!doctype
Uli und Holle von den Indie-Rockern TUSQ sprechen im motor.de-Interview über Facebook, Konzerte im Ausland und den Winter.
TUSQ wurden im vergangenen Jahr in Hamburg von Mitgliedern der Bands D-Sailors, The Coalfield, Herrenmagazin und Schrottgrenze gegründet. Im Frühjahr 2010 nahm das Quintett sein Debütalbum mit Produzent Jürgen Hendlmeier in Finnland auf. Das Ergebnis heißt “Patience Camp“, wurde am 22. Oktober diesen Jahres veröffentlicht und weiß mit tanzbarem Indie-Rock zu gefallen. Auf der Platte treffen hallige Gitarrenmelodien und ein energisches Schlagzeug auf eine Prise Akkordeon. Ende 2010 begaben sich die vier Jungs auf ausgedehnte Tour und bereisten unter anderem Russland. Wir trafen Frontmann Uli und Drummer Holle in Dresden.
motor.de: Vor kurzem habt ihr ein paar Gigs in Russland absolviert. Schildert uns doch mal eure Eindrücke.
Holle: Es ist natürlich immer toll, im Ausland zu spielen. Die Eindrücke, die Inspirationen sind da komplett anders. Die Konzerte waren super und die Leute waren gut drauf. Aber man hat natürlich noch einen Exoten-Bonus, insofern is das noch etwas anderes, als wenn man hier in Deutschland spielt. Die Menschen sind nicht so verwöhnt wie die Deutschen. Herzulande kann man ja fast alles sehen, da ist ein riesiger Musik-Markt. Das ist in Russland nicht so. Und das spürt man dann auch als ausländische Band.
Uli: Man hatte das Gefühl, dass die Leute dankbarer sind, dass man da ist und für sie spielt. Anders als hier, wo man jeden Tag auf ein Konzert gehen kann.
motor.de: Ihr seid gerade mit Kashmir auf Deutschland-Tour. Wie kam es dazu?
Uli: Also, eigentlich war es ein Zufall. Wir haben im Mai mit Kashmir gespielt und haben dann mitbekommen, dass sie im Dezember wieder auf Tour gehen. Damals nach dem Konzert hatten wir uns auch sehr nett unterhalten. Und dann haben wir die Jungs einfach angeschrieben, ob wir nicht mitfahren könnten. Und innerhalb von einem Tag erhielten wir die Zusage. Wir waren selber ein bisschen überrascht, wie unkompliziert das war.
motor.de: Kommt ihr denn gut klar mit eurer Rolle als Vorband?
Holle: Na klar! Wir haben da auch keine besonderen Ansprüche. Wir sind einfach froh, dass wir auf Tour gehen können. Und dann noch mit einer Band, die nett zu einem ist – was will man mehr?
Uli: Uns gibt es ja noch nicht so lange. Wir sind noch ganz am Anfang. Vor sechs Wochen ist unser Debütalbum erschienen. Und da ist es natürlich super für uns, mit so einer Band auf Tour gehen zu können. Unsere Musik könnte vielen Kashmir-Fans sicher auch gefallen, insofern ist das super, das wir die Chance bekommen haben, uns hier zu präsentieren.
motor.de: Euer Debütalbum heißt “Patience Camp”. Warum der Name und wie sind die Reaktionen bis jetzt ausgefallen?
Holle: Naja, es gab auch schon ein, zwei Reviews, die jetzt nicht so toll waren. Aber im Grunde genommen ist uns das auch scheißegal, weil wir an diese Platte glauben müssen. Und wenn wir das tun, dann nimmt man uns das auch ab. Und darum geht es im Endeffekt eigentlich auch. Aber generell sind die Reaktionen ganz gut.
Uli: Als wir uns über den Namen der Platte Gedanken gemacht haben, hab ich mal ein bisschen recherchiert, was es so an gescheiterten Expeditionen auf der Welt gab. Das “Patience Camp” war Teil einer solchen Expedition, die vor etwa 100 Jahren zum Südpol aufbrach. Unterwegs blieb das Team mit dem Schiff im Packeis stecken. Letztendlich mussten die Leute drei Monate auf einer Eisscholle ausharren, während ein Teil der Crew mit einem Ruderboot losfuhr, um Hilfe zu holen. Das Lager auf der Scholle nannten die Zurückgebliebenen ihr “Patience Camp”. Und das Beste an der Geschichte ist, dass alle überlebt haben und gerettet werden konnten. Die betreffenden Personen haben ihr Ziel zwar nicht erreicht, sind aber allesamt wieder heil zurückgekehrt.
motor.de: Das Cover der Platte ist von Hand gezeichnet. Wer war denn für das Artwork verantwortlich?
Holle: Das Cover für die aktuelle Platte hat meine Freundin entworfen. Wir wollten das Artwork ein bisschen märchenhaft-psychedelisch haben. Wir haben ihr da freie Hand gewährt.
Uli: Ich persönlich kenne mich mit Cover und Artwork gar nicht so gut aus. Ich geb das lieber externen Leuten und sag dann, ob es mir gefällt oder nicht. Und schön ist, dass sie sich wirklich nächtelang hingesetzt hat, die Platte gehört und versucht hat, irgendwas damit zu assoziieren. Sie hat sich da wirklich mit beschäftigt und das nicht einfach so nebenbei gemacht. Und das ist klasse, weil wir das bei der Musik auch so gemacht haben. Und ich glaub, deswegen ist es auch so gut geworden.
motor.de: Die neue Platte ist noch sehr frisch. Habt ihr trotzdem schon Pläne, was einen Nachfolger angeht?
Uli: Wir wollen auf jeden Fall eine neue Platte schreiben und bald damit anfangen. Das hat immer sehr lange Vorläufe bei uns, wenn wir anfangen zu schreiben. Ende des Jahres vielleicht, wir wissen es noch nicht. Wir wollen auch immer sehen, wie die Songs funktionieren, wie sie klingen. Für die aktuelle Platte haben wir etwa 25 Songs geschrieben. Und aus denen haben sich zehn herauskristallisiert. Das würden wir gerne über das Jahr beibehalten, aber natürlich weiter auch Konzerte spielen. Das läuft dann quasi parallel.
Holle: Ich plane außerdem, ein Buch zu schreiben. Es wird “Ich” heißen und soll nächstes Jahr erscheinen.
motor.de: Nutzt ihr denn eure Freizeit auf Tour auch zum Songwriting? Oder geschieht das im heimischen Proberaum?
Holle: Eigentlich passiert das alles zu Hause. Vielleicht machen wir das in Zukunft auch anders. Aber meistens ist es so, dass wir auf Tour sehr weite Strecken fahren und dann fehlt manchmal auch einfach der Nerv dafür. Eigentlich ist es auch cool, alles mal sacken zu lassen und die Eindrücke, die man auf Tour gewinnt, auch mal rauszufiltern. Auch die Musik, die man unterwegs hört, ist wichtig. Da hat man dann verschiedene CDs dabei und kann sich mal ein wenig inspirieren lassen. Man kann somit sagen, dass man die Einflüsse für ein neues Album auf Tour sammeln kann.
motor.de: Haltet ihr euren Touralltag in einem Blog oder Tagebuch fest?
Uli: Ich poste eigentlich jeden Tag ein Foto vom Konzert und schreibe zwei-drei Sätze dazu. Gestern mussten wir ja das Konzert absagen, weil wir im Schneechaos stecken geblieben sind. Da schreibt man dann auch mal ein bisschen mehr. Aber ansonsten beschränke ich mich auf die Highlights. Eigentlich mache ich diese ganze Dokumentation auch eher für mich, weil ich Bock hab, ab und zu nochmal Revue passieren zu lassen, was wir so erlebt haben. Und die Videos mach ich auch. Beispielsweise haben wir ein Studiotagebuch in Finnland gemacht. Und jetzt in Russland hab ich auch gedreht, da gibt’s dann im Januar auch eine kleine Tour-Doku. Und je nachdem , wo wir noch überall so hinkommen, werde ich das auch filmen. Aber in Deutschland halte ich mich da ein bisschen zurück.
motor.de: Apropos – ihr musstet eure Show gestern in Stuttgart aufgrund des Wintereinbruchs absagen. Generell schimpft jeder derzeit auf das Wetter. Könnt ihr dem Winter denn noch etwas Schönes abgewinnen?
Holle: Absolut. Gestern war’s echt übel, aber heute sind wir nach Dresden gekommen und es war ein wunderschöner Wintertag. Wir sind dann ein bisschen herumgeschlendert, die Sonne hat geschienen und das war voll entspannend.
Uli: Eigentlich finden wir den Winter scheiße. (lacht) Aber letztes Jahr haben wir unsere Platte auch im Winter geschrieben. Und dann haben wir die Platte in Finnland bei minus 17 Grad aufgenommen. Und Timo, unser Gitarrist meinte dann, ‘hey es wird langsam kalt’. Das hat ihn an die schöne Zeit damals erinnert. Deswegen hat der Winter für uns auch eine besondere Bedeutung.
motor.de: Euer Bassist Paul spielt ja auch noch bei Herrenmagazin. Und es gab Zeiten, da waren alle TUSQ-Mitglieder auch noch in anderen Projekten aktiv. Wie schwierig ist es, das alles unter einen Hut zu bekommen?
Holle: Grundsätzlich läuft die Organisation in diesem Punkt super. Natürlich ist da ab und zu mal Gesprächsbedarf da, aber bis jetzt klappt das gut. Es ist natürlich hart für Paul, der in zwei Bands spielt, zumal Herrenmagazin ja auch gerade erst eine neue Platte rausgebracht haben. Im Moment funktioniert das alles und Paul hat auch Bock auf unsere Band. Und deswegen ist das eigentlich auch kein Problem. Wir sagen alle aber auch ganz klar, dass TUSQ unser Haupt-Projekt ist. Da steckt unser ganzes Herzblut drin.
motor.de: Live und auch auf dem Album ist ja hin und wieder ein Akkordeon zu hören. Wie kam es denn dazu?
Holle: Ich weiß noch genau, wie das war! Wir waren im Proberaum und Uli hatte so ein Keyboard, irgend so ein billiges Teil. Und dann hatte mir ein Kumpel noch ein anderes vermacht, das war etwas besser. Und das konnte dann schon ein paar mehr Sounds. Jedenfalls dachte ich mir bei einem Song dann so, dass eine Flöte ganz gut passen würde. Und dann hat Uli den Akkordeon-Sound mal ausprobiert und das war total cool! Und irgendwann hat uns das so gut gefallen, dass wir dann ein richtiges Akkordeon besorgen wollten.
Uli: Eigentlich war das alles noch viel lustiger! Im Proberaum hatten wir ja das Keyboard, aber dann wollten wir das auch live machen und haben lange überlegt, wo wir denn jetzt ein Akkordeon her bekommen. Die Tasten an sich kann ich ja bedienen. Und eines Tages haben wir in der hinterletzten Ecke unseres Proberaums ein Akkordeon gefunden! Das war wie ein Zeichen. (lacht) Irgendwann bekam ich mit, dass mein Onkel noch eins auf dem Dachboden stehen hatte, das hab ich dann bekommen. Ich weiß gar nicht, ich denke, das Teil ist ganz solide. Es muss auf Tour ja auch ein bisschen was abhalten. In der Euphorie ziehe ich vielleicht auch manchmal ein bisschen mehr, als man das machen sollte. (lacht)
motor.de: Ihr seid zwar nicht übermäßig, aber relativ aktiv bei Plattformen wie Facebook oder Twitter. Kann eine Rockband heutzutage noch darauf verzichten?
Holle: Ich denke, das spielt heutzutage eine sehr große Rolle. Myspace ist ja tot, jeder hängt mittlerweile bei Facebook oder vor dem Rechner ab. So ist es bei mir ja auch, wenn ich zum Beispiel neue Bands suche. Und vieles was da steht finde ich auch interessant. Aber übertreiben sollte man es dann auch nicht. Ich bin nicht dafür, dass man unwichtigen Kleinigkeiten verbreitet. Aber wenn auf Tour was interessantes passiert, warum nicht? Das ist halt schnelle Werbung, kostet nichts – und darum ist es gut.
Uli: Das ist auch ein direktes Marketing-Tool. Man kommt ja immer näher an die Fans ran. Wir versuchen schon, die wichtigen Infos auf diesem Weg zu verbreiten, damit die Leute, die uns mögen, da auf dem neuesten Stand gebracht werden.
Holle: Es kommt halt immer drauf an, was du mit deiner Musik vermitteln willst. Wenn man jetzt so eine Anti-Band ist, dann finden es die Leute vielleicht auch wieder geil, wenn du’s nicht machst. Ob das dann Marketing-strategisch gut ist, weiß ich auch nicht. Aber das ist auch immer so eine Sache. Für uns ist das auf jeden Fall wichtig. Und genauso kann es andersherum für eine abgefuckte Punk-Band auch funktionieren. Es gibt ja auch viele Leute, die Facebook hassen und damit gar nichts zu tun haben wollen. In Russland haben wir zum Beispiel so eine Art Secret Show gespielt. Da wusste bis zum letzten Tag kein Mensch, nicht mal wir, wo das genau stattfindet. Und einen Tag vorher wurde das dann auf Facebook bekannt gemacht. Da konnte man wirklich verfolgen, wie sich da innerhalb von Stunden immer mehr Leute eingetragen haben, dass sie die Veranstaltung besuchen. Das fand ich sehr beeindruckend.
Interview: Anton Kostudis
“There is a crack in everything, that's how the light gets in”, sang einst der…
Seit September veröffentlichen Yule Post und Tom Gatza gemeinsame Singles. Mit BYE erscheint nun die…
Spätherbst 2022. Deutschrap TikTok-tänzelt zur zweihundertsten lieblosen Drill-Attrappe. Es wird höchste Zeit für neuen Druck…
Sofia Portanet veröffentlicht am 2. November 2022 ihre neue Single Unstoppable, die dritte Single aus…
Mit ihrer neuen Single “Mess Me Up” erzählt die junge Berlinerin benzii eine Geschichte von…
Ein Festival ist mehr als nur viele Konzerte – ein Festival ist eine Einladung, sich…