Virginia Jetzt! kommen rum: Mit Simon & Garfunkel in französische Einkaufspassagen, per Internet-Telefon nach Peking und durch “Blühende Landschaften” wieder zurück in die heimischen Clubs.
Stimme Nino und Super-Song-Brain Thomas lassen sich von motor.de so einiges gefallen. Nicht mal auf die Frage nach der Schlager-Affinität ihrer Band reagieren die zwei eingeschnappt. Wie uns das neue Album “Blühende Landschaften” schon vermuten ließ: Da scheint jemand reichlich Harmonie gefressen zu haben.
motor.de: Ihr seid ja erst seit kurzem unterwegs, euer Album ist aber schon länger draußen. Wie sind bisher die Reaktionen auf die neuen Songs?
Thomas: Super! Wenn man ein Album macht, weiß man ja vorher nicht, ob es den Leuten gefallen wird. Bis jetzt gab es bei jedem Album Nörgler. Das kann man aber als Band auch nicht vermeiden. Vor allen Dingen dann nicht, wenn man versucht, sich weiter zu entwickeln und in andere Richtungen zu gehen. Aber diesmal ist uns das ganz gut gelungen, den Leuten gefällt’s. Die Fans haben uns überwiegend sehr positive Reaktionen entgegen gebracht.
Nino: Man muss aber auch dazu sagen, dass wir erst ein Konzert gespielt haben. Ich weiß nicht, wie repräsentativ das ist. Gestern hatten wir das erste Konzert zur neuen Platte, haben viele neue Stücke gespielt und die Resonanz war sehr gut. Es wurde auch schon mitgesungen.
motor.de: Euer Tour-Beginn wurde verschoben, weil du, Thomas, dir dein Sprunggelenk verletzt hattest. Ist jetzt alles wieder gut?
Thomas: Ich zeig das mal ins Mikrofon (lacht). Ich hab jetzt eine schöne Bandage. Gut ist trotzdem noch nicht alles. Nach so einem Bühnen-Abend tut es schon noch ganz schön weh. Das habe ich gestern Nacht im Hotel gemerkt. Aber es ist okay. Ich kann zwar nicht auf der Bühne rum springen, aber wieder stehen und mich ein bisschen bewegen. Das reicht ja aus.
motor.de: Zum neuen Album. Ich hab gehört, ihr wolltet zuerst ein Duett-Album aufnehmen. Hattet ihr dafür irgendeinen Wunschpartner?
Nino: Ja, viele Wunschpartner natürlich! Wenn man so eine Idee hat, überlegt man natürlich: Mit wem will man was machen, wen kennt man gut und mit wem macht es Spaß zusammen zu arbeiten? Man kommt dann aber schnell auf ganz andere Sachen, die vielleicht spannender wären. Das war also letztlich gar nicht der Knackpunkt. Wir sind in vielen Fällen gar nicht bis zur Anfrage gekommen, weil erstmal ein Song da sein sollte, mit dem man sich die Personen auch vorstellen könnte. Dabei haben wir gemerkt, dass es unglaublich schwierig ist ein komplettes Duett-Album zu schreiben. Gerade auf deutsch. Es gibt ja nur relativ wenige gute, deutsche Duette und wir wissen jetzt auch, warum das so ist! Ein paar hätte man sicher hin gekriegt, aber eine gute Qualität und den Anspruch, den man selbst hat, über eine ganze Platte zu halten, das wäre eine Aufgabe, der man sich mehrere Jahre widmen müsste. Das war uns dann zu viel. War eine schöne Idee, aber hat nicht sollen sein. Noch nicht!
motor.de: Thomas, schreibst du immer noch die Songs?
Thomas: Fast alle, ja.
motor.de: Nino, ist es für dich nicht manchmal komisch, zum Teil sehr persönliche Texte und Songs zu singen, die ein anderer geschrieben hat?
Nino: Nö, wir haben uns über Jahre hinweg eingespielt und ein Verständnis füreinander entwickelt. Es wird nie so persönlich, dass ich genau weiß, um welche spezielle Situation in Thomas’ Leben es geht. So was zu singen wäre natürlich komisch. Oder wenn es um eine ganz bestimmte Person ginge, dann wäre es schwierig. Aber er versucht es natürlich so zu halten, dass nicht nur ich mich damit identifizieren kann, sondern auch die Leute, die den Song letztendlich hören. Darum geht es ja auch. Es geht nicht darum, dass die Leute hoch gucken und denken: „Ah, der Sänger, der hat das und das und das erlebt!“. Das Publikum sollte im besten Fall denken: „Ja, so geht’ s mir auch!“ oder „Das kenn’ ich irgendwo her.“ oder „Ich hab dass zwar ein bisschen anders erlebt. Das ist aber auch eine Sichtweise. Interessant!“ Das ist eigentlich das Ziel.
Und wir sind mit dieser Arbeitsweise ja weiß Gott nicht die Einzigen. Ob bei Oasis, Robbie Williams, Elvis Presley oder Depeche Mode – da stecken immer Songwriter dahinter. Die Kunst ist es, den Song so zu verkaufen, dass die Leute nicht merken, ob das jetzt von dem Interpreten geschrieben wurde oder nicht. Und dafür haben wir über die Jahre eigentlich einen ganz guten Weg gefunden.
motor.de: Ihr singt ja auf deutsch. Für manche Leute klingen eure Texte manchmal ein bisschen nach Schlager. Ihr habt auch schon mit der Münchner Freiheit zusammen gearbeitet. Wollt ihr mit den deutschen, kitschigeren Texten ein anderes Publikum erreichen? Vielleicht ein älteres?
Thomas: Nein, das ist es nicht. Ich finde es allgemein ziemlich schwierig in der Absicht Musik zu machen, ein bestimmtes Publikum erreichen zu wollen. Klar, wenn man Country-Musik macht, geht man davon aus, dass das zuerst die Leute mögen werden, die ansonsten auch Country hören. So was ist aber oftmals auch ein Trugschluss. Wir versuchen musikalisch und auch textlich in unserem Rahmen und mit unserem Möglichkeiten das auszuloten, was wir noch als spannend empfinden. Unsere Kitsch-Grenze ist da garantiert ein bisschen niedriger, als die manch anderer Leute. Aber ich finde immer noch, es gibt einen riesengroßen Unterschied zwischen Schlagertexten und Schlager-Musik und dem was wir machen. Das hat miteinander nichts zu tun. Aber wir haben definitiv keine Berührungsängste vor dem großen Gefühl.
motor.de: Habt ihr schon mal überlegt, was auf Englisch zu machen?
Thomas: Ja, ganz am Anfang haben wir englischsprachig gesungen. Das waren aber ziemliche Nonsens-Texte. Wenn man etwas ausdrücken möchte, wenn einem wichtig ist, dass Musik und Text auch eine Bedeutung und einen Inhalt haben, dann muss man in der Sprache singen, von der man glaubt, dass man sie am besten beherrscht. Und das ist bei uns die eigene Muttersprache.
Nino: Wenn wir jetzt englische Texte machen würden, würde das ja bedeuten, auf der inhaltlichen Ebene egaler zu werden. Es interessiert einfach keinen, was auf englisch gesungen wird. Die Stimme ist dann nur noch ein Instrument. Das hieße, sich weniger angreifbar zu machen und auch sich auf eine gewisse Art und Weise zu verstecken. Einen richtigen Grund würde es dafür ja gar nicht geben. „Okay, wir machen jetzt was anders, dann können die Leute nicht mehr verstehen, was wir eigentlich ausdrücken wollen.“ Warum? Dafür gibt es ja überhaupt gar keinen Grund. Da könnte man ja auch Instrumental-Musik machen, mal ganz blöd gesagt.
motor.de: Ihr ward ja letztes Jahr als Straßenmusiker in Frankreich unterwegs. Was war das für eine Erfahrung?
Thomas: Das war im Frühjahr 2008. Nach einem dreiviertel Jahr im Proberaum hängen, hatten wir ein bisschen die Nase voll. Wir wollten mal raus und das nicht unbedingt mit unserer eigenen Musik. Deshalb sind wir nach Frankreich gefahren und haben da in vier Städten Straßenmusik gemacht. Wir haben allerdings keine eigenen Stücke gespielt, sondern uns ein bisschen was von den Beatles und Simon & Garfunkel drauf gezogen. Alte Klassiker, die eigentlich jeder kennt, der auf der Straße an dir vorbei läuft. Das war vor allen Dingen deshalb eine spannende Erfahrung, weil man gezwungen war, anders zu reagieren. Man spult nicht so ein Programm ab, wie man das auf der Bühne oftmals machen muss. Viel Routine gehört auf der Bühne einfach dazu. Auf der Straße ist das ein bisschen was anderes. Da musst du auf die Menschen reagieren. Wenn sie stehen bleiben, musst du sie bei Laune halten, wenn sie weiter gehen, musst du irgendwas ändern. In einem Club oder bei einem Festival sind die Leute mehr oder weniger vor der Bühne gefangen und man weiß: Die werden nicht gehen. Da kann sich auch mal erlauben, ein langweiliges Stück zu spielen.
motor.de: Wie waren die Reaktionen der Passanten?
Thomas: Finanziell?
motor.de: Zum Beipsiel.
Thomas: Denen hat das gut gefallen. Am Anfang haben wir uns ein bisschen schwer getan, aber als wir dann in der Marseiller Haupt-Einkaufsstraße standen, ist der Rubel gerollt und es sind sehr viele Leute stehen geblieben. Nino war aber nach zwei Stunden singen stimmlich echt platt, da wir natürlich auch kein Mikrofon dabei hatten.
Nino: (gespielt zerknirscht) Nino musste dann schreien.
motor.de: Ihr habt auch schon mal ein Konzert über Skype gemacht.
Nino: Genau, das war auch so eine spontane Idee. Wir konnten vorher auch gar nicht einschätzen, wie cool das am Ende werden würde. Das war einfach nur so eine Idee. Skype funktioniert ja nur Vis-A-Vis, sprich man kann keine zehn oder hundert Leute gleichzeitig mit der Kamera verbinden. Das geht bisher nur per Ton. Wir haben 27 Songs verlost und dann bei dem jeweiligen Gewinner zu Hause oder wo auch immer der seinen Rechner hatte, angerufen. Dafür haben wir uns zwei Nachmittage getroffen. Und das war ziemlich spannend. Einmal kamen wir in Peking raus, das nächste Mal waren wir in Amerika. Mal sitzt einer alleine vor seinem Schreibtisch und freut sich, der nächste feiert eine Wohnzimmer-Party mit ganz vielen Freundinnen und einmal sind wir bei einer Firma raus gekommen, die uns sogar mit dem Beamer projeziert haben. Das war super. Danach haben wir ein kleines Video zusammen geschnitten. Unseres Wissens nach, hat das so auch noch keiner gemacht.
motor.de: Hab ich auch noch nie etwas von gehört. Bei euren normalen Live-Konzerten, habt ihr da irgendeine Art festen Ablauf? Irgendwas, was ihr immer macht? Rituale vor der Show, Party danach? Wie sieht so ein Konzert-Abend für euch in der Regel aus?
Thomas: Na, wir trinken vorher ein Glas Tee und dann spielen wir das Konzert, trinken danach noch ein Glas Tee und dann gehen wir langsam schlafen. So sieht Rock’n’Roll aus.
Nino: Es ist sehr routiniert. Man hat ja feste Abläufe. Erstmal ausladen, dann muss beim Sound-Check alles klappen. Da bleibt auch nicht viel Zeit für flexible Sachen. Dann geht man essen und das muss meistens ganz schnell gehen, so wie heute. Direkt vor dem Konzert, wenn das Intro los geht, kommen wir nochmal zusammen, damit wir einen gemeinsam Punkt finden. Aber es gibt kein riesiges Ritual oder einen Begrüßungsschnaps oder so. Aber das liegt natürlich auch daran, dass wir bald fünfhundert Konzerte gespielt haben. Da geht es eher darum, dass sich jeder auf den Punkt konzentriert, wenn wir raus gehen.
motor.de: Euch gibt es seit zehn Jahren, richtig?
Thomas: Ja.
motor.de: Wie sehen eure Zukunftspläne aus?
Nino: Wir denken ja immer in Alben-Perioden. Jetzt spielen wir die Tour zu unserem aktuellen Album “Blühende Landschaften” und danach denken wir, glaube ich, über die Zukunft nach. So ein Album ist ja immer eine ganz schwierige Geburt für uns. Man arbeitet lange daran und am Ende ist es wie ein Kind für uns. Das muss jetzt erstmal aufgezogen werden, bevor man übers nächste nachdenken kann. Das hat jetzt erstmal unsere ganze Aufmerksamkeit.
motor.de: Aber ihr könnt euch schon vorstellen, noch mal zehn Jahre dran zu hängen?
Nino: Wir haben aus Leidenschaft mit Musik machen begonnen und daran hat sich bis heute nichts geändert. Alle von uns würden sich, glaube ich, freuen, wenn wir nochmal zehn Jahre Musik machen und davon leben könnten. Das ist ja ganz klar! Aber man weiß nicht, was die Zukunft bringt. Es sind schließlich auch ziemlich schwierige Zeiten.
»Hier lang zu den Bilder vom Konzert.
Interview: Mark Lomenick
Photos: Florian Kresse
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