An das Gebot „du sollst nicht lügen“ hat sich das Kino natürlich noch nie gehalten. Warum auch? Fiktion ist nun einmal stets erfunden, und selbst Dokumentarfilme verbreiten nicht immer zwangsläufig die Wahrheit, wie Michael Moore oft genug bewiesen hat. Aber gibt es nicht eben doch hin und wieder Filme, die – selbst wenn alles, was auf der Leinwand zu sehen ist, nicht echt ist – sehr viel Wahres zu sagen haben?

„Akte X – Jenseits der Wahrheit“ ist das sicherlich das falsche Beispiel, daraus macht schon der Titel keinen Hehl. Was natürlich nicht heißen soll, dass Mulder und Scully bei ihrer Rückkehr aus dem Ruhestand nicht tatsächlich Lügen entlarven und die Wahrheit finden wollen. Die Meinungen dieses dynamischen Mystery-Duos gehen nur wieder einmal darüber auseinander, ob man sich dabei auf beweisbare Fakten oder eben doch übersinnliche Visionen verlassen soll. Am Ende, so viel sei verraten, kommt es darauf dann aber kaum noch an, denn bis dahin hat sich der durchaus spannende (und auch für Nicht-Fans der schon einige Jahre zurückliegenden Serie verständliche), aber in keiner Weise herausragende Film beinahe in ein Torture-Porn-Spektakel à la „Saw“ verwandelt.

Noch viel weniger mit der Wahrheit (oder gar dem wahren Leben) hat „Superhero Movie“ zu tun. Die exakt nach dem „Scary Movie“-Muster gestrickte Parodie auf „Spider-Man“ und andere Comicverfilmungen lügt genau genommen schon auf dem Plakat. Das verspricht nämlich einen Film mit Pamela Anderson und Busta Rhymes, doch die tauchen dann nur so kurz auf, dass sie schnell verpasst wer einmal zu oft blinzelt. Schmerzlicher als die Wahrheit vermisst man hier allerdings den Witz, denn mehr als drei gelungene Gags (darunter eine wirklich witzige Tom Cruise-Verarsche) hat diese Sketchparade des dumpfen Toiletten-Humors nicht zu bieten.

Auch das deutschsprachige Kino, in seiner Sprödheit sonst ja oft sehr wahrhaftig, gibt in dieser Woche dem Überzogen-Fiktiven den Vorzug. Wo der letztjährige Überraschungshit „Du bist nicht allein“ noch durch echte Einblicke in den Plattenbau überzeugte, trägt dessen Regisseur Bernd Böhlich in „Der Mond und andere Liebhaber“ nun ein wenig zu dick auf. Märchenhaft ist der Erzählton in dieser Geschichte über eine vom Schicksal benachteiligte Mitt-Fünfzigerin, in der die gewohnt ungehemmte Katharina Thalbach neben sich für niemanden Platz lässt. Auch nicht für die Wahrheit.

Feinfühliger präsentieren sich die ebenfalls aus Deutschland stammenden „Underdogs“. Doch auch wenn Regiedebütant Jan Hinrik Drevs seine Geschichte über Knastis, die im Gefängnis Blindenhunde ausbilden, auf einem echten Resozialisierungsprojekt aus den USA basiert, verläuft sie so glatt und vorhersehbar, dass man jeden Augenblick eine große Kitsch-Lawine erwartet. Die bleibt glücklicherweise letztlich aus, was aber weniger den putzigen Labrador-Welpen als den wirklich überzeugenden Schauspielern liegt.

Eben solche hat auch „42plus“ aus Österreich zu bieten, der wie kein anderer Film in dieser Woche tatsächlich von ein paar Wahrheiten des Lebens erzählt. Claudia Michelsen, meist eher im Fernsehen zu Hause, ist das subjektive Zentrum dieser Geschichte einer Frau, die ihr Leben neu justiert. Das ist ganz fein, leise und unglaublich authentisch beobachtet – und anders als Agent Scully kommen dieser Kinoheldin dabei weder pädophile Priester noch grimmige FBI-Agenten in die Quere.

Text: Patrick Heidmann