Während alle Welt permanent pessimistisch in die Zukunft zu blicken scheint, feiern Jack Snape und Sam White aus Liverpool schon jetzt die kommenden Dekaden.

Man darf es wohl Zukunftsoptimismus nennen, was uns To My Boy da präsentieren. Und als Neueinsteiger fühlt man sich tatsächlich zwangsläufig an futuristische Klanglandschaften, Indie-Asteroiden-Schwärme oder die gute alte Spielhölle erinnert, wenn man sich ihr hochelektronisches Erstlingswerk zu Gemüte führt. Unmittelbar am Zusammenstellen des videospielhaften Klangcharakters ihrer ‘Messages’ beteiligt, zeigte sich auch Produzentensternchen James Ford, der bereits bei ‘Myths Of The Near Future’ von den Klaxons und dem zweiten Streich der Arctic Monkeys Hand im Tonstudio anlegte.

Video THE GRID

Das silbern glänzende Endprodukt ist eine dichte Klangmixtur mit einem Schuss mehr Elektro als Indie, die die musikbegeisterte Insel-Hörerschaft bereits in tänzerische Begeisterungsstürme versetzt. Doch auf den aktuellen New-Rave-Schnellzug möchte das Liverpooler Duo nicht aufspringen, auch wenn man vermeintliche Genre-Kollegen wie die Klaxons durchaus zu schätzen weiß. “Wir fühlen uns mehr als Songschreiber. Vieles von der so genannten New-Rave-Musik ist doch sehr oberflächlich. Uns geht es aber um mehr als tanzbare Sounds. Wir möchten Ideen verbreiten und nutzen dabei anstelle des typischen Bandkonzepts mit Gitarre, Bass und Schlagzeug lieber moderne Instrumente. Ich schätze, ich würde es als ‘exzentrische elektronische Pop-Musik’ bezeichnen.” Bei einem solch computerlastigen Klang-Entwurf, den Sam hier näher erläutert, bleibt Gegenständliches unweigerlich auf der Strecke. Das mussten zuvor auch schon zwei Mitstudenten schmerzlich in Erfahrung bringen.

Sam und Jack lernten sich an der Uni kennen und begannen dort ihr ehrgeiziges Band-Projekt noch als klassischer Vierer. Als Jack jedoch eines Tages ein wenig an seinem Laptop herumexperimentierte, um den anderen zu erläutern, wie der Sound seiner Ansicht nach zu klingen habe, stellte sich heraus, dass die Jungs die künstlichen Computerprodukte den echten Instrumenten vorzogen. Somit waren Schlagzeuger und Bassist schon nach wenigen Wochen aus dem Rennen, und Sam und Jack blieben mit Gitarre und Laptop bewaffnet als zweiköpfiges Elektro-Ensemble zurück.

Selbst haben sie nicht den Anspruch, durch spielerische Perfektion zu glänzen. Sie möchten eher tanzanimierend vertonen, was ihnen tagtäglich als mögliche Inspirationsquelle so vor die Füße fällt. “Wir lassen uns von vielen Dingen inspirieren: Filme, Bücher, Kunst… Jack hat Physik studiert. Das spiegelt sich definitiv auch in dem einen oder anderen Song wider. Wir sind keine Übermusiker.” Nein, denn die Mission lautet anders: “Oft geht es uns um eine ganz spezielle Idee. ‘The Grid‘ befasst sich zum Beispiel mit dem Phänomen Internet, während ‘I Am Xray‘ ein echter Liebessong ist, der in einer außergewöhnlichen, künstlichen Sprache erzählt wird und auf die inneren Zusammenhänge der Dinge anspielt. Wir möchten die moderne Pop-Musik einfach aufregender und frischer machen. Nicht zwangsläufig auf die experimentelle Art, nein, aber bei all diesem ewig wiederkehrenden Retro-Kram denken wir, dass es an der Zeit ist, musikalisch ein paar mutige Schritte nach vorne zu wagen.”

Video I AM XRAY


Zukunft ist also Programm, und diese darf für Sam und Jack wohl lieber heute als morgen beginnen. Als To My Boy wollen sie der Welt nun zeigen, “wie gut sich Computer eignen, um aufregende Musik zu machen”.

Christine Stiller