Urheberrechtsverletzern war…
Ab 1982 haben wir unsere Daten digitalisiert, auf CD gepresst und verkauft. Anfangs jubelten unsere Controller über diese Digitalisierung genauso wie Eure Geheimdienste. Wo Euer CIA und die anderen Dienste glaubten, mit den digitalen Daten einen Erkenntnisgewinn zu haben, freuten sich unsere Erbsenzähler über die damit verbundenen Gewinnsprünge. Bis Ende der Neunziger wurde abgesahnt: Die Konsumenten kauften oftmals das, was sie bereits anlog auf Vinyl besaßen, nur jetzt halt digital auf CD zum doppelten Preis. Dankeschön – Für die Musikwirtschaft war das ein herrliches Geschäft.
Früher als Ihr mussten wir aber feststellen, dass die Sache auch einen Haken hat. Mit der Einführung des CD Brenners wurde klar, dass Digitalisierung kein Original mehr kennt. Unsere Musik wurde auf selbstgebrannten CDs auf Schulhöfen und in Uni-Mensen verteilt und schließlich auch über’s Internet. Natürlich waren wir zornig. Ich erinnere mich noch an das hochrote Gesicht meines Chefs, des damaligen Präsidenten der Universal, wenn das Thema auf Datenkopien kam. Als ein Mitarbeiter in einem Meeting von jugendlichen Fans sprach, die mit modernen Technologien herumspielten, sprang er auf und schrie ihn an: “Das sind keine Fans, das sind Kriminelle und die gehören zerschmettert.”
Das klingt bei Sarah Palin nicht sehr viel anders, wenn sie über Wikileaks spricht. Manche ihrer Parteifreunde wie der ehemalige Gouverneur von Arkansas gehen da sogar noch einen Schritt weiter: Er fordert die Todesstrafe. Sind Daten erst einmal digitalisiert, kann man sie nur noch schwer oder gar nicht kontrollieren. Das ist eine bittere Erkenntnis. Da platzt einem schon mal der Kragen. Aber verglichen mit Euch waren wir in unserer Reaktion fast milde. Familienväter und Mütter von Urheberrechtsverletzern wurden von uns mit Klagen über hundertausende von Dollar überzogen, nach Leib und Leben trachten wir ihnen nicht. Naja, wir verloren durch Datenkopien ja auch nur Geld, ihr aber Glaubwürdigkeit.
Vielleicht hat Shawn Fanning auch einfach Glück gehabt, dass wir keine Geheimdienste haben. Hinter Gittern haben wir unseren Lieblingsfeind und Begründer von Napster nämlich bis heute nicht bekommen. Dafür haben wir seinen Laden platt gemacht, die Justiz war da in Form der Richterin Pattel aus Kalifornien auf unserer Seite. Geholfen hat uns das allerdings nicht.
Genauso wie längst über 200 Seiten die Wikileaks Informationen spiegeln, war die richterlich angeordnete Schließung von Napster nur der Auftakt für neue Modelle zum Austausch von Musik. Auf die, wie zum Beispiel im Fall von von Pirate Bay, haben wir dann auch ordentlich draufgeschlagen. Die schwedische Justiz können wir empfehlen. Sie zeigte sich bei uns äußerst kooperationsbereit, verknackte die Pirate Bay Betreiber. Die Folge war jedoch eine neue Protestbewegung gegen unsere Anliegen samt eigner Partei.
Lieblingsfeind Evil Napster machte der Musikbranche das Leben schwer.
Egal was wir auch versuchten, digitale Löcher ließen und lassen sich nicht stopfen. Kopierschutz, Rechtsschutz, Abmahnungen, Abschreckung, alles für die Katz. Mittlerweile haben wir als Musikwirtschaft die Hälfte unseres Volumens und unserer Macht eingebüßt. Von der einst traumhaften Profitabilität wollen wir hier gar nicht erst reden, Amerika.
Willst Du für Dein Land unser Schicksal vermeiden, dann akzeptiere die Fakten der Digitalisierung. Wir müssen auf Künstler und Konsumenten zugehen und versuchen, die Digitalisierung für einen neuen Deal untereinander zu nutzen. Bei Euch geht es um Bürger und Weltgemeinschaft, mit denen und für die ihr ein neues Verständnis entwickeln müsst.
Ich weiß, das ist einfacher gesagt als getan. Tut Ihr das aber nicht, hilft nur der Weg zurück: Sven Regener von Element of Crime fragte mich einmal, weshalb wir nicht einfach alles wieder nur auf Vinyl veröffentlichen würden, das sei doch der einzig mögliche Kopierschutz. Der Mann hatte recht. Wollt Ihr also nicht mehr Bestandteil der digitalen Welt sein, dann raus mit all den Computern aus den Amtsstuben, Botschaften, dem Capitol, Pentagon und dem Weißem Haus! Betreibt Ihr die Reanalogisierung der USA konsequent, hat Wikileaks schweres Spiel: 250.000 Aktennotizen bekommt niemand physisch in Ordnern bewegt, ohne dass Ihr das lange vor der Veröffentlichung bemerkt!
Eine Welt mit einem gestrigen, weil analogen Amerika wäre aber ärmer. Deshalb gebt Euch Mühe, die Konsequenzen der Digitalisierung nicht zu bekämpfen, sondern zu erkennen und zu meistern. Wir von der Musikwirtschaft versuchen es ja mittlerweile auch.
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