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Willkommen in Babylon

Alle wollen hoch hinaus:
Die Musikindustrie träumt von Umsatzzahlen aus dem Jahr 1998 und Renditen um die 20%, wie sie ihr damals zum Peak des CD Verkaufs noch beschert wurden, wenn sie über die Zukunft redet.
Die Musiker wünschen sich in digitalen Umfeldern deutlich mehr Freiheit und wirtschaftliche Unabhängigkeit, versuchen sich teilweise von den Apparaten der Musikindustrie zu entkoppeln und ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.
Die meisten Konsumenten verlangen alle Musik zur sofortigen und einfachen Nutzung durch Download, also eine Freiheit, wie man sie vor 10 Jahren Dank Napster schon genossen hat.

Alle haben aus ihrer Sicht einen Punkt:
Wieso sollte die Musikindustrie geringere Ansprüche an ihre Werthaltigkeit stellen, als sie die schon unter einem anderen Geschäftsmodell bewiesen hat?
Wieso sollen in der Digitalisierung Musiker noch Apparate mitfinanzieren, die von ihrer Dimension auf den Vertrieb physischer Güter ausgelegt sind?
Wieso sollte ein Konsument für etwas zahlen, was er im Zweifel, wenn auch illegal, per Torrent-Tracker schneller und besser umsonst bekommen kann?

Alle reden in einem babylonischen Stimmgewirr aneinander vorbei und verlangen Unmögliches:
Die Musikindustrie kann sich einem neuen Geschäftsmodel nur verwehren, wenn es ihr gelingen sollte, die totale Kontrolle über ihre Rechte im Netz zu behalten. Totale Kontrolle und Internet gehen aber mit den existenten Bürgerrechten, die die Grundlage der Gesellschaft bilden, nicht zusammen.
Die Musiker werden nur dann in der Lage sein alle ihre Rechte für sich zu behalten, wenn ihre Kapitalisierung sichergestellt ist. Für die Großen ist das kein Problem, für die, die noch groß werden wollen jedoch nahezu unmöglich. Das was sie als Musik produzieren, ist ein immaterielles Wirtschaftsgut und darauf bekommt man, solange wie die Grundregeln der Finanzwirtschaft (Basel 2) nicht geändert werden, nicht einmal Kredite.
Der Konsument wiederum kann nicht erwarten, dass sich eine spannende Musikkultur auf Dauer entwickelt, wenn keiner bereit ist, in diese langfristig zu investieren. Weshalb sollte aber jemand investieren wenn sich Erlöse mit ihr direkt nicht mehr erzielen lassen? Die Frage bleibt zumindest so lange unbeantwortet, wie die Regeln der Marktwirtschaft bestand haben. Selbst ein Ende dieser im Internet hilft nicht weiter: das staatliches oder über Spenden gesteuerte Systeme im Sinne der Kreativität und Vielfalt wären, ist nicht wirklich anzunehmen.
Also kommen alle nicht weiter, wenn sie auf ihren jeweiligen Positionen beharren. Solange sie nicht aufeinander zugehen, sondern aufgeregt aneinander vorbeireden, bauen sie an einer Zukunft ohne Substanz. Keine Seite hat die Chance sich wirklich durchzusetzen, die Ansätze greifen nicht ineinander. Willkommen in Babylon. Aber selbst wenn es einer Partei gelänge ihre Position durchzusetzen, wäre das Ergebnis ein Staat, ein Markt, oder ein kulturelles Angebot, mit dem man oder in dem man nicht leben möchte.

Wenn man allen Seiten gerecht werden will, muss man ein Angebot entwickeln welches:
– sicherstellt, dass keine faktische Enteignung des Produzenten eintritt, also ein Markt durch Wettbewerb und Nutzung zuordenbarer Rechte in der Musikwirtschaft erhalten bleiben kann;
– Einstiegshürden für kleine Anbieter ausbaut und den Umstieg in den moderneren aber auch Ressourcen-freundlichen Download forciert;
– dem Konsumenten einen Service bietet, wie er ihn im Netz auch per P2P bislang noch nicht erhält.

Die einzige Möglichkeit, die sich da anbietet wäre sicherzustellen, dass:
– jeder Internet Service Provider neben dem reinen Anschluss auch eine Flatrate zum Downloaden und behalten von Musik (und später anderen Kulturgütern) anbietet;
– in dieses Angebot jeder aufgenommen werden muss, der dies mit seiner Musik will;
– umgekehrt auch jeder seine Musik dort einstellen muss, sobald er sie Dritten kommerziell zugänglich macht.

Die Konsequenz daraus wäre:
Es könnte anteilig (pro rata numeris) jeder einzelne Download fair dem Rechteinhaber gegenüber abgerechnet werden.
Jeder Anbieter könnte einfach und schnell an dem Markt teilhaben, egal ob mit oder ohne Label.
Der Konsument hätte garantiert immer die neuste Musik, in bester Qualität und totaler Vollständigkeit zur Verfügung, müsste dafür aber ein Abo bezahlen.

Bei der all2gethernow saßen endlich alle Parteien zusammen. Sobald man über solche Modelle spricht, wird die Kommunikation aber schwer. Die Musikindustrievertreter verstehen nur „Kulturflatrate“ und denken an eine Art Steuer für ihr Produkt, die eher der GEZ ähnelt und die sie im Sinne eines Marktes ablehnen müssen. Die Künstler wiederum hören Pauschalisierung und denken voller Schrecken, aber zu unrecht, an die Abrechnungen aus der pauschalen GEMA Blackbox. Einige Konsumenten schließlich sind verunsichert, wenn sie hören, dass es hier auch ums Bezahlen geht.
Alle wissen aber, wie die Sache mit Babel ausgegangen ist. Die Wahrheit wird sich nur finden, wenn man weiter auf einander zugeht, zuhört und eine gemeinsame Sprache findet. Geschieht dieses oft und intensiv genug, verlieren irgendwann auch Vorschläge wie dieser ihren Schrecken für die jeweiligen Status Quo Bewahrer.

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