Erinnert sich noch einer an Tom? Tom war Dein Freund auf MySpace. Er war dort Dein erster Freund, denn Tom Anderson der Mitbegründer des musikalischen Netzwerks wurde automatisch geadded, sobald Du beigetreten bist.

Sein vergnügter Blick über die linke Schulter war das Startsignal für das Abenteuer Socialmedia aller Musikbegeisterten. Hinter Freund Tom war eine beschriebene Tafel zu sehen. So anarchisch chaotisch wie das Geschmiere daran, so war auch das frühe MySpace. Seit Dienstag ist das neue Myspace online. Tom ist weg, dafür ist plötzlich Justin Timberlake da. Der ehemalige Boygroup Sänger (N-Sync) hat sich beteiligt, als das soziale Netzwerk für 35 Millionen unter den Hammer kam. Er ist jetzt Gesellschafter und Aushängeschild zugleich. Deshalb wurde auch seine neue Single “Suite & Tie” zuerst auf MySpace vorgestellt. Die Amerikaner lieben sie. 400.000 Downloads gab es schon in der ersten Woche für den Song der klingt wie eine R&B Version von Fahrstuhlmusik. Die meisten kamen über die eigene Plattform: MySpace.

Vielleicht ist Timberlake wirklich der richtige Mann für den Relaunch. Immerhin war er schon einmal Sean Parker. Zumindest als er ihn in Finchers “Social Network” spielte. “A Million Dollar isn’t cool” raunt Timberlake als durch die Napster Erfahrung gestählter Jean Parker in dem Film Zuckerberg zu. “I tell you what is cool. A billion Dollar is cool.” Sean Parker wurde mit Facebook Milliardär. Diesen Part aus dem Script hat sich Timberlake offensichtlich gemerkt. Timberlakes MySpace hat mit dem von Tom Anderson wenig gemein. Statt Studentenspass erwartet einen strukturiertes, amerikanisches Entertainment. Man wird (auch als altes MySpace Mitglied) abgefragt was man eigentlich ist (Venue? Brand? Write? Musician?), dann geht es weiter zu Justin Timberlake, Timbaland und Beyonce. Die Troika wartet gleich auf Seite eins darauf, dass man sie added. Denn bei New MySpace steht nicht die Community im Vordergrund, sondern die Musik.

Songs und Interpreten werden jetzt empfohlen, Musik lässt sich in Mixes zusammenfassen, ein Radio auf Basis von Algorithmen starten und das alles auf einem klaren, aufgeräumten Hintergrund. Der Konkurrent ist nicht das amerikanische facebook (man kann sich über facebook sogar beim neuen MySpace anmelden), angegriffen werden spotify aus Stockholm und Soundcloud aus Berlin. Timberlake und Co glauben offensichtlich, das man die Chance das Operating Systems für Social Media zu sein, historisch vergeigt hat und hoffen nun dergleichen für Musik zu werden.
Aus amerikanischer Sicht ist das nachvollziehbar. Zwar scharwenzelt der echte Sean Parker mittlerweile bei spotify mit rum, dafür fehlen denen die großen Musiker, die sich für sie einsetzen würden. Im Gegenteil, einige Musiker beschweren sich lauthals, weil sie nicht verstehen, dass pro Stream bei spotify so viel weniger abgerechnet wird, als bei Downloads. Soundcloud wiederum setzt so rein gar nicht auf Namen. Hier geht es um die Musik und die Interaktion mit ihr.

Justin Timberlake feat. Jay-Z – “Suit & Tie”

Was Timberlake und Co jedoch nicht verstehen ist, dass man Amerika nicht mit dem Rest der Welt gleichsetzen darf. Natürlich sind er, Timbaland und Beyonce weltbekannt, aber anders als in den USA kann man anderswo auch mit großen Namen zum Start gleich verschrecken. Besonders die vielen Musiker, die sich bei Soundcloud zu Hause fühlen und die man jetzt auch gerne bei MySpace wieder mit von der Partie hätte. Die Tatsache, dass alle mehr oder weniger aus einem Genre kommen, macht die Sache in einer diversifizierten Musikwelt noch schwieriger. Man merkt zudem, dass die 200 verbliebenen Mitarbeiter fast alle aus den USA heraus arbeiten. Während spotify das Angebot für jedes Land angleicht, sollen bei Myspace alle mit einer Ansprache und einer initialen Auswahl glücklich werden.

Dank der alten Musikdatenbank von unzähligen Bands auf MySpace schimpft man sich von Start weg “das größte Musiknetzwerk der Welt”, aber sympathischer macht das einen auch nicht. Der Relaunch ist zu geleckt, wirkt auf den Europäer unecht. Timberlake stellt eben Sean Parker nur dar, während Tom Anderson angeblich ein echter Musiknerd war.