Vier Jungs aus Husum gehen im Vorprogramm von Casper auf Reisen. Kreuz und quer durch Deutschland. Für motor.de schreibt das Quartett seine Eindrücke nieder und lässt euch auf diesem Wege daran teilhaben. Im fünften und letzten Teil des Tourtagebuchs: Unbeeindruckte Römerinnen, Bremer Jugendliche auf Shoppingtour und der Abschied mit einer Träne im Knopfloch.

Max und Ben – Stark wie Zwei (Foto: Karah Es)

Wien – 22.10.2011

Ich verbringe meine erste Nacht im großen Flottenschiff. Kurz ist sie, denn Kapitän, Seemaat und ich sitzen lange noch wach. Und während wir am Mannschaftstisch trinken manövriert Steuermann Dave die alte Dame über tschechische Landstraßen. Bevor wir schlafen gehen machen wir an einer Tankstelle Halt und kaufen uns für kleine Münze einige Tüten Kartoffelgut, was Dave mit einem wütenden “All that for a bag of chips” quittiert, bevor er kopfschüttelnd weiter fährt. Als Chips und Wein sich dann erneut neigen steigen wir in unsere Kojen, was in diesem Fall nicht der Schiffsmetaphorik angepasst ist, denn tatsächlich sind es Kojen. Nur drei Stunden geschüttelten Schlafs später wache ich auf und setze mich hinter Dave. Während der eine mir unbekannte Melodie nach der anderen summt trinke ich so viele Energiegetränke wie ich trinken kann.

Als der Anker geworfen ist, humple ich von Bord. Dave, der immer noch pfeift ist da und ein Supermarkt, der Zielpunkt heißt. Davon lasse ich mich nicht hinreißen und kaufe in einem anderen ein Frühstück ein, während ich auf meine Verabredung warte. Begrüßungsküsse. Später stehen wir im touristengerechten Stephansdom und ich staune und sie nicht, denn sie lebt in Rom. Wir lachen über so viel Abgeklärtheit. Noch einige Schlendereien durch die Stadt, die auffallend schön ist und dann mit dem wunderbar gradlinigen U-Bahnnetz zurück zur Konzertstätte, wo anlässlich unseres ersten Östereichbesuchs einige Gespräche anstehen.

Dort treffen wir außerdem den Europameister im Ingwerknollenwettessen, der uns tränenüberströmt sein Talent beweisen muss. Daneben der bissige Haushund, der ständig nimmt, was ihm nicht gehört, seine alten Dinge aber überall fallen lässt. Ich bemühe mich, nicht hinein zu treten und im Slalom auf die Bühne. Es ist sehr gemütlich. Die Wiener sind verhalten aber respektvoll. Wir verneigen uns. Im Hotel hängen viele Menschen im Treppenhaus. Ich erkenne nur einen dicken Schauspieler, der vor einer mit Alpenveilchen bepflanzten Schildkröte sitzt. Vielleicht hätte ich doch das Grab des Falken besuchen sollen denke ich, der hängt hier nämlich nicht. Es wird nicht mein letztes Mal in dieser Stadt sein, sage ich, Falco wird noch auf mich warten müssen. Und die junge Römerin und ich gehen noch einmal durch das nächtliche Wien. Vielleicht bleiben wir gleich da.

Bremen 28.10.2011

Jetzt ist es Bremen und es soll genau so sein. Der graue Himmel wird nur zaghaft von den wenigen Sonnenstrahlen geteilt, die wohl fünf Menschen an jeweils einer Hand abzählen können. Wir halten dort wo alte Hafenanlagen stehen, eine verlassene Werft, alte und neue Kräne in schönem Rostrot und erhabenem Königsblau. Für uns ist es soviel Heimat wie es ein Ort sein kann, der gar keine Heimat ist. Home is where a harbor is oder so ähnlich. Es ist die größte Halle der Tour und eine Halle ist es wirklich. Wir staunen und freuen ein bisschen vor uns hin.

Unsere größte Show bisher!

Währenddessen kommen auch andere an. Ein Städtebus aus einer anderen Stadt spuckt einen Haufen sehr junger bis mittelalter Jugendlicher aufs Pflaster. In einem geraden Strom steuern sie sich vollends einig auf den Konsumtempel gegenüber zu. Ohne ein Wort. Wir sind verdutzt. Ein Sicherheitsmann klärt uns auf. „Die kommen jede Woche“ sagt er. Von überall. Wir beschließen diesem Mysterium nachzugehen, einen Blick zu erhaschen auf die goldene Kuh. Als wir sie sehen, sind wir mehr als ernüchtert. Wir belassen es dabei, nebenan Batterien zu kaufen und treten ins Freie. Der Städtebus hat wieder abgelegt. Die sehr jungen und mittelalten Jugendlichen teilen sich ihre Schalensitze nun mit jeweils zwei prall gefüllten Tüten. Wir blicken dem Bus nicht allzu lange nach. Auf der Leuchtreklame hinten am Bus steht „Stadtlinie Bielefeld“. Unsere Köpfe schütteln uns zurück in den Saal.

Man hat uns eine Burgerstraße gebaut. Es ist wie es klingt und es schmeckt großartig. Nur knapp gelingt es uns die Trägheitsschwelle nicht zu übertreten. Wir nehmen uns vor, auf dieser Straße noch einige Schritte zu gehen und betreten die Bühne. Mehr Menschen als man sehen kann und alle sehen uns. Unter ihnen ist das Mädchen, das “Vierkanttretlager” zum ersten Mal zu mir gesagt hat. Es ist so wie Avril Lavigne es singt, haha.

Da darf man doch kurz zufrieden sein mit sich. Von der Bühne, das obligatorische Energiegetränk und Burger. Das Tour-Catering Ranking erlebt am heutigen Tag so kurz vor Schluss noch eine Verschiebung. Und das ganz ohne Kürbissuppe. Wir stehen noch ein wenig mit unseren Freunden und sehen uns das Casper-Spektakel von der Galerie aus an. Mit einem freudigen Schauder wird uns kurz wieder klar, wo wir gerade sind, was wir jetzt tun. Auch ein genügsames Leben erlaubt kleine Fenster der Selbstzufriedenheit. Es öffnet sich. Es schließt sich. Die letzten Pommes zum Mitnehmen. Wir schlafen ein.

Münster – 31.10.2011 – Der Abschluss

Die letzten Stunden sind gekommen. Wir alle haben uns liebgewonnen, ganz floskellos. Und weiter: Der Monat ist so schnell vergangen wie noch keiner vor ihm, nicht einmal die Sommerferien, selbst gar nicht so lange her, waren je so kurzweilig. Gesichter, die man sich täglich zu sehen gefreut hat, sieht man bald selten. Selbst das heimische Bett, welches man doch in der Vergangenheit so oft gegen die ständig wechselnden Schaummatratzen getauscht hätte, sieht jetzt nicht mehr nach einen fairen Geschäft aus. Ich bin ein wenig trübsinnig, besinne mich dann jedoch darauf, den Rest der Zeit weiter froh zu verbringen, ja, das haben mir meine Eltern beigebracht, ich weiß.

Ein letztes mal in den Raum hinter der Bühne humpeln, ein letztes Energiegetränk öffnen. Ich werde wohl nie wieder schlafen können, Taurin und Koffein werden die nächsten hundert Jahre die Streichhölzer sein, die meine Lider offen halten.

Mit einer letzten Mandarine auf den Konzertbeginn warten. Und es ist vielleicht unser bestes Konzert. Vielleicht weil die Casper-Bande plötzlich die Bühne betritt und mit uns schunkelt. Vielleicht weil wir beseelt sind von all dem Vergangenen, vielleicht weil Routine auch etwas Gutes ist. Wir exerzieren unsere Stücke wie immer, nur fröhlicher, nur trauriger. Und am Ende liegen wir uns noch auf der Bühne in den Armen und wir liegen wirklich.

Im Fotoalbum ist noch Platz (Bild: Sophia Vogel)

Dann beginnt das große Umziehen, bevor ich meinen Auftritt als Casper-Double auf der Bühne habe. Max Richard Bumaye! Rücken an Rücken kämpfen sich der Echte und der Falsche durch das inhaltsschwangerste Lied des Abends. Und es hat bis Münster gedauert bis auch das Publikum ihn fühlt, den Swag des großen Wilson Gonzales.

Dann ein letztes Mal die Bühne betreten, nun wirklich, diesmal mit allen, die ganze Tourgemeinde, ja Familie ist Arm in Arm und in seltsamen Kostümen. Wer jetzt doch ein wenig Wasser in den Augen hat kann immer noch sagen, es wäre das Lachen gewesen. Der eine und der andere nehmen noch ein Bad in der Menge. Dann heißt es ein erstes Mal Lebewohl, die Bühne hat uns nicht mehr.

Trinkselig und heimlich traurig machen wir uns ein letztes Mal gemeinsam auf und fallen ein in eine Tanzbude oder Trinkhalle oder so. Und wir vertanzen und vertrinken unseren Abschied mit offenen Mündern und Herzen und Armen. Die Ersten verschwinden in Taxen und wir winken noch. “Bald sehen wir uns wieder” sagen alle, und jeder hofft, dass das mehr ist als eine Notlüge. Ich setze mich noch ohne zu schlafen in den Zug und fahre nach Hamburg. Wirklich unwirklich das alles. Doch es muss wahr sein, schließlich steht es doch hier. Hoffentlich bis bald.

Euer Max

Eure Vierkanttretlager

Den vierten Teil des Tour-Tagebuchs lest ihr »hier.