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Karl Hyde, Frontmann und Aushängeschild des Techno- und House-Duos Underworld über das neue Album der Band, seine Liebe zum Krautrock und Piratenradios.
Rick Smith (l.) und Karl Hyde (r.)
“Drive boy dog boy, dirty numb angel boy, in the doorway boy, she was a lipstick boy.” Zu “Born Slippy” muss man eigentlich nicht mehr sagen, als Underworld-Sänger Karl Hyde selbst. Auch nach 15 Jahren wird er immer noch auf den Song angesprochen, der damals in Danny Boyles Drogen-Film “Trainspotting” lief. Im YouTube-Video zu dem Song schreibt User smokingsam92 in großen Lettern “TRAINSPOTTING” und führt zwanzig Ausrufezeichen an. Keine Frage: Mit dem Song schüttelten die Briten Mitte der Neunziger die ultimative Hymne aus dem Ärmel. Diejenigen, die das Duo als Muster-Raver abstempelten, befanden sich natürlich auf dem Holzweg. Denn vor allem profilierten sich die beiden Soundtüftler in der Vergangenheit auch als Komponisten von Filmsoundtracks und Werbeclips.
Hinter Karl Hyde und Rick Smith liegt eine knapp 30-jährige Geschichte, die einst im Post-Punk begann, mehrere Reinkarnationen verzeichnete und mit einer nahezu unüberschaubaren Diskographie aufwartet.
Am 10. September veröffentlichen Underworld nun ihr neues Album “Barking”. Wir sprachen vorab mit Frontmann Karl Hyde über die neue Scheibe – und natürlich über “Born Slippy”.
motor.de: Karl, ihr seid ja nun schon sehr lange dabei, habt vieles ausprobiert. Wie würdest du euer neues Album beschreiben?
Karl: Es ist ein sehr positives Stück Musik, welches auf den Dancefloor einlädt. Wir komponierten die Musik für spontanes, fröhliches Feiern. Die Stücke funktionieren live und mit der Menge.
motor.de: War der Schaffensprozess während den Aufnahmen eigentlich der gleiche wie vor circa 25 Jahren? Hat sich an der Strategie, einen Song zu schreiben, irgendwas geändert?
Karl: Die Strategie wechselt immer und kommt spontan hervor. Das letztes Album war ja sehr selbstbeobachtend und von zwei Soundtracks inspiriert, die wir gemacht haben. Die Arbeit hat total Spaß gemacht, aber es kamen halt keine Songs hervor, die wir live spielen könnten. Wir wollten, dass das neue Album unsere Dancefloor-Qualitäten reflektiert. Die Strategie ändert sich also von Album zu Album.
motor.de: Befinden sich bei Euch im Studio auch immer noch die gleichen Synthesizer und Sequenzer wie in Eurer Anfangszeit?
Karl: Wir verwenden natürlich die neuste Hard- und Software, die aktuellsten Mixing-Konsolen und neuesten Computer. Wir arbeiten ja auch mit einer Firma zusammen, die Software-Synthesizer entwickelt. Aber natürlich verwenden wir auch viel altmodisches Equipment.
Underworld – “Scribble” (2010)
motor.de: Seid Ihr diesmal auch etwas befreiter in die Recordings gegangen? Schließlich müsst Ihr ja nichts mehr beweisen…
Karl: Man muss eigentlich immer etwas beweisen, sich selber oder den anderen. Wir haben versucht, noch weiter zu gehen als das letzte Mal, unsere Dämonen und altes Denken zu überwinden. Die Herausforderung kommt dann immer von innen heraus. Wir haben uns ja vor allem von jungen Künstlern beeinflussen lassen, jungen Musikern, jungen Bands.
motor.de: Also würdest du die neue Platte noch nicht als Spätwerk bezeichnen…
Karl: (lacht) Ich erwarte natürlich noch mehr Platten von Underworld! Es ist einfach eine tolle Erfahrung, mit Producern zusammenzuarbeiten und mit anderen Künstlern zu kollaborieren. Das gibt uns die Leidenschaft und den Enthusiasmus, noch mehr Platten zu machen.
motor.de: Das ist ja sehr bemerkenswert: Zwei gestandene Musiker lassen sich von blutjungen Künstlern beeinflussen. Welche Musiker haben euch denn berieselt?
Karl: Wir mögen High Contrast. Health aus Amerika und Efterklang finden wir auch gut. Oder Burial, einer der besten Dubstep-Künstler. Wir sind halt sehr aktiv im Internet. Die jungen Bands entdecken immer den Sound, den wir auch toll fanden als wir so alt waren. Sie erfinden ihn dann nur neu.
motor.de: Du hast ja auch mal gesagt, dass dich der deutsche Krautrock sehr beeinflusst hat. Sind diese Einflüsse immer noch aktuell bei Euch? Spielten sie gar auf dem neuen Album eine Rolle?
Karl: Es war wirklich sehr wichtig. Für das neue Album habe ich auch tatsächlich viel deutsche elektronische Musik gehört, ältere Bands wie La Düsseldorf oder Neu!. Der Sound dieser Gruppen war sehr minimal und das in einer sehr schönen Art und Weise. Die Beats fand ich auch sehr inspirierend. Diese Musik brachte mich auch zurück zu meinen älteren Bands wie Freur. Wir sind ja damals extra nach Köln gereist, um Conny Plank [deutscher Musikproduzent, u.a. Can, Neu!, Anm. d. Red.], zu treffen, da wir diesen Sound so geliebt haben.
motor.de: Der deutsche Musikexpress rief vor kurzem die Rückkehr der 90er-Jahre aus. Welche jungen Künstler haben denn deiner Meinung nach das Zeug dazu, diesen ganzen Techno- und Rave-Spirit aus den 90ern zurückzubringen?
Karl: Ich hoffe, dass der Techno nie wieder zurückkommt. Wir wollen, dass die jungen Künstler die Musik für ihre eigene Generation kreieren.
motor.de: Du rechnest also nicht mit einem Revival des klassischen Techno…
Karl: Es könnte eine Art von Revival werden. Techno mutierte ja auch immer etwas, hat sich immer geändert und wurde aufgefrischt. Das gefällt mir auch so sehr an den jungen Künstlern: Sie kopieren die alten Sachen nicht einfach, sondern machen daraus etwas Eigenes. Das ist sehr inspirierend.
motor.de: In den späten 80ern klang eure Musik eher noch nach New Wave und Post-Punk. Könnt ihr euch vorstellen, die Songs noch einmal elektronisch zu optimieren?
Karl: (lacht) Nein! Die gehören der Vergangenheit an!
motor.de: Ihr seid stark in die Musikszene in England involviert. Sicherlich habt Ihr auch davon gehört, dass das einstige britische Piratenradio Rinse FM unlängst legalisiert wurde. Was denkt ihr darüber? Ein Affront gegen den Underground?
Karl: Ich denke, dass es die Jungs verdient haben! Die haben sehr, sehr hart gearbeitet. Ich kann mich noch an die Musik erinnern, die da gespielt wurde. Dieses Piratenradio zu hören, hatte echt immer eine sehr romantische Magie! Durch dieses Radio wurden wir auf Acid House und elektronische Musik aus Deutschland aufmerksam.
Underworld – “Born Slippy” (1995)
motor.de: Bei dir schienen die Grundlagen für eine Karriere im Musikbusiness ja sowieso sehr gut gewesen zu sein. Du bist ja schließlich in einer kleinen Gemeinde voller Rockstars aufgewachsen…
Karl: Genau, das ist natürlich sehr eindrucksvoll, wenn Leuter wie Geezer Butler [Black Sabbath, Anm. d. Red.] oder Robert Plant [Led Zeppelin, Anm. d. Red.] in deiner Nähe wohnen. Das war als kleiner Schuljunge natürlich beeindruckend, wenn diese Menschen dann mit ihrem Rolls Royce an dir vorbeifuhren. Sie kamen mir vor, wie Menschen von einem anderen Planeten. Doch leider hatten wir Kids damals keinen Kontakt zu diesen Leuten. Das ist bedauernswert, schließlich wussten wir damals nicht, wie man eine große Karriere im Musikbusiness macht.
motor.de: Dieses Jahr feiert ihr auch ein kleines Jubiläum: Vor 15 Jahren habt ihr den Song “Born Slippy” veröffentlicht, welcher euch 1996 durch den Trainspotting-Soundtrack in hohe Chartgefilde katapultierte. Stört es euch, dass euch einige Leute nur mit dem Trainspotting-Ding in Verbindung bringen?
Karl: Nein, ich denke, es ist fantastisch! Es erinnert die Leute ja daran, was so positiv an unserer Musik ist. Mit Danny [Danny Boyle, Regisseur; Anm. d. Red] und seinen Filmen assoziiert zu werden, ist eine Ehre.
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