Das Revival der Alten


Bringen es die Neuen nicht, müssen eben die Alten noch mal ran. Damals hat es ja auch geklappt, das mit dem verkaufen. Die Zielgruppe ist mitgewachsen und so auch ihr Vermögen. Das Jahr 2008 erlebte so viele Wiederbelebungen alter Stars wie nie zuvor.

Was uns dieses Jahr in der motor.de-Redaktion an News und Veröffentlichungen erreichte, überstieg jede Vorstellungskraft an dieses doch eigentlich so schöne „noch-einmal-aufraffen“ der Bands. Sprich Reunion oder Comeback. Sprich neues Album nach langer Zeit.
„Seht die Legenden, so lange sie noch leben“ scheint der Schlachtruf der Stunde zu sein. Haben es Led Zeppelin wirklich nötig noch den letzten Fetzen Geld aus sich rauszerren zu lassen? Bei dieser Konzertmentalität enden die meisten Ikonen selbst mit neuem Material nur als Cover ihrer selbst. Die Glamrocker von Kiss haben das schon längst erkannt und bringen seit ihrer Reunion 1996 jedes Jahr fast ausschließlich nur Best-Of- oder Livealben auf den Markt. Dass nun auch sie für 2009 neue Aufnahmen angekündigt haben verwundert, brachte es Gitarrist Paul Stanley schon 2006 auf den Punkt: „Tatsache ist, [Fans] mögen die neuen Songs tolerieren, aber es sind die Alten, die sie hören wollen.”

Bei den sinkenden Einnahmen aus Tonträgerverkäufen scheinen die finanziellen Ressourcen in der Wiederbelebung alter Größen zu stecken. Kein Wunder also, dass Konzertveranstalter die „lebenden Legenden“ mit Gagen im dreistelligen Millionenbereich locken (bei Pink Floyd 200 Millionen für eine Tour). Das Live-Geschäft boomt wie noch nie, eine Auswirkung des schwindenden Wertes und der zunehmenden Virtualisierung der Musik als einfache MP3-Datei.

2008 haben es viele Ikonen probiert noch einmal an ihre Erfolge anzuknüpfen.

Die Spice Girls scheffelten über 33 Millionen, als sie zum Jahreswechsel 17 Mal die O2-Arena in London ausverkauften. Die Reunion-CD konnte die finanziellen Erwartungen trotz dessen nicht erfüllen.
Take That hingegen meisterten das Comeback mit sehr hohen Verkaufszahlen. Nun will auch Robbie Williams wieder dabei sein.

Auch AC/DC erreichten nach acht Jahren noch ein Mal einen sensationellen Erfolg. „Black Ice“ schoss in allen wichtigen Staaten auf Platz eins.
Die Reunion der 80s Boygroup New Kids On The Block nach 14 Jahren sorgte ebenfalls für Furore. In den US-Charts kamen sie bis Platz zwei.

Britney Spears hatte noch nie Probleme ihre Alben zu verkaufen. Schon „Blackout“ war ein Erfolg, dank besseren Managements macht das jetzige ‘Comeback-Album’ „Circus“ ihre Eskapaden zur Geschichte.

The Cure legten schon nach vier Jahren ein neues Album nach. „4:13“ konnte allerdings nicht gänzlich durchschlagen.
Der gute Axl Rose schaffte es trotz jahrelanger Entwicklungszeit und einer penetranten Werbekampagne nicht die Erwartungen zu erfüllen (er sollte auf die Eins). Es reicht vielleicht nicht, sich den guten Namen Guns N’Roses zu „erstreiten“.
Bei Portishead will man den Kommerz sicher nicht in den Vordergrund stellen. Das dritte Studioalbum „Third“ zog im April den Fokus komplett auf sich. Sie verwehrten sich bewusst einer direkten Weiterführung ihres Werks und überraschten mit avantgardistischen Elektro-Tracks.

Es gab auch Comebacks deutscher Künster.
The Notwist überzeugten sechs Jahren nach „Neon Golden“ mit „The Devil, You + Me“.
Udo Lindenberg konnte mit „Stark wie zwei“ noch einmal einen großen Erfolg feiern. Musikalisch anschließend an alte Hits und mit der Hilfe vieler Stars toppte er die Charts.
Das „Stayback“ der No Angles ist eher nicht erwähnenswert.

Mit dem Jahreswechsel ist zwar das Jahr, aber nicht die Reunionwelle beendet.
Das erneute Aufeinandertreffen der Blur-Jungs ist schon in Sack und Tüten, diskutiert wird nur noch dessen Umfang.
In diesem Zusammenhang haben sich auch The Stone Roses zu Wort gemeldet. Zum 20-jährigen ihres Debüts sei 2009 der richtige Zeitpunkt, ließ Gitarrist ‘Mani’ verlauten.
Eminem wird nach vier Jahren Abstinenz ein neues Album veröffentlichen.
Fest steht außerdem die Wiedervereinigung von NoDoubt.
Die Led Zeppelin-Geschichte ist immer noch nicht ausgefochten. Robert Plant will nicht mit auf Tour, ein Ersatz wird diskutiert. Wahrscheinlich kommt eine Tour Zustande, doch was sind Led Zeppelin ohne ihren Frontmann?
Blink 182 sollen nach dem Flugzeugabsturz von Travis Barker wieder zusammengefunden haben.
Pete Doherty will The Libertines wieder aufwärmen.
Die ehemals sehr erfolgreichen US-Rocker Creed stehen auch kurz vor ihrer Neuauflage und bei Dire Straits sei nur Mark Knopler nicht überzeugt.
Da fehlt noch die Reunion der Jackson Five, der aber Michael persönlich die Absage erteilte. Wer weiß, vielleicht kommt er ja wenigstens Solo mal wieder auf die Bühne.

Hört man diese ganzen Namen, die lieber im Kontext ihrer heroischen Vergangenheit geblieben wären, bleibt nur ein Appell an die Industrie: Liebe Majors, lasst bitte ab von eurer Resteverwertungsindustrie und liefert frische Ware. Oder überlasst es gleich den unabhängigen Biobauernhöfen. Da schmeckt es eh besser.

Stephan Klingebiel