(Fotos: Lindsey Byrnes)
Auf ihrem neuen Album „Is Survived By“ präsentieren sich Touché Amoré um einiges zugänglicher. Warum? Wieso? Weshalb? Wir schnappten uns Sänger Jeremy Bolm und fragten nach.
Jahrelang schien Touché Amoré-Frontmann Jeremy Bolm mit bitterböser Mine durchs Leben zu laufen. Die Welt war schlecht und hinter jeder Ecke lauerte der Feind. Um nicht völlig durchzudrehen kanalisierte der Amerikaner sein Unbehagen in seinen Lyrics – so präsentierte sich zumindest die Oberfläche. Anno 2013 hat sich das Blatt scheinbar gewendet. Statt triefender Melancholie gibt es auf dem neuen Band-Album reichlich positive Ansätze zu hören. War die Vergangenheit wirklich so furchtbar? Und wie kommt es, das plötzlich die Sonne hinter den Wolken erscheint? Wir wollten es wissen und fragten beim Sänger nach.
motor.de: Hi Jeremy, ihr seid gerade in Hamburg, richtig?
Jeremy: Ja. Wir spielen heute Abend einen Secret-Gig. Es ist alles ziemlich hektisch hier.
motor.de: Im Hintergrund wird viel gelacht.
Jeremy: Ja, wir sind alle gut drauf und freuen uns tierisch auf die Show.
motor.de: Ihr werdet sicherlich viel vom neuen Album „Is Survived By“ spielen, oder?
Jeremy: Oh Ja. Darauf freuen wir uns natürlich besonders. Wir sind gespannt, wie die Leute reagieren werden.
motor.de: Ich denke, dass ein Großteil des Publikums überrascht sein wird.
Jeremy: Du meinst, wegen der neuen, etwas positiveren Ausrichtung der Songs?
motor.de: Ja.
Jeremy: Die Leute, die die Songs bisher gehört haben, haben uns allesamt auf die Schultern geklopft. Ich hoffe, dass wir heute ähnlich viele lächelnde Gesichter sehen werden.
motor.de: Woher kommt diese ungewohnt neue Positivität?
Jeremy: Ich denke, dass wir als Band in den vergangenen Jahren eine große Entwicklung gemacht haben – nicht nur musikalisch, sondern auch menschlich. Wir waren unheimlich lange auf Tour und sind dabei näher aneinander gerückt. Während dieser Zeit wurden viele dunkle Ecken mit Licht gefüllt. Es ist schwierig, besondere Momente herauszupicken. Es geht dabei eher um das große Ganze.
motor.de: Ihr wart aber auch schon mit den beiden Alben zuvor lange unterwegs. Was war damals anders
Jeremy: Das kann ich gar nicht genau sagen. Diesmal war es einfach intensiver. Ich meine, es ist ja auch nicht so, dass wir davor ausschließlich negative Songs veröffentlicht hätten. Man muss auch zwischen den Zeile lesen. Aber ich gebe dir natürlich Recht, wenn du sagst, dass das neue Album noch einen Schritt weiter geht.
motor.de: Wie gehst du denn Live mit dem neuen Material um?
Jeremy: Nun, ich fühle mich gut dabei. Ich habe mir im Vorfeld viele Gedanken darüber gemacht. Ich meine, ich bin ein eher introvertierter Typ. Das war ich schon immer. Ich habe lange Zeit eine Möglichkeit gesucht, die es mir ermöglicht, mich ein Stück weit von all den nicht so schönen Dingen im Leben befreien zu können. Das klappte mit der Musik wunderbar. Und genauso empfinde ich jetzt, wenn ich die neuen Songs präsentiere. Es ist eine Form von Befreiung. Dabei spielt es eigentlich keine Rolle, ob es um negative oder um positive Gefühle geht. Das habe ich schnell gelernt. Und diese Erkenntnis hat mir unheimlich geholfen.
motor.de: Viele deiner Texte haben autobiografische Züge. Du teilst also allabendlich deine intimsten Gedanken mit einer Unmenge an fremden Menschen. Fällt dir das nicht schwer?
Jeremy: Es gibt sicherlich Tage, an denen mir der eine oder andere Songtext etwas schwerer über die Lippen kommt. Aber eigentlich begrüße ich den Austausch mit den Fans und der damit verbundenen Offenheit. Es ist auch immer noch was anderes, einem Menschen von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten und sein Innerstes nach außen zu kehren. Da habe ich dann schon mehr Probleme mit. Wenn ich aber auf der Bühne stehe und das Adrenalin spüre, dann nehme ich nur noch das Verlangen wahr, mich zu öffnen. Im Verbund mit der Musik entsteht dabei eine besondere Magie, die es mir ermöglicht, mich als Teil eines Ganzen zu präsentieren. Ich glaube, dass dieses Zusammengehörigkeitsgefühl der Schlüssel für viele Künstler ist, die sich abseits der Bühne eher zurückziehen.
motor.de: Klingt nach einer Form der Selbsttherapie.
Jeremy: Ja, in gewisser Weise schon. Man ist zwar auf dem Präsentierteller, doch man hat auch das Gefühl einer gewissen Anonymität inne. Das ist wirklich schwer zu erklären. Man fühlt sich halt als Teil eines funktionierenden Ganzen.
motor.de: Früher habt ihr euch mit anderen Bands zusammengeschlossen und seid als „The Wave“ durch die Lande gezogen. Ging es dabei auch um dieses Gefühl?
Jeremy: Ja, ich denke schon. Wobei das alles eher ein Spaß für alle Beteiligten war. „The Wave“ war nie eine eingetragene „Gang“. Wir waren damals nur oftmals mit denselben Leuten unterwegs. Da entstand dann so ein Gefühl der Verbundenheit. Wir fanden das lustig. Es hatte aber keine größere Bedeutung. Die Leute haben daraus mehr gemacht, als es eigentlich war. Wir waren ein Team im Geiste. Wir waren mit Bands wie La Dispute oder Defeater einfach auf einer Wellenlänge. Irgendwann kam dann der Gedanke, diesem Pakt einen Namen zu geben. So entstand „The Wave“.
motor.de: Im Hintergrund wird es immer lauter.
Jeremy: Ja, ich glaube, es geht demnächst los.
motor.de: Dann will ich dich nicht weiter aufhalten und wünsch dir einen tollen Abend.
Jeremy: Hab Dank.
Kai Butterweck
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