Letztes Jahr war der Husumer Vierer noch mit Casper unterwegs, aber seit das vielbeachtete Debüt “Die Natur Greift An” erschien, kriegt das Quartett die Hallen auch allein voll. Für motor.de schreiben Vierkanttretlager ihre Eindrücke nieder. Heute: Verluste in München, Blowies in Stuttgart und Nudeln in Bayreuth.

(Foto: Carsten Bunar)
13. April – München

Es ist einfach. Um halb neun fährt Mehrings Zug nach Berlin. Er verlässt uns nämlich für kurz. Als ich um elf aufwache liegt er noch neben mir. Ohne Regung. Der Wecker klingelt für sich allein. Ich schlage Mehring mit meinem Kissen ins Gesicht. Mit den dritten Schlag erwacht er oberflächlich. Er kauft dann ein neues Zugticket, es kostet sehr viel Geld. Das ist eigentlich eine lustige Geschichte, warum ich nicht schaffe sie entsprechend zu erzählen, dazu werde ich auch noch kommen. Das Frühstück ist famos, wir können es nicht wirklich genießen, denn Christian vermisst seinen Gehörschutz. Wieder eine lustige Geschichte jetzt, ich werde mich bemühen. Wir gehen also in den Club zurück und hoffen die ganzen 35 Sekunden, das dort noch niemand gefegt hat. Haben sie aber natürlich, sind nämlich wirklich super Leute da. Diesmal spielt das aber gegen uns.

Wir sehen die Fundsachen durch. 42 Führerscheine, acht Personalausweiße, einige wenige Krankenkassenkarten, kein Gehörschutz. Der Strohhalm an den sich Christian nun klammern mag, ist ausgerechnet ein Müllsack mit Strohhalmen. Er schüttet und wühlt und fegt. Im dritten Sack findet er den ersten Stecker, das weckt seinen Ehrgeiz und weil Christian sehr große Füße hat auf die er immer fallen kann, findet er im vierten den zweiten. Es ist alles ein Wahnsinn. Wir fahren nach München. Wir kennen den Club. Letztes Mal haben wir ihn gefühlte 90 und reale 20 Minuten gesucht, da freuen wir uns jetzt das wir wissen, wo er ist. Denken wir. Nach exakten 14 Minuten Irrreise finden wir ihn. Es wird nicht meine letzte sein, für diesen Tag. Ich brauche neue Schuhe. Von meinen löst sich die Sohle. Ich besuche fünf Schuhläden. Ich finde nichts. Ein großer Mann mit grauem Pferdeschwanz, der scheinbar Leidensgenosse ist, rät mir zu schwarzen DocMartens. Da gehe ich lieber zu Mister Minit und frage, ob er meine Schuhe klebt. Ja sagt er, aber das dauert. Eine lange Warteliste. Verlorene Stunden. Ich steigere mich in meine Wut, bis ich mir selbst albern dabei vorkomme. Nach unserem Konzert (schön) gibt es eine Feier im Club (fadenscheinig). Es wird viel gegrölt und geprügelt, das ist nichts für feingeistige Norddeutsche. Wir verschwinden schnell und sehen uns im Gehen nicht mal mehr nach dem Handgemenge um.

Disko Disko in Stuttgart

14. April – Stuttgart

Man bringt uns an einem Ort voll schöner Schiffe unter. In Öl und Holz stehen sie auf Fensterbänken, hängen an der Wand. Wir dürfen keines davon mitnehmen. Trotzdem ist es schön im maritimen Herzen von Stuttgart. Gegenüber gibt es einen Drogeriemarkt. In dem gibt es viel gegen Heiserkeit. Ich kaufe alles. Das Mädchen an der Kasse macht sich lustig über mich, ich aber freue mich schon zu sehr auf die Waldhonig-Salbei-Bonbons um mich zu ärgern.

Wir fahren in den Keller. Dort waren wir schon einmal, war verrückt damals, wir sprechen darüber nur hinter vorgehaltener Hand, hier also nicht. Ich bin so unsagbar müde, dass ich nach dem Ausprobieren der Instrumente, noch einmal für zwei Stunden in das Hotel fahre. Ich schlafe selig unter einer Seeschlacht. Wieder verleben wir ein schönes Konzert, kurz denke ich, Thomas D steht im Publikum. Er ist es nicht. Wir können unsere eigene Trägheit nicht fassen. Gerade hier an diesem legendenreichen Ort, gerade heute am letzten Tag mit den Androiden und der Vornacht von Hagens Geburtstag ist die große Mehrheit sterbensmüde. Und hungrig. Wir essen Falafel, dann stehe ich für kurz auf einer Stehparty ohne Musik. Ich entscheide, das es sich auf einer Tanzparty mit Musik aber schöner steht und verlasse Nahrung suchend das Lokal.

Je näher ich dabei ans Hotel komme, umso unwahrscheinlicher wird meine Rückkehr. Bevor ich es fassen kann, liege ich schon wieder unter Laken, über mir das Kriegsbild und dann schlafe ich. Ein paar Verstreute sind zu diesem Zeitpunkt auf einer Party und beobachten, wie Männer und Frauen scheinbar zwanglos die Klokabinen teilen. Darauf angesprochen antwortet ein sechzehnjähriger Mann, der aussieht wie Travis Barker ohne Halstattoo: “Ja, kurz einen Blowie abgeholt”. Er grinst ein Zahnspangengrinsen. Die Gefährten nehmen das als Zeichen zu verschwinden. Welch Sündenpfuhl.

Zeitvertreib in Bayreuth

15. April – Bayreuth

Ein halbes Leben eifern wir bereits daraufhin, soweit ist es jetzt. Unser erstes Konzert mit den knuffigen Lumpenrockern von Findus. Die sind natürlich noch nicht da als wir kommen, aber das sehen wir ihnen nach. Wir vertreiben uns die Zeit mit Ringkampf und Ballsport. Als wir sandig sind und der Ball weit fort über die Zäune bauen wir unsere Instrumente auf und essen Weingummi und faire Schokolade. Findus kommen an, wir entladen ihr Schiff. Es ist alles sehr verheißungsvoll. Die Verheißung gipfelt, als man jedem von uns ein blaues Band zuteilt. Das bedeutet Freigetränke. Vierkant lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte! Begeisterung. Nudeln, sehr gute Nudeln. Konzert. Dann Findus und Freigetränke. Angeheizt von der Spielfreude unserer Kumpanen erwerben wir alle gleich mehrere Findusartikel zwischen den Mischgetränken. Die haben ihren eigenen Cocktail da – “Max 7”. Ich habe die Herausforderung angenommen. Nach einigen Tänzen und Schnäpsen und dem Versuch einen eigenen Cocktail zu erfinden, sind wir die Letzten im Laden. Wir hören noch die Hälfte einer einstündigen Version von Helge Schneiders Epos “Klapperstrauß”. Dann geht es in das was von privilegierten Mitgliedern der Kappelle später als beste Matratze der Geschichte beschrieben wird. Ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern.

Euer Leif
Eure Vierkanttretlager

Den zweiten Teil des Tour-Tagebuchs lest ihr »hier.
Den ersten Teil des Tour-Tagebuchs lest ihr »hier.

(Foto: Unter Schafen Records)