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Turin Brakes – in persona Olly Knights und Gale Paridjanian. Zwei Südlondoner, die sich schon seit der Grundschule Freunde nennen, 1989 gemeinsam mit dem Kinderchor für die Queen singen durften und die nächsten zehn Jahre damit zubrachten, ihre ganz eigene Version von wunderschöner, begeisternd effektloser und zutiefst anrührender Akustik-Musik zu definieren. Schon „The Optimist LP“, selbstproduziert in einem kleinen Studio in London und veröffentlicht im Februar 2001, verankerte sie neben Bands wie Kings of Convenience oder I Am Kloot auf der Landkarte der klassisch komponierenden, traditionell arrangierenden Bands, die sich keinen Deut scheren um Trends oder hippe Soundkostüme – um als Folge daraus sich mit der Situation konfrontiert zu sehen, plötzlich und ungewollt der neue Trend zu sein. Als Krönung des Jahres wurde ihre Debüt-LP geadelt mit einer Nominierung zum wichtigen ‚Mercury Prize’.
Turin Brakes nutzten diese so typische britische Hype-Maschinerie für sich aus, tourten in Gegenden, die sie bislang nur dem Namen nach kannten, gingen für ihr zweites Album „Ether Songs“ nach Los Angeles und gemeinsam mit Tony Hoffer (Beck, Air) ins Studio. Es war eine gute Erfahrung, und doch, so Knights, eine, die sich nicht richtig anfühlte: „Subtile Dinge werden zu sehr aufgeblasen, wenn zu viele Menschen involviert sind. Wir lernten, dass unsere Musik, wenn sie nicht mehr in einem völlig isolierten Rahmen entsteht, am Ende nach mehr klingt als nach der Summe ihrer Teile.“ Was, wenn man sich moderne Rockmusik anhört, oftmals das allein selig machende State-of-the-art-Tool zu sein scheint.
Doch nicht so für die Turin Brakes. Nach dem Album betourten sie die Welt für mehr als 15 Monate, spielten mit David Gray über 50 Shows in Amerika. Sie durchpflügten zusammen mit Coldplay, Travis und The Coral das europäische Festland, lernten von Chris Martin, wie man mit kleinen Gesten große Wirkungen erzeugt. Sie erfuhren, was passiert, wenn man plötzlich einen richtigen Single-Hit hat, über 500.000 Alben verkauft und italienische Jeans-Firmen einen Song für eine TV-Werbekampagne einkaufen wollen. Und sie lernten, was wichtig ist, als sie zum Jahreswechsel 2003/2004 auf einem riesigen Festival in Tasmanien spielten; nämlich: Zuhause sein ist besser. Home is the new castle, sozusagen.
So verbrachte man das letzte Jahr in der Südlondoner Heimat, baute sich ein eigenes, ganz simpel gehaltenes 24-Spur-Studio, kaufte alte Instrumente (ihr neuer ganzer Stolz: ein über 100 Jahre altes amerikanisches Harmonium, eine Pump-Orgel mit besonderem Klang) und versuchte, die diversen nässenden Löcher ihres Kellers unter stark frequentierten Eisenbahnschienen zu kitten. Sie waren in kurioser Gesellschaft: Über ihnen das Studio der Eklektik-Houser Basement Jaxx, nebenan vier Inder, die mit Puder handelten – was zu regelmäßigen, dicken Staubschichten auf ihrem Equipment führte.
Turin Brakes nahmen sich das gesamte letzte Jahr Zeit, um die zwölf Songs ihres dritten Longplayers entstehen zu lassen. Jener liegt nun vor, zeigt Turin Brakes von einer wunderbar unprätentiösen, gleichwohl liebevoll zu Ende gedachten Weise. Es sind ihre Songs, ja, man kann es in jeder einzelnen Note hören. Und doch lassen sie Raum für kleine Experimente. Im einen Moment rührt ein fast klassisch instrumentierter Folksong an, im nächsten drücken subtile Bossa-Rhythmen. Dann wieder klingt ein Song wie eine Auskopplung von Neil Youngs „Harvest Moon“, nur um in den unaufdringlich lässigen Song „Red Moon“ zu münzen, der inspiriert ist durch Outkasts „Hey Ya!“.
Letzterem voraus geht „Fishing For A Dream“, die erste Single des Albums. Wenn man vorsichtig und genau zuhört, glaubt man die frisch bezogenen, neu verkabelten Studio-Surroundings hören, das Spontane des Moments. Denn, so Knights ehrlich, „bei diesem Song waren wir noch ein wenig unsicher, was wir da überhaupt taten. ‚Fishing…’ ist unschuldig, und deshalb ist es ein guter Wiedereinstieg für uns. Er ist simpel und ehrlich und romantisch und ziemlich… süß.“
Deshalb auch der Albumtitel „JackInABox“. Paridjanian erklärt: „Der Song ‚JackInABox’ fühlt sich für uns wie ein neues Zuhause an. Das ganze Album ist schlicht, direkt und bejahend, nicht verdrießlich. Es geht darum, das Leben an die Hand zu nehmen, sich lebendig zu fühlen. Dieser Song bringt all das zusammen. Und wörtlich gesprochen, bedeutet Jack-In-A-Box eine Kiste voller Tricks, dieses Ding, das man öffnet, das lebt und aufregend ist.“
Das ist das Wunderbare dieses Albums: Es lässt alles zu, ohne gewollt zu klingen, es ist anheimelnd, ohne kitschig zu wirken, es ist liebevoll zu Ende gedacht und dennoch herrlich direkt und ohne große Effekte. Es ist eine Platte, die ein Lächeln genauso auf das Gesicht zaubert wie einige schwermütige Gedanken in das Gehirn. Es ist das Ergebnis aus eigenwilligen Pop-Melodien, magisch eleganten Balladen, Paridjanians fein ziselierter Gitarrenarbeit im Verbund mit Knights seelenvollem Gesang. Kurz: Es ist Turin Brakes, direkt, groß, schlicht, viel – und dennoch nie genug.
Oder wie Olly Knights es nennt: „Alles, was du brauchst, sind Ohren und Ideen. Der Rest ist pure Ablenkung.“
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