Fünf Jahre nach ihrem Freestyle-Album ’Plan 58’ melden sich nun endlich Main Concept aus München wieder zu Wort. Jedes der drei Teammitglieder hat die Zeit genutzt, um den eigenen Horizont zu erweitern. Rapper David Pe hat sein Medizinstudium abgeschlossen, DJ Explizit hat seine Scratches für Kumpels wie z.B. Free’z in die Rillen pressen lassen, und Produzent Glammerlicious hat sich ein neues Studio eingerichtet und seine Produktionsfähigkeiten um das Einspielen eigener Instrumente erweitert. Nachzuhören ist das Ganze nun auf ’Equilibrium’ (Buback/Indigo). Und wer sich nicht von dem lateinischen Namen ’Equilibrium’ abschrecken lässt, kann hier das ausgereifteste Werk der drei Münchner entdecken.
Warum habt ihr für den Albumtitel denn nicht das entsprechende deutsche Wort ’Gleichgewicht’ ausgewählt?
David: Das Wort ’Gleichgewicht’ ist zu ausgelutscht, außerdem hieß ein Track von mir und Raptile bereits so. ’Equilibrium’ klingt besser und interessanter. Wenn die Leute es interessiert, was dieses Wort bedeutet, können sie es ja nachschlagen. Diese Information ist jedem frei zugänglich.
Bei ’Tricknology’ kritisierst du Politiker und sprichst von einer „großen Illusion, die sie Demokratie nennen“. Gibt es keine Hoffnung mehr auf politische Veränderungen? Was wäre die Alternative?
David: Noch kann ich keine vernünftige und realistische politische Alternative präsentieren, aber ich arbeite daran. Dieser Track beschäftigt sich eher mit der Psychologie, die hinter der Politik steckt. In der zweiten Strophe geht es um Angst, die bei der Bevölkerung produziert wird, was die aktuelle Politik erst möglich macht. Ich gehöre keiner politischen Richtung an und bin auch kein Kommunist, denn ich hasse Dogmen und Gleichmacherei. Die Politik ändern zu wollen, ist wie die Symptome anstatt die Ursachen einer Krankheit zu behandeln. Das Bewusstsein der Menschen muss sich ändern, auch wenn es utopisch klingt.
’Adam Und Ivo’ beginnen in eurem gleichnamigen Stück ihre Karriere ja in einem Jugendzentrum. War’s bei euch damals ähnlich?
Glam: War das so? Kann sein, oder? Ist ja auch schon so lang her (ha,ha,ha). Da gab es das Biederstein in Schwabing, wo wir öfter mal waren und aufgetreten sind. Im Freizi/Berg am Laim waren wir ja auch oft. Von dort aus haben wir ja auch unsere ersten Jams geplant. Was sagst du, David?
David: 1990, als wir als Band angefangen haben, hat sich HipHop nur in Jugendzentren abgespielt, wo wir auch aufgetreten sind. Dieses Lied hat aber nichts mit diesem historischen Faktum zu tun. Es ist eher eine HipHop-Version von Adam und Evas Fall aus dem Paradies. Dies wird einem sofort klar, wenn man die Namen aller in Track vorkommenden Personen beachtet.
Auch ’Das Versteck’ ist ja eine Art Geschichte, in der Gott die Hauptrolle spielt. Wie ist denn euer Verhältnis zu Gott?
Glam: Für mich ist Gott die Gesamtheit, keine Person. Aber mehr kann ich dazu nicht sagen. Ist nicht mein Thema. Ich glaube nicht an Religion.
Explizit: Ich wurde katholisch erzogen, das war oder ist in meiner Familie Tradition. Ich konnte mich auch anfangs für all diese Geschichten des alten und neuen Testaments begeistern und habe mir in meiner Jugend mein Taschengeld als Ministrant bei Taufen oder Hochzeiten verdient, bis ich zehn oder elf Jahre alt war. Aber mit der Pubertät habe ich begonnen, das alles zu hinterfragen, um festzustellen, das für mein Leben die katholisch-kirchliche Lehre nicht mit meinen Vorstellungen konform ging. Das heißt nicht, dass ich allgemein gegen Religion bin, nur dass ich scheinbar meine noch nicht gefunden habe. Gott ist für mich ein Zustand der absoluten Reinheit mit sich selbst und allem um einen herum, und dieser Zustand ist, glaube ich, sehr schwer zu erreichen. Außerdem wird diese knappe Beantwortung in einem Interview dem Thema nicht gerecht. Und nein, Rap ist nicht meine Religion…das sollte dann doch tiefer gehen.
David: Ich bin absolut kein religiöser Mensch und wurde auch nicht so erzogen. Ich glaube nicht an Gott. Ich glaube an das Equilibrium, das Gleichgewicht, welches in der Natur herrscht, das das Leben aus naturwissenschaftlicher Sicht erst möglich macht. Dieses natürliche Gleichgewicht bzw. diese Ausgeglichenheit zu erreichen, ist ein erstrebenswerter Zustand und sollte Ziel jedes Menschen sein. Die Geschichte, die in diesem Lied erzählt wird, ist keine Geschichte über Gott, sondern über die Menschen. Gott ist nicht nur in dem Fall ein Symbol für die Neigung der Menschen, die Schuld nicht bei sich selbst, sondern bei anderen zu suchen. Notfalls erfindet man ein übernatürliches Wesen wie „Gott“, das das Schicksal lenkt und schuld daran ist, wenn alles scheiße läuft. Die Menschen neigen dazu, Verantwortung abzugeben, anstatt sie zu übernehmen.
Text: Holger Köhler
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